Künstliche Intelligenz:Hier kommt Googles Antwort auf Chat-GPT

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Menschliche Barden dichten und unterhalten, Faktentreue zählt nicht zu ihrer Kernkompetenz. Das gilt auch für Googles neuen Chatbot. (Foto: Alamy Stock Photos / Ascannio/mauritius images)

Mit Verspätung startet Bard in Deutschland. Google nennt seinen Chatbot einen "Geschichtenerzähler". Zu Recht. Wie alle KI-basierten Sprachmodelle nimmt er es mit den Fakten nicht so genau.

Von Simon Hurtz, Berlin

Im dritten Anlauf hat es Google geschafft: Der Chatbot Bard startet in den Ländern der Europäischen Union. Damit können auch Menschen in Deutschland ausprobieren, wie er sich im Vergleich zu Microsofts Bing und Chat-GPT von Open AI schlägt. Im März wurde Bard zunächst in den USA und Großbritannien veröffentlicht, die EU blieb außen vor. Dann sollte es im Juni so weit sein, doch die irische Datenschutzbehörde meldete Gesprächsbedarf an.

Die Bedenken scheint Google nun besänftigt zu haben. Ab sofort kann man sich mit Bard unterhalten, ohne mit einem VPN einen Aufenthaltsort außerhalb der EU vorzugaukeln. Der Chatbot spricht jetzt Deutsch und mehr als 40 weitere Sprachen, bislang beherrschte Bard nur Englisch, Japanisch und Koreanisch. Gleichzeitig mit dem Start in der EU bekommt der Dienst neue Fähigkeiten. Künftig kann man sich etwa Antworten vorlesen lassen, die Tonalität anpassen, Konversationen anpinnen und Bilder hochladen, die Bard dann verarbeitet.

Solche Spielereien sind wertlos, wenn die Antworten selbst nichts taugen. Da hatte Google zu Beginn Nachholbedarf. Bard kam mehrere Monate später auf den Markt als Chat-GPT, und Google betont bei jeder Gelegenheit, wie wichtig es sei, verantwortungsbewusst mit künstlicher Intelligenz umzugehen.

Eher Mathematik als Intelligenz

Chatbots wie Bard oder Bing beruhen auf Sprachmodellen, die mit riesigen Textmengen trainiert werden. Google änderte kürzlich seine Nutzungsbedingungen, um sich das Recht einzuräumen, KI-Modelle mit fast allem zu füttern, was Menschen öffentlich ins Netz schreiben. Die Textautomaten reihen Wörter aneinander, die im Trainingsmaterial in ähnlichen Zusammenhängen auftauchen. Das hat viel mit Mathematik zu tun und wenig mit echter Intelligenz. Dementsprechend produzieren die Sprachmodelle manchmal Antworten, die überzeugend klingen, aber komplett falsch sind.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich Bard nicht von Chat-GPT und Bing. Tatsächlich zeigt bereits der Name, was man erwarten kann. Menschliche Barden dichten und unterhalten, Faktentreue zählt nicht zu ihrer Kernkompetenz. Jack Krawczyk, der bei Google die Entwicklung von Bard leitet, spricht von einem "KI-Experiment in der Anfangsphase" und nennt den Chatbot einen "Geschichtenerzähler". Das trifft es gut: Bard hat eine blühende Fantasie, auf die Antworten darf man sich nicht verlassen.

Das gibt der Chatbot offen zu. "Chat-GPT ist genauer, wenn es um faktische Aufgaben geht, während meine Stärken im Verständnis und logischen Denken liegen", beschreibt Bard den Unterschied zwischen den Diensten. Allzu groß ist der Unterschied aber nicht, beide Chatbots mischen Brauchbares mit Blödsinn. Bard hat dabei den Vorteil, dass es in Echtzeit auf Googles Suchindex zugreifen und aktuelle Informationen ausspucken kann.

Chatbots plaudern private Informationen aus

Nach Monaten des Hypes ist die Begeisterung für KI wieder etwas abgeflaut. Zuletzt gingen die Zugriffszahlen auf Chat-GPT zurück. Das könnte zum Teil an den Semesterferien liegen, Studierende nutzten die Sprachmodelle besonders intensiv. Zudem verzeichnen die meisten Webseiten in den Sommermonaten weniger Besuche, Sonne und Seen sind verlockender als Smartphones. Vielleicht haben manche Menschen aber auch festgestellt, dass ihnen die Chatbots im Alltag bislang wenig Mehrwert bringen.

Das könnte sich in Zukunft ändern. Konzerne wie Google und Microsoft investieren Milliarden in KI, Hunderte Start-ups sammeln gewaltige Summen Risikokapital ein. Keine Technologie entwickelt sich schneller, im Monatsrhythmus werden neue Modelle veröffentlicht. In seiner Anfangsphase beruhte Bard auf dem Sprachmodell Lamda, dann folgte das leistungsfähigere Palm 2. Derzeit arbeitet man mit einem Projekt namens Gemini, das Chat-GPT überflügeln soll.

Wer selbst ausprobieren möchte, was Bard kann und wo seine Grenzen liegen, sollte vorsichtig sein. Im Juni warnte Google seine Angestellten, Bard und Chat-GPT bloß nicht mit vertraulichen Informationen zu füttern. Ähnliche Richtlinien gibt es bei Samsung, Amazon, Apple und der Deutschen Bank. Denn alles, was man einem Chatbot erzählt, dient als Trainingsmaterial - und könnte in einer Antwort auf die Frage einer anderen Person landen.

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