Arbeitsmarkt:Lockdown verursacht bisher kaum Entlassungen

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Bundesagentur für Arbeit (Foto: Ina Fassbender/AFP)

Weil Winter ist, gibt es wie jedes Jahr mehr Stellensucher. Auf die Schließungen reagieren Firmen eher mit Kurzarbeit als mit Jobabbau. Anders als erwartet schrumpft die Wirtschaft Ende 2020 nicht.

Von Alexander Hagelüken

Die Zahl der Arbeitslosen nahm im Januar um fast 200 000 auf 2,9 Millionen zu. Das lag aber weniger am neuen Corona-Lockdown als am Winter. Wenn es kalt wird und etwa Baustellen ruhen, gibt es jedes Jahr mehr Stellensucher. Rechnet man diese Saisoneffekte heraus, sank die Arbeitslosenzahl im Januar sogar. Auf die Schließung von Restaurants und Geschäften reagieren die Betriebe offenbar eher mit Kurzarbeit und der Reduzierung von Minijobs als mit Entlassungen. So meldeten die Firmen für 750000 Beschäftigte neu Kurzarbeit an. Das Gastgewerbe strich etwa 100000 Minijobs.

"Der Arbeitsmarkt zeigt sich alles in allem weiter in einer robusten Verfassung", sagt Detlef Scheele, der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit. "Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hinterlassen aber Spuren." Wie stark sich der neue Lockdown seit November insgesamt auswirken wird, ist noch nicht klar. So warnt das Ifo-Institut: "Der Lockdown führt insbesondere im Einzelhandel zu mehr Entlassungen." Enzo Weber, Prognosechef des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, ist weniger skeptisch. Firmen, die wegen der Pandemie entlassen, taten dies nach seiner Beobachtung oft bereits im Frühjahr 2020.

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Weber ist trotz der mindestens bis Mitte Februar verlängerten Schließungen zuversichtlich. Denn die Corona-Maßnahmen seit November führten zu einem deutlich geringeren Einbruch als im Frühjahr 2020, als Fabriken und Geschäfte flächendeckend geschlossen waren. Aktuell sei die Ungewissheit deutlich geringer: "Mit der Perspektive der Impfungen vor Augen halten die Betriebe an ihren Beschäftigten fest", so Weber.

"Die Lage der Weltwirtschaft ist besser, als es viele aktuelle Schlagzeilen vermuten lassen"

Allgemein hängen die Jobchancen von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Dabei zeigt sich, dass die Schließungen etwa von Restaurants und Geschäften auf die Konjunktur drücken. In den letzten drei Monaten 2020 nahm die Wirtschaftsleistung nur um 0,1 Prozent zu, nachdem sie sich zuvor stark erholt hatte. Allerdings ist es fast ein Erfolg, dass die Wirtschaft im letzten Quartal vergangenen Jahres nicht schrumpfte: Damit hatten nämlich viele Experten gerechnet. In den ersten drei Monaten 2021 dürfte die Wirtschaft wegen des Lockdowns auch stagnieren oder leicht schrumpfen - allerdings eben nicht so abstürzen wie im Frühjahr 2020.

Es gibt auch optimistische Stimmen, gerade was die Aussichten für deutsche Exporte betrifft. "Die Lage der Weltwirtschaft ist besser, als es viele aktuelle Schlagzeilen vermuten lassen", sagt Michael Menhart, Chefvolkswirt des Rückversicherers Munich Re. Schon das dritte Quartal des vergangenen Jahres habe gezeigt, wie schnell eine Erholung möglich sei. "Sofern die Impfungen wie geplant laufen und Einschränkungen zurückgenommen werden können, dürfen wir mit einem sehr robusten globalen Wachstum ab dem zweiten Quartal und einer Rückkehr der Weltwirtschaft auf ihr Vorkrisenniveau bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahres rechnen."

Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut sieht in Deutschland derzeit noch keine Pleitewelle: "Sie ist durch die Aussetzung der Pflicht zur Insolvenz-Anmeldung und die staatlichen Liquiditätshilfen des Bundes und der Länder verhindert worden." Durch den Einbruch der Unternehmensgewinne 2020 hätten nach normalen Maßstäben eigentlich Forderungen in Höhe von fast 120 Milliarden Euro ausfallen müssen. Die staatlichen Hilfen halbierten diese Summe, so der Ökonom.

Die verbleibenden 60 Milliarden Euro seien vor allem deshalb noch nicht ausgefallen, weil die Bundesregierung die Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz ausgesetzt hat. Diese Aussetzung verschiebe zwar zunächst nur das Problem. "Allerdings dürften die staatlichen Sofort- und Überbrückungshilfen das Produktionspotenzial stabilisiert haben. Die bevorstehende Insolvenzwelle dürfte damit spürbar abgeflacht und die konjunkturelle Erholung nach Ende des Shutdowns beschleunigt werden", so Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser.

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