Raumfahrt:Aus dem Starliner-Start wird wieder nichts

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Die Starliner-Kapsel von Boeing auf einer Atlas-V-Rakete der United Launch Alliance. Sie sollte eigentlich im Juli von Cape Canaveral/Florida aus erstmals Astronauten zur Raumstation ISS bringen. (Foto: Joel Kowsky/dpa)

Der Konzern für Luft- und Raumfahrttechnik Boeing wollte im Juli erstmals Astronauten zur Raumstation ISS befördern. Nach mehreren Pannen folgt die nächste - Boeing hat sich verrechnet.

Von Dieter Sürig

Wenn die Nasa kurzfristig eine Pressekonferenz ansetzt, dann bedeutet dies angesichts der sonst oft Wochen im Voraus ausgearbeiteten PR-Choreografie der amerikanischen Raumfahrtbehörde nichts Gutes. Dabei war es diesmal eigentlich eine Missionsverzögerung mit Ansage, welche die Nasa am späten Donnerstagabend deutscher Zeit wegen diverser Probleme verkünden musste. Es handelt sich um eine weitere Episode in dem bisher glücklosen Versuch des Boeing-Konzerns, mit ihrer Kapsel Starliner auch endlich Astronautinnen und Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS befördern zu dürfen. Also genau das, was die einstige Newcomer-Firma Space-X schon seit drei Jahren erfolgreich tut. Nun hat die Nasa also den für Juli geplanten Starliner-Premierenflug auf unbestimmte Zeit verschoben.

Was war passiert? Wer aus mehreren Tausend Metern Höhe aus einem Flugzeug springen möchte, wird davon Abstand nehmen, wenn sich vorher herausstellt, dass der Fallschirm wohl doch nicht immer das Mindestgewicht aushalten kann wie vorher kalkuliert. Genau dies ist beim Starliner der Fall. Schon vor einer Woche hatte die Nasa berichtet, dass die Belastungsgrenzen auf Basis aktueller Zertifizierungsdaten erneut geprüft werden müssten. Nun bestätigte Boeing-Programmmanager Mark Nappi, dass die Sicherheit des Systems "ziemlich deutlich" sinke und zum Problem werde, wenn einer der drei Hauptfallschirme ausfalle. Die Fallschirme sind aber für die Besatzung der Kapsel überlebenswichtig, wenn sie bei ihrer Rückkehr zur Erde abbremsen muss, bevor sie im Ozean wassert.

Das Trauma des Brands der Apollo-1-Kapsel 1967 sitzt tief

"Die Sicherheit der Besatzung hat für die Nasa und ihre Zulieferer weiterhin höchste Priorität", sagte Nasa-Manager Steve Stich vor Pfingsten fast entschuldigend ob der neuerlichen Probleme. Diese seien in der astronautischen Raumfahrt aber keine Seltenheit. Umso schwerer wiegt auch der zweite Hauptgrund für die Verzögerung: So habe sich herausgestellt, dass sich das Klebeband, mit dem die Kabelbäume der Elektrik in der Kapsel ummantelt werden, "unter bestimmten Bedingungen" entzünden könnte. Außenstehende mag dabei erstaunen, dass dieses Klebeband nach Nasa-Angaben "üblicherweise in der Raumfahrt verwendet wird". Dies, obwohl der Brand der Apollo-1-Kapsel 1967 zum Trauma in der Nasa-Geschichte geworden ist. Damals kamen während eines Tests an der Rampe in Cape Canaveral/Florida alle drei Astronauten ums Leben.

Wie lange Boeing nun braucht, um die Probleme mit dem Starliner, die im übrigen bereits bei den beiden unbemannten Testflügen vorhanden gewesen seien, zu beheben, ist unklar. Auch, ob der Flug noch in diesem Jahr nachgeholt werden kann. Boeing zufolge muss die Kapsel womöglich auch noch einmal komplett zerlegt werden. Der Konzern will allerdings kein unabhängiges Gremium einrichten, wie von Sicherheitsberatern der Nasa gefordert, sondern über den Fortgang an die Behörde berichten.

Starliner-Kapsel vor ihrem ersten missglückten Testflug Ende 2019 in einem Hangar der Nasa in Cape Canaveral/Florida. (Foto: Nasa, Boeing/AFP)

Der Starliner hätte eigentlich frühestens am 21. Juli mit den Nasa-Astronauten Barry Wilmore und Sunita Williams von Florida zur ISS starten und dort etwa eine Woche bleiben sollen. Auch dieses Datum war zuvor schon mehrfach verschoben worden. Die ständigen Verzögerungen haben Boeing nach Angaben des Unternehmens seit 2020 bis zu 883 Millionen Dollar gekostet. Der Starliner-Testflug ohne Astronauten zur ISS war vor einem Jahr erst beim zweiten Versuch geglückt. Die Premiere war im Dezember 2019 gescheitert, weil die Kapsel wegen Problemen mit Bord-Uhr, Software und Kommunikation im Erdorbit nicht in Richtung ISS abbiegen konnte.

Auch die privaten Flüge zeigen, dass sich damit Geld verdienen lässt

Wegen des Endes der Space Shuttles 2011, hatte die Nasa 8,5 Milliarden Dollar in das so genannte Commercial-Crew-Programm investiert, um nicht auf Mitflüge in der russischen Sojus-Kapsel angewiesen zu sein. Space-X und Boeing erhielten dann den Zuschlag als private Zubringer zur ISS. Inklusive eines astronautischen Testfluges hat Space-X seit 2020 bereits sieben Nasa-Missionen mit insgesamt 26 ISS-Astronauten in ihrer Kapsel Crew Dragon zur ISS geflogen, dazu kommen zwei private Wissenschaftsflüge des Anbieters Axiom mit insgesamt acht Passagieren, letzterer Flug ist gerade erfolgreich zur Erde zurückgekehrt.

Auch die privaten Flüge zeigen, dass sich damit Geld verdienen lässt, die Rede ist von 55 bis 65 Millionen Dollar pro Platz bei Space-X. Und auch der Boeing-Konzern, der nach früheren Nasa-Angaben etwa 90 Millionen Dollar pro Ticket berechnet, möchte endlich von diesem neuen Geschäftsfeld profitieren. Denn selbst wenn die ISS um 2030 außer Dienst gestellt wird, wird es dann wohl einige kommerzielle Raumstationen geben, die bereits in Planung sind. Offiziell steht die Nasa weiter hinter Boeing. Schließlich brauche man neben Space-X "dringend" einen weiteren Anbieter solcher Flüge.

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