Krieg in der Ukraine:Sanktionen gegen reiche Russen treffen auch Europas Firmen

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Auch Aleksandra Melnitschenko, hier auf einer Veranstaltung in Frankreich 2011, steht auf der Sanktionsliste der EU. Ihr Mann hat ihr seine Beteiligung an einem Düngemittelhersteller aus der Schweiz überschrieben. (Foto: Victor Boyko/Getty Images)

Die EU straft immer öfter auch die Angehörigen von russischen Oligarchen ab. Das bringt hiesige Unternehmen in Schwierigkeiten - und führt auf rechtliches Neuland.

Von Lea Hampel, Sonja Salzburger und Meike Schreiber

Es ist kurios: Ist Marina Mordaschowa die Frau von Alexej Mordaschow? Ihr Anwalt verschickt Schreiben, dass sie nicht mit ihm verheiratet ist und war, in russischen Medien wird sie als Milliardärsgattin gefeiert. Der gesunde Menschenverstand verleitet zu der Annahme, dass eine Frau, die bis auf ein "a" den gleichen Nachnamen trägt wie der Vater ihrer Kinder, doch näher an jenen gebunden sein könnte. Doch sicher ist nur: Die Dame ist dem Oligarchen so nah, dass er ihr seine Anteile am deutschen Tui-Konzern übertragen wollte. Und das bedingt vor allem eines: dass der Konzern sich auf juristischem Neuland befindet - und nicht das einzige Unternehmen ist, für das die Folgen der kontinuierlichen Erweiterung der Sanktionen immer schwerer abschätzbar werden.

Ende vergangener Woche hat die EU die Liste der sanktionierten Russen unter anderem um Marina Mordaschowa und Aleksandra Melnitschenko erweitert. Letztere ist die Ehefrau von Andrej Melnitschenko. Der russische Milliardär ist unter anderem mehrheitlich am Düngemittelhersteller Eurochem mit Sitz im schweizerischen Zug beteiligt. Beide Frauen haben im Frühjahr die Unternehmensbeteiligungen überschrieben bekommen. Beiden war vermutlich die Rolle zugedacht, den Männern die Kontrolle zu sichern. Sie sind formell wichtig, können aber de facto keinen Einfluss ausüben und damit auch nicht profitieren. Denn durch die Sanktionen gilt das Bereitstellungsverbot. Das klingt technisch, hat es aber in sich für die Firmen: Ein Konzern muss sicherstellen, "dass keine Vermögenswerte an den Sanktionierten gehen", sagt Außenwirtschaftsrechtsexpertin Laura Louca. "Oder um es simpel zu sagen: dass die Gelder nicht an ihn weitergeleitet werden." So weit, so einfach. Doch was das strategisch bedeutet, bleibt unklar.

Banken sperrten die Konten von Eurochem

Eurochem jedenfalls war durch die Sanktionen gegen Melnitschenko im März rasch in Schwierigkeiten geraten. Wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete, sperrten Großbanken die Konten des Unternehmens. Der Düngemittelhersteller, immerhin einer der größten der Welt, soll Probleme gehabt haben, seine Angestellten und die Zinsen auf seine Anleihen zu bezahlen. Um die Probleme zu lösen, musste Eurochem das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft um eine Bestätigung bitten, dass das Unternehmen selbst nicht sanktioniert worden sei. Das Sekretariat bestätigte das und betont, man habe sich von der Geschäftsleitung zusichern lassen, "dass die schweizerischen Sanktionsmaßnahmen vollumfänglich eingehalten werden". Der nun erfolgten EU-Sanktionierung der Ehefrau hat sich die Schweiz nicht angeschlossen, prüft das aber. Beim Wirtschaftsstaatssekretariat heißt es: "Bisher sind alle von der EU gelisteten Personen auf die Schweizer Liste übernommen worden." Eurochem ließ eine Anfrage zur Causa Melnitschenko unbeantwortet.

Ähnliche Schwierigkeiten sind bei Tui derzeit nicht bekannt. Der Reisekonzern betont, die Sanktionierung ihres Großinvestors, der zuvor etwa 30 Prozent der Anteile hatte, habe keine Auswirkungen. Auch die Sanktionierung Marina Mordaschowas ändere daran nichts - zumal ohnehin unklar ist, ob sie überhaupt Anteilseignerin ist, die Übertragung wird noch durch das Bundeswirtschaftsministerium geprüft. "Die Sanktionen oder Sperren haben nur direkte Auswirkungen auf den Aktionär und sein Investment, über das er oder sie nicht verfügen kann", heißt es aus Hannover.

Dennoch hält Rechtsanwalt Viktor Winkler, Experte für Sanktionsrecht, Tuis Interpretation für falsch. Für das Unternehmen würden sich aus der jetzigen Situation durchaus zahlreiche Rechtsfragen ergeben. "Zum einen darf die Aktionärin nicht mehr über ihre Aktien verfügen, sie kann sie derzeit also nicht verkaufen. Die Firma darf aber zugleich nichts unternehmen, was der sanktionierten Aktionärin irgendwie zum Vorteil gereicht, sonst droht sie sich strafbar zu machen", sagt er. "Das Ganze ist also ein ziemlicher Seiltanz für die Tui." Der Konzern müsse alle internen Aktivitäten prüfen.

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Laut Tui passiert genau das. Das Unternehmen setze alle Sanktionen vollumfänglich um, so ein Sprecher. Sanktionierte Investoren könnten weder auf Aktienpakete zugreifen noch Stimmrechte ausüben. Man stehe mit der Bundesbank als Aufsichtsbehörde im Austausch, Dividenden, die derzeit ohnehin nicht gezahlt werden wegen der Staatskredite, landeten, wenn sie wieder gezahlt würden, auf einem Sperrkonto.

Die Sanktionierten wehren sich

Dennoch ist die mittelfristige Perspektive unsicher. "Sanktionen sind für kein Unternehmen harmlos", sagt Außenwirtschaftsrechtsexpertin Laura Louca. Zwar sei es immer wieder vorgekommen, dass "sanktionierte Personen Vermögenswerte an nicht-sanktionierte Verwandte oder Freunde übertragen". Das Besondere sei jetzt, dass es keine Präzedenzfälle gebe, in denen mittelfristig größere Anteile eines Unternehmens einem sanktionierten Eigentümer gehörten. Und selbst wenn das Unternehmen alle Bestimmungen einhalte, wäre es kompliziert. Sie fände eine Lösung sinnvoll, bei der die Anteile von einem Treuhänder verwaltet werden, "weil dann auch nach außen klar ist, dass das Vermögen und die Stimmrechte nicht von einem russischen Oligarchen beeinflusst werden". Damit sei auch klar, dass Geschäftspartner mit dem Unternehmen Geschäfte machen könnten, ohne Gefahr zu laufen, gegen das Bereitstellungsverbot zu verstoßen.

Mehrere Oligarchen und deren Angehörige versuchen derweil bereits, sich zu wehren. So fordert etwa der Geschäftsmann Farchad Achmedow die EU auf, ihn nicht länger zu sanktionieren und seine Luxusyacht Luna, die in Hamburg festliegt, herauszugeben. Auch Aleksandra Melnitschenko hat in einem Statement an die Nachrichtenagentur Reuters angekündigt, "die unglückliche Entscheidung gegen sie energisch anzufechten".

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