Panama Papers:Der größte Kanal nach Panama

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Das Bild einer Stadt: Hongkongs Machtelite steht wegen Offshore-Geschäften in der Kritik. Regierungsberater Bernard Chan (am Pult), Milliardär Li Ka-shing (sitzend), der ehemalige stellvertretende Regierungschef Henry Tang Ying-yen, Technologieminister Nicolas Yang Wei-hsiung und Stadtentwicklungsminister Paul Chan Mo-po (v.l.n.r.). Illustration: Peter M. Hoffmann (Foto: N/A)

Kein Land findet man so oft in den Panama Papers wie China. Die meisten Briefkastenfirmen wurden dabei via Hongkong gegründet.

Von Christoph Giesen

In dieser Stadt werden Immobilien von Offshore-Firmen gekauft, als sei das vollkommen normal. Aktiendeals werden über Geheimgesellschaften in der Karibik abgewickelt, damit ja niemand die Hintermänner kennt; auch darüber regte sich lange Zeit niemand auf. Offshore, so hört man es ständig im Hongkonger Bankenviertel, sei sehr wichtig für den Finanzplatz. Ohne Offshore gehe es nicht.

Bei dieser Philosophie ist es eigentlich kein Wunder, dass knapp ein Drittel aller Namen im Panama-Datensatz chinesischen Ursprungs sind; und dass die meisten von ihnen ihre Firmen via Hongkong haben einrichten lassen. Doch nun wird erstmals über Transparenz gesprochen. Eine Stadt, die die Branche befeuert, wie kaum ein anderer Ort auf der Welt, debattiert über ihr Verhältnis zu Briefkastenfirmen.

Denn gleich vier Medien in der ehemaligen britischen Kronkolonie haben in den vergangenen Tagen damit begonnen, Unterlagen aus den Panama Papers auszuwerten. Und mit jedem Tag steigt der Druck auf die Peking-freundliche Regierung der Stadt, weil immer neue Namen zutage gefördert werden.

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Da ist zum Beispiel Stadtentwicklungsminister Paul Chan Mo-po, Besitzer zweier Offshore-Firmen. Oder Henry Tang Ying-yen. Bis 2012 war er stellvertretender Regierungschef. Eigentlich sollte er als Wunschkandidat Pekings zum Regierungschef aufsteigen. Nach etlichen Skandalen entschied sich die Kommunistische Partei, Amtsinhaber Leung Chun-ying zu unterstützen. Die Panama Papers zeigen nun, dass Tang bis Juli 2002, also nur wenige Tage vor seinem Eintritt in die Hongkonger Regierung, an einer Privatjet-Firma beteiligt war. Für einen Dollar verkaufte er seine Anteile damals an seinen Vater.

Ebenfalls in den Daten findet sich Li Ka-shing, der reichste Mann der Stadt. Die gängigen Vergleichslisten taxieren das Vermögen des 87-Jährigen auf etwa 27 Milliarden Dollar. Mindestens sechs Offshore-Firmen ließ Li von der Kanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) aus Panama einrichten. Besonderen Wert legte er dabei auf Verschwiegenheit, "äußerste Diskretion", verlangten seine Leute.

In keinem Land der Welt ist Mossfon so aktiv wie in China: Acht Büros in der Volksrepublik und eine Filiale in Hongkong, die mit Abstand wichtigste, sie wird vor allem von den Reichen und politisch Gutgestellten genutzt und ist in einem Hochhaus direkt am Hafenbecken von Kowloon untergebracht. Wenn es dunkel ist, sieht man die Skyline von Hongkong funkeln.

In den Papieren tauchen mindestens acht Verwandte von aktiven oder ehemaligen Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des Politbüros auf, von Chinas mächtigstem Politikgremium. In den Daten finden sich Spuren zur Familie von Präsident und Parteichef Xi Jinping genauso wie zur Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Li Peng. Von den insgesamt sieben aktuellen Mitgliedern des Ständigen Ausschusses haben drei von ihnen nahe Verwandte mit Offshore-Vergangenheit.

Wozu braucht eine Universität Offshore-Firmen?

In China selbst sind die Panama Papers kein Thema, schließlich kämpft Präsident Xi seit drei Jahren vehement gegen die Korruption und Geldwäsche im Land. Hunderttausende Kader hat er degradieren lassen. Nun aber kommt heraus, dass sein eigener Schwager mindestens drei Offshore-Firmen unterhielt. Die Zeitungen und das Fernsehen in China dürfen darüber nicht berichten, in den sozialen Netzwerken ersticken Zensoren jeglichen Austausch im Keim. In Hongkong aber hat die Diskussion begonnen.

Seit ein paar Tagen steht auch die größte staatlich finanzierte Hochschule Hongkongs, die Polytechnische Universität, im Zentrum. Im Oktober 2012 gründete sie ausweislich der Panama Papers eine Offshore-Firma namens Pearl-Sun Wah auf den Britischen Jungferninseln. Im Mai 2013 folgte Pearl-Digipower. Doch wozu braucht eine Universität zwei Offshore-Firmen? Und weshalb finden sich diese nicht im Geschäftsbericht?

Verschärft wird die Debatte, weil die Verträge damals von Nicolas Yang Wei-hsiung unterzeichnet worden waren. Von 2010 bis November 2015 war Yang Executive Vice President der Universität und damit eine Art Geschäftsführer der Hochschule. Inzwischen aber ist er als Secretary, wie die Minister in Hongkong heißen, für Innovation und Technologie in der Stadt verantwortlich. Yang schweigt. Die Universität erklärt, man habe die beiden Firmen gegründet, um sich möglichst kostensparend von Beteiligungen zu trennen. "Es sei die letzte Alternative gewesen." Weshalb?

Auffällig ist, dass die beiden Unternehmen just zu einer Zeit eingerichtet wurden, als eine Untersuchungskommission der Universität empfohlen hatte, Dutzende Kooperationen zu beenden. Das geschah offenbar heimlich. Mithilfe der Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln überschrieb die Universität dem Geschäftsmann Jonathan Choi Koon-sum, der auch die Kommunistische Partei berät, Anteile an einem Gemeinschaftsunternehmen, dass die Universität 2001 mit Chois Sun Wah Group gegründet hatte.

Wurden dabei Werte übertragen? Profitierte Choi gar? Eine Untersuchung wird nun gefordert.

Als erste Zeitung berichtete in der vergangenen Woche die chinesisch-sprachige Ming Pao auf der Titelseite über die dubiosen Vorgänge. Gleich zwei Mitglieder des Executive Council, dem wichtigsten politischen Beratungsgremium in Hongkong, hatten sie in den Panama-Daten gefunden.

Offener Konflikt mit dem Chefredakteur

Doch statt eine Debatte über Offshore-Konten loszutreten, geriet Ming Pao in eine Krise. Just am Tag des größten Scoops entschied sich der Chefredakteur, seinen Stellvertreter, der die Recherchen koordiniert hatte, zu entlassen. Der offizielle Grund: Die Zeitung müsse sparen, deshalb sei es zur Trennung gekommen.

Seit dem Rausschmiss kommt Ming Pao nicht zur Ruhe. Am Sonntag und Montag weigerten sich Kolumnisten aus Protest, ihre Texte abzugeben. Es erschienen teils leere Seiten. Die Redaktion steht nun im offenen Konflikt mit ihrem Chefredakteur, der als Peking-freundlich gilt - wie so viele andere in Hongkong. Der Grund: Viele Verleger befürchten, dass zu viel Kritik an der Kommunistischen Partei die Werbekunden vertreibt.

Waren also die Panama Papers der Grund für die Entlassung? Die Kündigung stand offenbar lange fest, wurde aber bewusst am Tag der Veröffentlichung bekannt gegeben - als Zeichen an Peking: Macht euch keine Sorgen, die Debatte ist bald vorüber.

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In diese Kerbe schlagen auch die alten, kritischen Stimmen, die es natürlich noch zur Genüge gibt: Immer wieder hört man die Sorge, wie sie zum Beispiel von der regierungsnahen Abgeordneten Regina Ip Lau Suk-yee vorgetragen werden, dass zu scharfe Regeln dazu führen könnten, dass niemand mehr in die Politik gehe.

Das sagt auch Bernard Chan. Er gehört dem Executive Council an und muss sich dieser Tage rechtfertigen. Die Daten zeigen, dass er an 40 Offshore-Firmen beteiligt ist. In 19 Fällen lässt sich nicht nachvollziehen, welchen Geschäftszweck die Firmen haben. Chan sagt: Falls die Öffentlichkeit glaube, dass Ratsmitglieder keine Anteile an ausländischen Firmen halten sollten, "dann wäre ich natürlich ungeeignet, meine Rolle im Executive Council fortzusetzen".

Bezahlte Scheindirektoren

Bislang sieht das Gesetz in Hongkong vor, dass Kabinettsmitglieder und Regierungsberater lediglich offenlegen müssen, wenn sie eine exponierte Position innerhalb eines Unternehmens, zum Beispiel als Geschäftsführer, übernommen haben. Beteiligungen, Aktienpakete und der Besitz von Firmen müssen hingegen nicht angezeigt werden.

Bei Offshore-Konstruktionen ist es für Regierungsmitglieder in Hongkong also bis heute vollkommen legal, heimlich Eigentümer eines obskuren Unternehmens, etwa auf den Britischen Jungferninseln zu sein - solange jemand anderes auf dem Papier die Geschäftsführung übernimmt. In der Offshore-Welt mit ihren bezahlten Scheindirektoren ist das alles kein Problem. Auch deshalb liegt Hongkong in den Daten von Mossack Fonseca weit vorne.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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