Lobbyismus:Die Grünen suchen die Nähe zur Wirtschaft

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Neue Nähe: Grünen-Chefin Ricarda Lang auf Sommer-Tour - beim Autobauer Audi in Heilbronn. (Foto: Chris Emil Janssen/Imago)

Die Parteispitze schafft eine enge Verbindung zur neuen Wirtschaftsvereinigung der Grünen. Das soll das ramponierte Image in der Wirtschaft verbessern. Lobbykritische Vereine sind gar nicht begeistert.

Von Markus Balser, Berlin

Was die Grünen vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen gerade umtreibt? Wer die Spitzen der Partei derzeit im Wahlkampf beobachtet, bekommt eine klare Antwort. Egal ob eine Chipfabrik von Bosch, ein Autowerk von Audi oder eine Brauerei: So oft wie selten zuvor schwärmt die Parteiführung in diesen Wochen von Berlin aus, um besonders Unternehmen und ihre Belegschaft zu besuchen. Eine Klausur der Parteispitze vor wenigen Tagen in Nürnberg hatte zudem vor allem ein Thema: Den Umbau der Wirtschaft des Landes und weitere Hilfen für Unternehmen.

Das Ziel ist klar: Die Grünen wollen endlich die Skepsis der Wirtschaft und auch die mancher Bürger gegenüber der eigenen Politik überwinden. Denn in Umfragen zur Wirtschaftskompetenz rangiert die Partei, die den Traum vom Einzug ins Kanzleramt nicht aufgegeben hat, zum eigenen Leidwesen regelmäßig auf den hinteren Rängen. Es ist wohl auch die Quittung für manchen Regierungsstreit, etwa um das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD).

Nun will die Partei noch stärker in die Offensive kommen und geht einen weiteren Schritt auf die Wirtschaft zu - einen ziemlich großen sogar. Denn die Parteispitze der Grünen und rund 30 weitere Spitzenleute der Partei ließen sich am Dienstagabend in ein neu geschaffenes Gremium wählen: den politischen Beirat der im Frühjahr gegründeten neuen Wirtschaftsvereinigung der Grünen, einem Lobbyverband, in dem Unternehmen Mitglieder sind.

Geleitet wird dieser Beirat den Beschlüssen zufolge künftig von der Parteispitze aus Ricarda Lang und Omid Nouripour. Vertreten sind auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Hessens Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir, Bundesfamilienministerin Lisa Paus, Staatssekretäre der Bundesregierung, Bundestags- und Europaabgeordnete, sowie Lokalpolitiker der Partei. Insgesamt zählt der politische Beirat 32 Grünen-Vertreter aus allen politischen Ebenen.

Das Gremium soll zwar unabhängig von der Wirtschaftsvereinigung agieren - aber ihr politisches Gegenüber sein. Damit entsteht ein direkter Draht von Mitgliedsunternehmen der Vereinigung wie Siemens, Google, Aldi, RWE oder SAP in die Parteispitze. "Mit dem politischen Beirat unterstreichen wir, wie wichtig uns dieser Dialog mit der Wirtschaft ist", sagt Grünen-Chef Nouripour am Mittwoch. "Als Grüne wollen wir das nächste Kapitel in der Erfolgsgeschichte des Wirtschaftsstandorts Deutschland schreiben." Auch die Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsvereinigung der Grünen, Heike Discher, beschwört eine neue Nähe: "Aus der Wirtschaft, mit der Politik, das ist die Wirtschaftsvereinigung der Grünen."

"Privilegierte Zugänge" und womöglich "intransparente Geldflüsse"

Lobbykritische Organisationen allerdings sehen in dem Vorhaben alles andere als ein Erfolgsprojekt. "Es ist problematisch, wenn sich Spitzenpolitikerinnen und -politiker direkt in die Arbeit eines Wirtschaftslobbyverbands einspannen lassen - noch dazu als Beiratsvorsitzende mit Leitungsfunktionen", sagt Christina Deckwirth von Lobbycontrol der Süddeutschen Zeitung. "Damit profitiert eine ohnehin finanzstarke gesellschaftliche Gruppe von privilegierten Zugängen zu grünem Spitzenpersonal." Anderen dagegen stünden diese Zugänge nicht gleichermaßen offen. "Im Sinne des demokratischen Systems braucht es klare Trennlinien zwischen Partei und Wirtschaftslobbyorganisationen", mahnt Deckwirth.

Die Grünen stehen mit dem Vorhaben zwar nicht allein. Das macht es allerdings aus Sicht der Kritiker kaum besser. Im Umfeld der Partei entsteht damit ein Konstrukt, das die CDU mit dem Wirtschaftsrat und die SPD mit der Wirtschaftsvereinigung in etwas anderer Form bereits seit Jahren haben.

Problematisch sei auch, dass die Wirtschaftsvereinigung zwar sehr eng an die Partei angebunden sei, aber als parteiexterne Organisation nicht den Transparenzvorschriften des Parteiengesetzes unterliegt, heißt es bei Lobbycontrol. "Die Vereinigung bietet damit ein Einfallstor für intransparente Geldflüsse in das Umfeld der Grünen", sagt Deckwirth. "Das gilt natürlich auch für andere parteinahe Wirtschaftslobbyverbände wie etwa den Wirtschaftsrat der CDU."

Entschieden ist mit dem engen Schulterschluss der Parteispitze zur Wirtschaftsvereinigung wohl auch der Machtkampf zweier Wirtschafts-Lobbygruppen um die Gunst der Grünen-Spitze. Denn eigentlich hatten die Grünen bereits einen parteinahen Wirtschaftsverein mit 80 Fördermitgliedern: Den 2018 gegründeten Grünen Wirtschaftsdialog, in dem Konzerne wie BASF, Amazon, die Allianz, die Commerzbank oder Uber aktiv sind. Das Vertrauen in die Konkurrenzorganisation sei zuletzt geschwunden, hieß es.

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