Waldbrände in Kanada:Warum Meta das Teilen von News blockiert

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Kampf gegen die Flammen: Menschen in Kanada beobachten, wie ein Hubschrauber Wasser am Shannon Lake sammelt, um Waldbrände in West Kelowna zu bekämpfen. (Foto: PAIGE TAYLOR WHITE/AFP)

In Kanada brennen die Wälder, aber der Meta-Konzern lässt auf seinen Netzwerken Facebook und Instagram nicht zu, Nachrichten von Medien zu teilen. Wie kann das sein?

Von Helmut Martin-Jung, München

Es ist wie im Club: Wen der Türsteher nicht reinlässt, der oder die bleibt draußen. Seine Kriterien mögen einem diffus erscheinen, eigentlich dienen sie aber einem Ziel: Der Club, früher sagte man dazu Disco, soll profitieren. Bei Türstehern der digitalen Welt ist das nicht anders. Meta und andere wollen, dass der Laden läuft. Langweiler kann man da nicht brauchen. Und Gäste, für die man auch noch bezahlen soll, die kommen schon gar nicht rein. Die Türsteher der digitalen Welt und wie die Sache dort funktioniert oder besser gesagt: nicht funktioniert, das lässt sich derzeit in Kanada beobachten.

Dort wüten riesige Feuersbrünste, erstmals mussten die Bewohner einer Provinzhauptstadt, Yellowknife, in Sicherheit gebracht werden. Und gerade jetzt wäre es natürlich hilfreich, wenn der Besitzer der digitalen Clubs Facebook und Instagram alles Wichtige in seinen Feed packen würde. Woher weht der Wind, wie wird das Wetter, welche Straßen sind gesperrt. Feed, das ist die Abfolge von Beiträgen, die man vorgesetzt bekommt, wenn man sich bei einer dieser Dienste anmeldet oder die App auf dem Smartphone startet.

Doch Meta, der Mutterkonzern unter anderem von Facebook und Instagram, weigert sich. Denn das Unternehmen aus Kalifornien liegt im Clinch mit den Behörden in Kanada. Die Regierung hat ein Gesetz erlassen, den Online News Act. Er verpflichtet Meta dazu, Presseorganen ein Entgelt zu bezahlen, wenn sie deren Inhalte auf ihrer Plattform veröffentlichen.

Wenn nun also ein Bewohner der Gegend Informationen etwa aus einer Zeitung auf Facebook oder Instagram teilen will, damit Verwandte, Bekannte und Nachbarn auch mitkriegen, was da los ist, blockiert Meta das. Denn bezahlen will der Konzern von Mark Zuckerberg nichts.

Nun könnte man natürlich einwenden, die Verwandten, Bekannten und Nachbarn bräuchten ja nur selbst die Webseiten der News-Organisationen besuchen, von New York Times über Washington Post bis Toronto Star oder Globe and Mail. Doch gerade für Jüngere spielt sich die Welt innerhalb von Plattformen wie Meta oder auch Tiktok ab. Zumindest gefühlt bekommen sie dort das, was sie wirklich interessiert, nicht das langweilige Erwachsenen-Zeug.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Anders als seriöse Medien fühlen sich die Plattformen wie Facebook oder Instagram keinem Informationsauftrag verpflichtet. Oberstes Ziel ist es, dass der Laden brummt. Der brummt dann, wenn möglichst viele junge Leute möglichst viel Zeit auf den Plattformen verbringen. Also appelliert man an eher niedrige Instinkte wie Neugier, Sensationslust, Eitelkeit, Schadenfreude und Ähnliches.

Wirklichkeit wird nicht mehr abgebildet, sondern inszeniert. Leute, die das überwiegend junge Publikum zum Konsum animieren sollen, nennen sich Influencer und bewahren damit einen Rest an Ehrlichkeit - es geht tatsächlich darum, Menschen zu beeinflussen. Das gab es zwar schon immer, aber nicht unter dem Deckmantel der Kumpeligkeit.

Die Plattformen können gar nicht anders

Die Plattformen können aber eigentlich gar nicht anders. Presseorgane wollen sie keine sein, weil sie die damit einhergehenden Pflichten nicht erfüllen wollen. Dummerweise aber nehmen viele Nutzer sie als solche wahr. Die Plattformen können nicht anders, weil sie Teil eines schnell drehenden Wettkampfes sind. Sie leben so gut wie ausschließlich von Werbung. Ihr Angebot an die Werbekunden: Wir wissen, wer wofür Geld ausgeben würde, hier erreicht ihr genau die Leute, die sich für euer Produkt interessieren. Daher auch die ganze Datensammelei, die man den Konzernen schon lange vorwirft. Mithilfe künstlicher Intelligenz können sie immer besser vorhersagen, wen man wie ansprechen muss, damit die Anzeigenkunden ein Geschäft machen.

Die Konzerne wandeln dabei auf einem schmalen Grat. Sie müssen ihre Angebote für die Nutzer so gestalten, dass die noch das Gefühl haben, es bringe ihnen etwas. Eigentlich aber geht es darum, das Daten-Melkvieh bei der Stange zu halten. Denn nur wenn dieser Rohstoff ständig fließt, können die Konzerne ihr Versprechen gegenüber den Werbetreibenden einhalten. Bisher ist ihnen das trotz zahlreicher Skandale gelungen.

Mit der Weigerung, News teilen zu lassen, kommt nun in Kanada ein weiterer hinzu. "Rücksichtslos" nannte etwa die kanadische Regierung diese Haltung von Meta. Ein Radiojournalist aus Yellowknife berichtete, dass viele mittlerweile Screenshots von Nachrichten posten würden, weil sie keine Links auf die Artikel versenden könnten.

Die kanadische Ministerin für kulturelles Erbe, Pascale St-Onge, twitterte, man rufe Meta dazu auf, das Teilen von Nachrichten unverzüglich wieder zu erlauben - im Interesse der Sicherheit der Kanadier, die mit dieser Lage zurechtkommen müssten. Meta verwies aber nur auf eine Funktion, mit der man anderen Nutzern mitteilen kann, dass man in Sicherheit sei.

Die Haltung von Meta finden nicht alle schlecht. Mehrere Nutzer auf X, vormals Twitter, machten das kanadische Gesetz für die Misere verantwortlich. Ein anderer dagegen kommentierte: Womöglich werde die Sache die Menschen lehren, bei Nachrichten nicht ausschließlich auf Facebook und Instagram zu vertrauen.

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