Die europäischen Politiker trotzen den Drohungen der Ratingagenturen: Ein teilweiser Zahlungsausfall Griechenlands ist offenbar Teil der von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy geplanten Lösung zur Schuldenkrise des Landes.
Kurz vor dem Krisengipfel der Euro-Länder in Brüssel sagte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager, Deutschland und Frankreich hätten sich darauf geeinigt, dass ein Zahlungsausfall in Kauf genommen werden könne, um die angestrebte Beteiligung des Privatsektors an der Rettung Griechenlands zu ermöglichen. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte ebenfalls, es sei "nicht ausgeschlossen", dass der Gipfelbeschluss eine Beteiligung des Privatsektors vorsehe, der dann von den Ratingagenturen als Teilbankrott Athens eingestuft werde.
Die EZB würde entgegen ihrer bisherigen Linie einen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands akzeptieren. EZB-Chef Jean-Claude Trichet war am Vorabend zu einem Gespräch zwischen Merkel und Sarkozy gebeten worden. Beispielsweise wäre es möglich, dass der Euro-Rettungsschirm EFSF griechische Anleihen zurückkauft. Zugleich könnte es ein Bankenrettungspaket für Griechenland geben. Alternativ könnte der Privatsektor durch einen freiwilligen Anleihentausch oder die Verlängerung der Kreditlaufzeiten einen Teil der Last übernehmen.
Die großen Ratingagenturen haben angekündigt, auch im Falle einer "sanften Umschuldung" Griechenland auf den schlechtesten Status "default" herunterzustufen. Die Folgen an den Märkten wären nicht absehbar.
Allerdings geht der deutsch-französische Vorschlag für das neue Rettungspaket offenbar mehreren Ländern nicht weit genug. "In dem Vorschlag stehen noch keine Zahlen", sagte ein EU-Diplomat am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Finnland und die Niederlande würden darauf pochen, dass die Privatsektorbeteiligung konkret werde und eine Summe in die Gipfelerklärung aufgenommen werde. Im Entwurf von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hieß es dem Vernehmen nach lediglich, die Beteiligung des Privatsektors werde anerkannt.
Die Bankenabgabe zur Finanzierung des neuen Griechenland-Paketes ist dagegen keine Option mehr. Juncker sagte: "Ich habe den Eindruck, dass man sich nicht auf eine Bankensteuer einigen kann." Frankreich hatte eine Sonderabgabe auf Gewinne der Finanzbranche ins Spiel gebracht.
Das stieß aber bei den Banken weltweit auf heftigen Widerstand - es drohten zudem Klagen. Finanzkreisen zufolge nehmen auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und der Vorstandsvorsitzende der französischen Großbank BNP Paribas, Baudoin Prot, an den Gesprächen in Brüssel teil. Dennoch bleibe ein Ziel des Gipfeltreffens eine Beteiligung des Privatsektors, sagte Juncker.
Merkel ist zuversichtlich
Luxemburgs Premier sagte auch, es sei "nützlich", dass Frankreich und Deutschland sich auf eine gemeinsame Linie festgelegt hätten. Das mache die Suche nach einer Einigung auf eine Gesamtlösung leichter, fügte der Luxemburger hinzu.
Kurz vor Mitternacht hatte sich Sarkozy mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Gesprächsmarathon doch noch auf eine gemeinsame Linie zu Griechenland geeinigt. "Die gemeinsame deutsch-französische Position wird nun dem europäischen Ratspräsidenten Van Rompuy übergeben, damit er sie in die anstehenden Brüsseler Beratungen einfließen lässt", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert Donnerstagvormittag mit. Einzelheiten zu den Lösungsvorschlägen gab er aber nicht bekannt.
Bis zur letzten Minute vor Beginn des Gipfels verhandeln die Regierungschefs noch in Vier-Augen-Gesprächen: Am Mittag wird sich Merkel in Brüssel mit dem griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou beraten. "Ich gehe davon aus, dass wir ein neues Griechenland-Programm verabschieden können", sagte Merkel.