"Goldener Windbeutel 2020":Was steckt hinter den vollmundigen Lebensmittel-Versprechen?

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Für weniger Zucker in der Marmelade mehr Geld verlangen: Dieses Vorgehen kritisiert Foodwatch. (Foto: Christina Metallinos)

Fünf Hersteller sollen die Kunden bei der Werbung für ihre vermeintlich gesunden oder ökologisch wertvollen Lebensmittel besonders dreist getäuscht haben, kritisiert Foodwatch. Die Unternehmen sehen das natürlich ganz anders.

Von Valentin Dornis

Wer etwas verspricht, geht ein gewisses Risiko ein: Kann er das Versprechen nicht halten, gibt es meist Ärger. Im Falle von Lebensmitteln und Werbung sorgen die Aktivisten der Organisation Foodwatch regelmäßig für diesen Ärger. Sie nominieren einmal im Jahr Produkte für den Negativpreis "Goldener Windbeutel", bei denen die Hersteller ihre Kunden besonders dreist getäuscht haben sollen. In diesem Jahr sind es fünf Produkte, die eine auffällige Gemeinsamkeit haben: Sie werben um verantwortungsbewusste Kunden, denen gesunde Ernährung, Klimaschutz und artgerechte Tierhaltung wichtig sind. "Die Ernährungsindustrie nutzt den Wunsch der Menschen nach nachhaltigen und gesunden Produkten schamlos aus", sagt Manuel Wiemann von Foodwatch.

Auf der Liste steht zum Beispiel der "Grünländer Käse" der Marke Hochland. Auf der Packung wirbt der Hersteller mit "Milch von Freilaufkühen". Foodwatch kritisiert, damit werde dem Verbraucher vorgegaukelt, die Kühe stünden auf der Weide - tatsächlich lebten sie aber im Stall und können sich nur darin frei bewegen. Auf Anfrage bestätigt Hochland das: "Unter Freilauf verstehen wir bei Grünländer, dass sich unsere Kühe jederzeit frei im Stall bewegen können und zu keiner Zeit angebunden sind", schreibt eine Sprecherin. Die Kritik, Verbraucher würden durch diese Benennung getäuscht, weist sie zurück. Auf der Rückseite der Packung werde schließlich darauf hingewiesen, dass sich der Begriff "Freilaufkühe" auf im Stall gehaltene Kühe beziehe. Der Begriff sei rechtlich nicht definiert, eine Umfrage im Auftrag von Hochland habe aber ergeben, dass sich mehr als 80 Prozent der Befragten unter "Freilaufkühen" genau das vorgestellt hätten, was Hochland damit meine.

Bei dem "Be-Kind Protein Riegel Crunchy Peanut Butter" von Mars kritisiert Foodwatch, der Hersteller vermarkte seinen Erdnussriegel wie einen gesunden Sport-Snack. Dabei bestehe er zur Hälfte aus Fett und Zucker - nicht gerade gesund. Die Lebensmittelampel Nutri-Score würde nur ein oranges "D" anzeigen, das ist die zweitschlechteste Kategorie. Mars teilte auf Anfrage mit, man sei derzeit "dabei, die aufgezeigten Kritikpunkte zu prüfen" und werde gegebenenfalls später ausführlich auf die Vorwürfe reagieren.

Danone bekam den Negativ-Preis schon einmal verliehen

Der dritte Hersteller, den Foodwatch in diesem Jahr nominierte, ist ein alter Bekannter beim "Windbeutel des Jahres": Danone. Das Unternehmen war im Jahr 2009 der erste Preisträger, damals für Gesundheitsversprechen bei dem Joghurtgetränk Actimel. Dieses Mal geht es um den "Bio Rooibos Tee" der Marke Volvic, die zu Danone Waters gehört. Viel Tee sei in diesem Getränk nicht enthalten: Es bestehe nur zu 0,26 Prozent aus Rooibos-Aufguss und zu 92 Prozent aus aromatisiertem Mineralwasser. Der Grund für die rötliche Färbung in der Flasche liege nicht einmal an der Getränkemischung selbst - sondern daran, dass die Verpackung entsprechend eingefärbt sei. Danone äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.

An das gute Umwelt-Gewissen richtet sich die haltbare "Weidemilch" der Marke Arla. Die Groß-Molkerei bewerbe ihre haltbare Weidemilch mit einem Siegel, das 71 Prozent weniger CO2 verspreche und führe damit Klimaschützer hinters Licht, sagt Foodwatch. Denn diese Werbeaussage beziehe sich lediglich auf die Verpackung und lasse die umweltschädlichen Auswirkungen der Milchproduktion außen vor - die aber laut Untersuchungen (zum Beispiel hier, S.107) für den mit Abstand größten Anteil der Emissionen verantwortlich sei. Auch Arla äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.

Der fünfte Hersteller auf der Liste ist Zentis. Dieser ersetzt bei seinem Erdbeer-Aufstrich mit "50 % weniger Zucker" laut Foodwatch im Prinzip nur den Zucker durch Wasser, verlangt dafür aber deutlich mehr Geld. Die Variante mit weniger Zucker koste im Handel fast doppelt so viel pro 100 Gramm wie der normale Erdbeer-Aufstrich mit mehr Zucker. Zentis reagierte auf Nachfrage mit einer Stellungnahme: Einfach den Fruchtanteil zu erhöhen, sei wegen des natürlichen Fruchtzuckers nicht sinnvoll gewesen. Deshalb sei die Entwicklung der zuckerreduzierten Variante sehr aufwendig gewesen, dabei sei "der komplette Herstellungsprozess überdacht (...) und verändert" worden. Die Folge seien höhere Produktionskosten. Weil die Variante mit weniger Zucker auch eine deutlich kürzere Mindesthaltbarkeit habe, führe das "zu kleineren Produktionsmengen und erhöhtem Aufwand für die Logistik".

Die fünf Produkte, die Foodwatch nun für den Wettbewerb um die "dreisteste Werbelüge des Jahres" nominierte, stammen zum Großteil aus Vorschlägen, die in den vergangenen zehn Monaten online eingereicht werden konnten. Noch bis zum 6. September können Verbraucherinnen und Verbraucher auf der Internetseite des Goldenen Windbeutels abstimmen.

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