Plan-W-Kongress:Mehr Frauen in den Bundestag

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Über Europa diskutierten (von rechts nach links) der Autor Vincent-Immanuel Herr, Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, und Professorin Gabriele Abels - unter der Leitung von SZ-Redakteurin Cerstin Gammelin . (Foto: Johannes Simon)

Die SPD-Politikerin Katarina Barley kritisiert, dass in den Parlamenten noch immer überwiegend Männer sitzen. Doch das zu ändern, ist nicht leicht - und es gibt überraschende Erkenntnisse.

Von Caspar Busse

Über vieles wird und wurde diskutiert und gestritten in diesem Bundestagswahlkampf - Klimaschutz, Mindestlohn, Steuerpolitik. Doch um ein Thema ist es seltsam still, nämlich um die Zukunft Europas. Dabei schaut Europa durchaus gespannt auf die Wahl in Deutschland und die Ergebnisse.

"Ich finde es erschütternd, dass Europa nicht angesprochen wird", sagt Katarina Barley, die SPD-Politikerin und ehemalige Bundesministerin ist heute Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Vor ihrem Wechsel nach Brüssel und Straßburg hatte die promovierte Juristin verschiedene Ministerämter in der Bundesregierung inne, zuletzt als Justizministerin. Vor ihrer politischen Karriere arbeitete Barley als Richterin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht. Jetzt setzt sie sich im europäischen Parlament für Gleichberechtigung ein.

Früher habe sie im Deutschen Bundestag gesessen und auf "ein Meer aus schwarzen Anzügen" geschaut, erzählt Barley beim Plan W-Kongress, nämlich auf die Fraktionen von Union, FDP und AfD, in denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. So liegt der Frauenanteil im Bundestag insgesamt bei nur 30 Prozent, im Europa-Parlament dagegen bei gut 40 Prozent. Barley berichtet, dass dort der Frauenanteil in allen Fraktionen deutlich höher sei. Überraschend sei die Erkenntnis, dass das auch bei den rechten Parteien der Fall ist, die in Deutschland beim Frauenanteil eben nicht gerade Vorreiter sind.

Katarina Barley war in Deutschland unter anderem Justizministerin und ist nun Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. (Foto: Johannes Simon)

Gabriele Abels, Professorin an der Universität Tübingen, wo sie zum Schwerpunkt europäische Integration forscht, weist darauf hin, dass vor allem die rechtsextremen Parteien aus Italien (Lega) und Frankreich (Rassemblement National) auf einen hohen Frauenanteil im Europa-Parlament kommen. Dort wirkten eben die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten. In Deutschland gebe es solche Quoten nicht, entsprechende Vorstöße seien nicht erfolgreich. Abels begründet das mit verfassungsrechtlichen Problemen: Die Rechte der Parteien, etwa ihre Kandidaten frei auszuwählen, würden höher bewertet als Artikel 3 des Grundgesetzes, der unter anderem die Gleichstellung von Mann und Frau garantiert. "Da gibt es eine Grenze", sagt Abels und fügt an: "Ich würde hier gerne eine Klärung des Bundesverfassungsgerichts sehen."

"Da prallen Weltbilder aufeinander", sagt der Linken-Politiker Martin Schirdewan

Dem schließt sich die Juristin Barley an. "Ein gleichberechtigtes Verhältnis ist für die Demokratie wichtig", sagt sie. Das findet auch Martin Schirdewan, Abgeordneter im Europa-Parlament und dort Ko-Fraktionsvorsitzender der Linken, per Video zugeschaltet. Er fordert eine mindestens gleichberechtigte Repräsentanz in allen Parlamenten, die Verhältnisse müsse man "endlich aufbrechen". Das Europawahlrecht soll angepasst werden. Doch einige Parteien wie die AfD versuchten derzeit, Fortschritte bei der Gleichberechtigung zurückzudrehen. Sorgen macht sich Schirdewan dabei über den "autoritären Rutsch in der EU", etwa in Polen und Ungarn. "Da prallen Weltbilder aufeinander", sagt er.

Eine stärkere Förderung von Frauen und vor allem eine Quotenregelung für die Wirtschaft sei auf europäischer Ebene bisher vor allem auch am Widerstand Deutschlands gescheitert, kritisiert Barley. Die EU-Kommission habe sich bemüht, sei auf Deutschland zugegangen und habe den roten Teppich ausgerollt. Doch Kanzlerin Angela Merkel verweigere sich, dabei seien die meisten EU-Staaten dafür. "Wenn Deutschland zustimmen würde, würde das Ding nach Jahren durchgehen", sagt Barley, auch deshalb hoffe sie auf einen Wechsel nach der Bundestagswahl. Forscherin Abels meint dazu, Merkel habe die CDU zwar in bemerkenswerter Weise modernisiert, nehme aber in diesem Punkt offenbar Rücksicht auf den wirtschaftsliberalen und konservativen Flügel der Partei.

Abels betont dabei, dass gerade die europäische Gesetzgebung immer wieder wichtige Beiträge für die Frauengleichstellung geleistet habe. Viele Vorgaben, etwa zur Lohngleichheit und zur Gleichstellung auf den Arbeitsmärkten, hätten einiges bewegt. Auch in den Merkel-Jahren sei vieles von Europa angestoßen worden. Barley verweist aber darauf, dass gerade in Osteuropa versucht werde, einiges zurückzudrehen. Es gebe da "sehr mächtige Interessen", was leider noch nicht allgemein bekannt sei.

Der Autor und Aktivist Vincent-Immanuel Herr ist der Meinung, dass Europa und Geschlechtergerechtigkeit einfach eng zusammengehörten. Nach Umfragen seien gerade Frauen in der Tendenz eher pro-europäisch. Er habe zuletzt Interrailreisen in viele europäische Länder unternommen und dabei beobachtet, dass auffallend häufig pro-europäische Arbeit von Frauen gemacht werde. Das Interesse an den Themen sei sehr groß. Umso erschreckender sei es, dass das Thema Europa und Gleichberechtigung im deutschen Wahlkampf so im Hintergrund sei.

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