Verfahren um "movie2k.to":Wie Sachsens Polizei an Bitcoin im Wert von zwei Milliarden Euro kam

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Die Menge an Bitcoins, die die Behörden in Sachsen sicher gestellt haben, ist deutlich größer. (Foto: DADO RUVIC/REUTERS)

Gut zehn Jahre nach der Abschaltung eines Raubkopie-Portals hat einer der Beschuldigten die in Bitcoin angelegten Gewinne herausgerückt. Wer das Geld bekommt, muss ein Gericht klären.

Von Max Muth

Am 17. Januar 2024 machte im Netz eine Nachricht die Runde. Ein Wal sei aufgewacht, hieß es unter anderem beim Krypto-Branchenblatt "decrypt.co". Ein Wal ist in der Sprache der Kryptowährung-Fans ein Besitzer von großen Mengen der jeweiligen Währung. Die Tiere sind geheimnisumwittert, denn viele schlafen seit Jahren. Wenn sie aufwachen, dann hat das oft Konsequenzen für den Kurs der Internetwährung. Genau das wurde nun am 17. Januar befürchtet, als ein ziemlich großes Exemplar rund 50 000 Bitcoins auf andere Konten verschob.

Heute wurde die Identität des Wals geklärt: Es handelt sich um die Ermittlungsbehörden in Sachsen. Die sitzen derzeit auf einem Berg von genau 49 858 Bitcoins. Dass Behörden in Strafverfahren Bargeld und andere Werte sicherstellen ist an der Tagesordnung, auch Bitcoin und andere Kryptowährungen sind seit einigen Jahren keine Seltenheit mehr. Dass eine Behörde Zugang zu einer derart großen Summe Geld bekommt, ist allerdings in der Bundesrepublik ein Novum: umgerechnet sind die Bitcoins derzeit fast exakt zwei Milliarden Euro wert.

Wem gehört das Geld?

Die Bitcoins wurden der Generalstaatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen zwei Beschuldigte im Fall "movie2k.to" übergeben. Bis 2013 konnten Internetnutzer über die Plattform raubkopierte Filme streamen. Die Betreiber verdienten Geld mit Werbung, die über die Seite ausgespielt wurde. Und weil große Einnahmen aus kriminellen Geschäften auf legalen Bankkonten Aufsehen erregen, steckten die Betreiber alle Gewinne in die damals noch als anonym geltende Internetwährung Bitcoin. Finanziell gesehen war das eine gute Entscheidung. Schon bei der Abschaltung der Plattform 2013 waren die Bitcoins rund fünf Millionen Euro wert. Doch seitdem hat sich der Wert vervierhundertfacht. Eine respektable Rendite, die nun vermutlich jemand anderem zugutekommt.

Was die Behörden nun mit den Bitcoins machen, werde derzeit geprüft, so der zuständige Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden, Patrick Pintaske. In einigen Bundesländern - etwa Bayern - müssen beschlagnahmte Coins sofort notveräußert werden, als wären sie verderbliche Güter. Das scheint in Sachsen nicht der Fall.

Bei wem genau die Bitcoins oder ihr Gegenwert letztlich landen werden, ist ebenfalls noch unklar. Interessenten gäbe es wohl genug für zwei Milliarden Euro. Doch wem sie zustehen, ist nicht so einfach zu klären. Den betrogenen Rechteinhabern aus der Filmindustrie? Die müssten wohl erst einmal Interesse anmelden und nachweisen, wie sie geschädigt wurden. Oder der Freistaat Sachsen, der mit Sicherheit Verwendung für die eine oder andere Milliarde hätte. Oder könnten die Beschuldigten einen Teil ihrer Beute zurückbekommen? Schon ein kleiner Bruchteil würde ausreichen, sie zu sehr wohlhabenden ehemaligen Kriminellen machen.

Ein Wal namens Polizei Sachsen

Fragen für die Patrick Pintaske durchaus Verständnis hat, die er aber dennoch nicht beantworten kann: "Das wird am Ende das Gericht entscheiden." Und bis das entscheidet, kann es dauern. Wie lange, das illustriert ein zweites Verfahren gegen Beschuldigte aus dem gleichen Komplex. Schon 2019 waren die Männer im Zusammenhang mit dem Betrieb von "movie2k.to" verhaftet und angeklagt worden. Mindestens ein Beschuldigter verbüßt auch bereits eine Freiheitsstrafe, wer die damals beschlagnahmten rund 2500 Bitcoin bekommt, ist aber weiterhin ungeklärt.

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