Geld:EU will Kleinanleger besser schützen

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Beratung in Finanzfragen: Daran verdienen viele mit. (Foto: mauritius images)

Das Provisionsverbot ist vom Tisch, Finanzprodukte sollen aber künftig einen "Beipackzettel" bekommen. Der soll Kunden über Risiken und gezahlte Provisionen informieren.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Kaum hat man ein bisschen Geld übrig, lauern überall Gefahren. In der Sparkasse, wo Berater ihren Kunden unnötige Sparprodukte verkaufen. Zu Hause am Esstisch, wo der Finanzmakler Fonds anpreist, die wenig Rendite, aber hohe Kosten versprechen. Oder bei Instagram, wo Influencer für Finanzprodukte werben, die man angeblich nicht verpassen darf. Anlegerinnen und Anleger sind aus Sicht von Finanzmarkt-Politikern schützenswerte Wesen, deren Macht und Entscheidungskompetenz es zu stärken gilt. In der Europäischen Kommission haben sich deshalb zuletzt wieder zahlreiche Beamte mit dem Thema Anlegerschutz beschäftigt. Der brauchte ein Update, befand die Behörde.

Herausgekommen ist die "Kleinanlegerstrategie", ein Gesetzespaket, mit dem die Kommission in mehreren Regelwerken an zahlreichen Stellschrauben gleichzeitig dreht. Anleger sollen künftig einen besseren Überblick über Chancen, Risiken und Kosten von Finanzprodukten bekommen. Der Werbung werden neue Grenzen gesetzt, und die Aufsichtsbehörden sollen anhand von Richtwerten das Preis-Leistungs-Verhältnis von Finanzprodukten bewerten. "Unser Ziel ist es, das Vertrauen von Anlegern zu stärken", sagt ein EU-Beamter. Das sei nämlich zu gering ausgeprägt, was er anhand einer Zahl verdeutlicht: EU-weit steckten nur 17 Prozent der privaten Ersparnisse in Anlageprodukten, Versicherungen nicht mitgerechnet.

Der Beamte spricht von einer "Fortentwicklung" des Anlegerschutzes. Damit springt die Kommission nun viel kürzer als ursprünglich angedacht. Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness hätte nämlich viel übrig gehabt für ein Totalverbot von Provisionen. Dieses scharfe Schwert, für das es unter den Mitgliedstaaten ohnehin keine Mehrheit gegeben hätte, zieht sie jetzt erst gar nicht. Stattdessen setzt sie nun auf ein Provisionsverbot light: Erwerben Kunden Finanzprodukte ohne vorherige Beratung, etwa online bei Direktbanken und Brokern, sollen dem Entwurf zufolge künftig keine Zuwendungen mehr fließen dürfen. Damit wird die Finanzindustrie leben können.

Versteckte Kosten für Bankkunden bleiben bestehen

Verbraucherschützer jubelten zunächst, als im Dezember McGuinness' Ideen für ein Verbot von Provisionen bekannt wurden. Fondsgesellschaften etwa zahlen Finanzberatern und Banken Vertriebsprovisionen, wenn diese ihre Produkte verkaufen. Über Bestandsprovisionen fließt mitunter auch jährlich Geld an die Verkäufer.

Sparkassen und Volksbanken, private Banken und freie Finanzvertriebe wie die Deutsche Vermögensberatung verdienen mit diesem Modell viel Geld. Für Kunden sind diese Provisionen aber bislang versteckte Kosten. Die Honorarberatung, bei der sie ihren Berater direkt bezahlen, ist dagegen die Ausnahme.

Ein Provisionsverbot, das es von allen EU-Staaten nur in den Niederlanden gibt, hätte quer durch Europa Geschäftsmodelle über den Haufen geworfen und Finanzberatern die Geschäftsgrundlage entzogen. "Ein Verbot über Nacht wäre zu disruptiv gewesen", sagte McGuinness am Mittwoch zur Vorstellung der Pläne unter Verweis auf "intensive Gespräche mit der Industrie". Für immer ausgeschlossen ist das Verbot aber nicht. Das Gesetzespaket soll, wenn es final mit dem Europaparlament und dem Ministerrat abgestimmt ist und verabschiedet, drei Jahre später überprüft werden. "Wir geben den Anbietern heute keine Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte", sagte McGuinness.

Kunden sollen jährlichen Überblick über Kosten und Erträge erhalten

Wenn sie schon weiter Provisionen zahlen, sollen Verbraucher dies fortan wenigstens mit einem Blick erkennen. Anbieter werden verpflichtet, genau über Provisionen und deren Auswirkungen zu informieren. Kunden sollen außerdem jedes Jahr eine Übersicht über laufende Kosten und ihre Erträge erhalten, inklusive der Provisionen. Das Produktinformationsblatt - der verpflichtende Beipackzettel für Finanzprodukte - soll zudem übersichtlicher werden, mit einer Zusammenfassung von Kosten und Risiken ganz oben auf dem Dokument. Künftig sollen darauf auch verpflichtend Informationen zur Nachhaltigkeit eines Finanzprodukts stehen.

Die Versicherungsaufsicht Eiopa und die Wertpapieraufsicht Esma sollen außerdem Referenzwerte entwickeln, um das Preis-Leistungs-Verhältnis von Finanzprodukten zu bewerten. Anbieter und Verkäufer müssten der Finanzaufsicht dann das Kosten-Nutzen-Verhältnis darzulegen, bevor sie ihre Produkte auf den Markt bringen.

Verbraucherschützer zeigen sich enttäuscht

Erstmals nimmt sich die Kommission auch der Flut an Anlegerwerbung in den sozialen Medien an. Finanzfirmen arbeiten zunehmend mit Influencern zusammen, die ihre Produkte anpreisen, so wie sonst Schminke, Fitnesskleidung oder Reiseziele. Der am Mittwoch vorgestellte Entwurf sieht vor, dass Anbieter künftig für die Werbung von Influencern haften müssen. Demnach sollen sie dafür verantwortlich sein, dass jede Werbung alle wesentlichen Produktinformationen enthält und den passenden Kundenkreis anspricht.

Das bedeute insbesondere, "dass ein hochkomplexes und riskantes Produkt nicht an ein sehr breites Publikum vermarktet werden sollte", heißt es von der Kommission. "Die Unternehmen werden daher vorsichtiger sein müssen, mit wem sie Geschäftsbeziehungen eingehen und welche Informationen in ihrem Namen verbreitet werden." Oder aber: Sie werden ihre Influencer vertraglich mit in Haftung nehmen.

Verbraucherschützer zeigten sich am Mittwoch enttäuscht. "Provisionen führen zu Gewinnen bei den Verkäuferinnen und Verkäufern, mindern aber die Rendite bei den Anlegerinnen und Anlegern", sagt etwa Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband. "Nur ein Provisionsverbot würde das Problem an der Wurzel packen."

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