Inflation:Wie man sich gegen hohe Energiepreise wappnet

Lesezeit: 3 min

Nicht nur die Preise an der Tankstelle steigen derzeit ständig, auch die Heizkosten sind erheblich höher als vor einem Jahr. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Weniger Autofahren, Gebäude sanieren, Hilfen für die Schwachen: Es gibt Mittel und Wege, mit den steigenden Kosten umzugehen. Aber nicht alles geht von heute auf morgen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der Tarifrechner der Gasag ist abgeschaltet. Bis vergangene Woche noch hat die Berliner Versorger hier um Neukunden geworben, jetzt lässt sie es lieber bleiben. "Die Preise an den Energiemärkten haben solche Kapriolen geschlagen", sagt eine Sprecherin des Hauptstadt-Versorgers, "dass wir kein akzeptables Angebot mehr machen konnten". Die Grund- und Ersatzversorgung laufe aber weiter. Das allerdings bald zu höheren Preisen: um fast 30 Prozent steigen die zum 1. Mai für einen Großteil der Kundschaft. Und damit ist die Gasag kein Einzelfall. Das böse Erwachen rückt näher.

Die höheren Preise begegnen den meisten Verbraucherinnen und Verbrauchern derzeit nur an den Tankstellen. Diesel teurer als Super-Benzin, die Preise weit über zwei Euro - an den Anblick dieser Preistafel müssen sich Autofahrer erst einmal gewöhnen. "Dabei wird oft vergessen, dass viele Autofahrten nicht unbedingt nötig sind", sagt Ann-Kathrin Schneider, Chefin des Radfahrer-Verbands ADFC. Schließlich sei die Hälfte aller Autofahrten kürzer als fünf Kilometer, ein Viertel sogar kürzer als zwei Kilometer. "Wir gehen davon aus, dass die meisten der kürzeren Fahrten mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können", sagt Schneider. Fehlten nur vielerorts noch die passenden Radwege.

Weit härter wird es Millionen Verbraucher in den eigenen vier Wänden treffen. Heizungen können sie zwar runterdrehen, aber eben mal auf andere Energien umsteigen können sie nicht. Stattdessen trudeln nun nach und nach die Heizkostenabrechnungen für 2021 ein. Gemessen am aktuellen Niveau, waren die Preise seinerzeit zwar viel niedriger, aber doch deutlich höher als im Vorjahr. Es drohen saftige Nachzahlungen - auch denen, die ohnehin nicht so viel haben. Einen Heizkostenzuschuss von 135 Euro hatte die Koalition ursprünglich vorgesehen, um Wohngeld- und Bafög-Empfänger zu entlasten. Dabei soll es aber nach Willen der Baupolitiker der Koalition nicht bleiben. Der Zuschuss leiste "einen zu geringen Beitrag, um die Preissprünge für Heizung und Wärme der letzten Monate ernsthaft zu kompensieren", sagt der SPD-Politiker Bernhard Daldrup. Hier wird wohl nachgelegt.

An die Wurzel des Problems freilich geht auch das nicht. "Im Grunde ist seit Jahren bekannt, dass wir beim Verbrauch mehr machen können und müssen", sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wer in einer sanierten, gut gedämmten Wohnung lebe, der müsse sich wegen steigender Energiepreise wenig sorgen. Dennoch sei zu wenig geschehen. "Und jetzt haben wir eine Schmerzgrenze erreicht, wo auch bisherige Routinen überprüft werden." Ablesen lasse sich das derzeit am Ansturm auf die Energieberatung.

Damit allerdings droht das nächste Problem: Schon jetzt sind Handwerker knapp. Wenn aber nun massenhaft Häuser und Wohnungen saniert würden, dann drohe hier ein ernster Engpass, mit steigenden Preisen für die Vorhaben. "Wer jetzt noch einen Handwerker bekommt, der sollte loslegen", rät Sieverding. Denn die Nachfrage nach Sanierungen dürfte die nächsten Jahre anhalten. Eher sollte sich die Politik nun Gedanken machen, wie sich die Knappheit an qualifiziertem Personal beheben lasse.

Schon fordert eine Phalanx aus Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden einen "Gipfel zur Energiesouveränität". In einem Aufruf von knapp zwei Dutzend Verbänden heißt es: "Die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten zu reduzieren, ist das Gebot der Stunde". Nötig seien Appelle zum Energiesparen und gezielte Unterstützung bei einfachen technischen Maßnahmen. Denn oft kann es schon helfen, ein Thermostat zu wechseln oder eine Kellerdecke zu isolieren.

Höhere Löhne und Gehälter könnten bei der steigenden Inflation helfen

Dabei treffen höhere Energiekosten die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur beim Heizen und Fahren, sie kommen auch indirekt. Beispiel Lebensmittel: Auch Landwirte brauchen Kraftstoff. Die Herstellung von Dünger verteuert sich, und wenn das Beheizen eines Gewächshauses mehr kostet, dann tun das die dort gezogenen Tomaten auch. Beispiel Transport: Höhere Spritpreise verteuern auch die Logistik und damit alle Produkte, die über größere Strecken transportiert werden. Sie verteuern das Fliegen und machen damit auch touristische Reisen kostspieliger - was sich in Hotels dann fortsetzt: Die müssen schließlich auch höhere Heizrechnungen begleichen.

All das summiert sich am Ende in einer einzigen Kennzahl: der Inflation. Sie lag im Februar bei 5,1 Prozent. Damit zumindest die Beschäftigten unter den Verbrauchern das verkraften, gibt es auf derlei Belastung nur eine Antwort: höhere Löhne und Gehälter. Wer obendrein noch seinen Energie-Verbrauch drosselt, ist für weitere Kapriolen gut gerüstet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: