Halbleiterindustrie:Infineons gefährlicher Milliardenpoker

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Hoher Besuch im Infineon-Werk in Dresden vor zwei Wochen: Wirtschaftsminister Robert Habeck (rechts) und Außenministerin Annalena Baerbock in Schutzanzügen. (Foto: Reuters)

Der Neubiberger Chipkonzern investiert noch mal fünf Milliarden Euro in das Werk in Malaysia. Dahinter steckt eine riskante Strategie. Die Infineon-Aktie reagiert prompt.

Von Caspar Busse

Seit Frühjahr 2022 führt Jochen Hanebeck den Chiphersteller Infineon aus Neubiberg vor den Toren Münchens. " Das Beste kommt erst noch", sagte er im vergangenen Sommer über die Perspektiven des Unternehmens. Für den Aufschwung will sich Hanebeck offenbar rüsten. Seit er an der Spitze steht, verkündet Infineon jedenfalls immer neue Milliardenausgaben. An diesem Donnerstag gab Hanebeck bekannt, dass der Konzern seine Investitionen in das Werk im malaysischen Kulim massiv aufstocken werde. In den kommenden fünf Jahren sollten zusätzlich bis zu fünf Milliarden Euro für den Bau ausgegeben werden.

Auch in Dresden will Infineon fünf Milliarden Euro investieren, das hat das Unternehmen erst vor wenigen Monaten verkündet. Etwa eine Milliarde Euro davon soll es an öffentlicher Förderung geben. Die Standorte im österreichischen Villach und in Malaysia wurden in jüngster Vergangenheit bereits massiv ausgebaut. Zudem gibt es Spekulationen, dass Infineon sich auch an dem Bau einer neuen Fabrik des taiwanischen Konzerns TSMC in Deutschland beteiligen könnte. Hanebeck hat damit durchaus einen Kurswechsel eingeleitet, und der ist riskant. Die Infineon-Aktie gab am Donnerstag um zeitweise mehr als zehn Prozent ab. Hanebecks Vorgänger Reinhard Ploss war zuvor zumindest deutlich vorsichtiger mit Milliarden-Investitionen.

Der Grund: Die Halbleiterindustrie leidet traditionell unter einem deutlichen Auf und Ab. Wenn die Preise hoch und das Angebot knapp ist, investieren alle in neue Werke. Wenn dann nach wenigen Jahren die neue Fabriken fertig sind, gibt es in der Regel plötzlich ein Überangebot - die Preise gehen nach unten, Investitionen werden zurückgestellt, bis es zum nächsten Engpass kommt. So ist es auch jetzt wieder: Viele Chipproduzenten investieren gerade weltweit in neue Fabrikationen, zusätzlich angeheizt durch massive staatliche Förderprogramme. Der US-Konzern Intel etwa soll für ein neues Werk in Magdeburg eine staatliche Förderung von zehn Milliarden Euro bekommen.

Jochen Hanebeck ist seit 2022 Vorstandsvorsitzender von Infineon. (Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Infineon investiert trotzdem, auch mit der Begründung, dass sie Spezialchips für die Auto- oder die Energieindustrie herstellen, bei denen das Auf und Ab nicht so groß ist. In Malaysia entsteht laut Infineon die weltweit größte Fabrik für sogenannte Siliziumkarbid-Leistungshalbleiter auf 200-Millimeter-Wafern. Diese Spezial-Halbleiter sind teurer und schwieriger herzustellen als herkömmliche Silizium-Chips. Dafür sind sie leistungsfähiger und effizienter, etwa beim schnellen Laden von Elektroautos oder beim Betrieb von Windrädern.

Die ersten Kunden für die neuen Chips gibt es schon

"Mit dem Ausbau von Kulim sichern wir unsere Führungsposition in diesem Markt", sagte Hanebeck. Das Unternehmen verspricht sich von der erweiterten Anlage - zusammen mit dem Werk in Villach - jährliche Erlöse von sieben Milliarden Euro. Die ersten Kunden für die Halbleiter aus der neuen Fabrik seien laut Infineon bereits gefunden: Bei Autobauern wie Ford, SAIC und Chery aus China, aber auch ein führender chinesischer Photovoltaik-Hersteller ist interessiert. Insgesamt seien schon Kundenzusagen in Höhe von fünf Milliarden Euro sowie eine Milliarde Euro Vorauszahlungen eingegangen. Ziel für Infineon sei es, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Marktanteil von 30 Prozent bei Siliziumkarbid-Halbleitern zu erreichen.

Aus diesen Siliziumscheiben, den sogenannten Wafern, entstehen dann die Halbleiter. (Foto: Jens Schlueter/AFP)

Hanebeck sagte am Donnerstag, die Entwicklung am Halbleitermarkt zeige ein gemischtes Bild. "Einerseits sorgen Elektromobilität und erneuerbare Energien sowie die damit verbundenen Anwendungsbereiche für stabil hohe Nachfrage. Andererseits ist der Bedarf zum Beispiel für Consumer-Anwendungen, wie PCs und Smartphones, nach wie vor gering." Das spüren auch anderen große Hersteller wie Intel oder AMD. Im abgelaufenen dritten Quartal des Geschäftsjahres bis Ende September erwirtschaftete Infineon Erlöse von 4,1 Milliarden Euro, das ist ein Prozent weniger als im Vorquartal. Das wichtige Segmentergebnis ging um zehn Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zurück, nach Steuern verdiente Infineon mit 831 Millionen Euro ein Prozent mehr.

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