Das Produkt, das jetzt Ärger bereitet, macht auf deutschen Grills Karriere. Viele Bürger halten Nackensteaks nicht erst seit dem Tönnies-Skandal für eine Schweinerei. Auf der Suche nach Alternativen grillen sie Halloumi. Der feste, zuweilen etwas gummiartige Käse aus Kuh- oder Schafsmilch ist eine Tradition des Mittelmeers.
An dessen östlichem Rand, in Zypern, wird Halloumi nun zu einem Politikum, das sogar Europas Anti-Trump-Strategie gefährdet. Die EU schließt möglichst viele Handelsverträge mit anderen Staaten ab, um ihre Exporte zu sichern, während der US-Präsident die Welt mit Strafzöllen überzieht. Doch dabei gibt es Ärger - auch beim Vertrag mit Südamerika.
In Zypern wird Halloumi bereits in Quellen des 16. Jahrhunderts erwähnt, damals als calumi. Anders als die meisten Käsesorten zerfließt er nicht, wenn man ihn erwärmt. Um den Export zu fördern, wurde Halloumi beim Verkauf ins Ausland anfangs nur "Grillkäse" genannt. Inzwischen ist er international unter seinem richtigen Namen bekannt. Zyprioten befürchten nun, dass ihre Käse-Tradition scharfe Konkurrenz bekommt - durch das Ceta-Abkommen, das den Warenaustausch zwischen der EU und Kanada erleichtert.
Es ist ein typischer Handelskonflikt. Wenn Staaten weniger Zölle vereinbaren, bringt das unterm Strich meist allen Ländern Vorteile. Ceta befreit Europas Firmen von 99 Prozent der Abgaben, die sie vorher bei Kanadas Zoll zahlten. Europas Exporte nach Kanada stiegen bereits im ersten Jahr des Vertrags um 15 Prozent auf 40 Milliarden Euro. Aber einzelne Produkte werden vielleicht weniger verkauft, weil sie Rivalen bekommen, die besser oder billiger sind oder stärker vermarktet werden.
Seit Trump US-Präsident ist, steht der Freihandel unter Druck
Linke Parteien in Zypern klagen, Halloumi und andere Lebensmittel von der Insel seien zu wenig geschützt. Ceta stärke multinationale Konzerne und vernichte kleinere Produzenten. Im Parlament in Nikosia votierten 37 Abgeordnete gegen und nur 18 für den Handelsvertrag mit Kanada. Beim Käse versteht das Ein-Millionen-Volk aber nun gar keinen Spaß. Eine Stiftung "zum Schutz des traditionellen zyprischen Käses namens Halloumi" focht schon früher einen Markenstreit mit Bulgarien aus.
Für Europa ist das vorläufige Nein aus Nikosia misslich. Zwar ist der Kanada-Vertrag längst von den EU-Regierungen und dem EU-Parlament gebilligt - und daher seit 2017 vorläufig in Kraft. Der Handel mit Kanada wird also schon erleichtert. Ceta gilt aber erst endgültig vollständig, wenn es nationale und teils regionale Parlamente gebilligt haben. "Die Ablehnung durch das zyprische Parlament zeigt, wie umstritten das Abkommen ist", sagt die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. Auch in den Niederlanden und Frankreich gibt es Skepsis. "In der Klimakrise brauchen wir einen Kurswechsel in der Handelspolitik zu hohen Umwelt- und Sozialstandards."
Die zyprische Regierung will nun Ausnahmen für lokale Produkte aushandeln, um dem Parlament das Abkommen dann wieder vorzulegen. Ceta übersprang schon einige Hürden. Ganz am Anfang scheiterte es fast am Parlament der belgischen Region Wallonie. Dort leben 3,5 Millionen Menschen - drei Mal so viel wie in Zypern.
Für die EU ist der Käse-Aufstand ein Warnschuss. Seit Jahren müht sie sich, für ihre Unternehmen mehr Exportverträge zu vereinbaren, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern. Der Freihandel steht unter Druck, seit US-Präsident Trump erst das geplante TTIP-Abkommen mit der EU stoppte und dann China und die halbe Welt mit Rekordzöllen belegte. Er droht immer wieder mit Strafzöllen auf europäische Autos - und verhängte bereits Zölle auf europäischen Stahl und, wegen Subventionen für Airbus, auf verschiedene Produkte von 20 EU-Staaten.
Der EU gelang es bereits, neue Handelsverträge unter anderem mit Japan abzuschließen. Ein Abkommen mit Vietnam trat am Wochenende in Kraft. Der Brüsseler Kommissar Phil Hogan verspricht, bei solchen Verträgen Umwelt- und Arbeitsstandards durchzusetzen und zu überwachen. Aber das überzeugt nicht alle Kritiker. Größerer Ärger steht nun beim bisher umfangreichsten Abkommen der EU bevor. Der Mercosur-Vertrag mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay würde für EU-Firmen Zölle von vier Milliarden Euro kippen. Doch Kritiker warnen vor negativen Konsequenzen für Europas Bauern und die Umwelt in Südamerika etwa durch mehr Fleischproduktion.
In Staaten wie Frankreich und Österreich regt sich Protest gegen den 2019 vereinbarten Vertrag. Wie zu hören ist, will die Bundesregierung das Abkommen nun teilen, um den Widerstand zu überwinden. Ein Sprecher wollte sich dazu nicht äußern. "Die Bundesregierung setzt sich für zügige Fortschritte bei der Finalisierung des Abkommens mit Mercosur ein".