Verkehr:Deutschlandweiter Bahnstreik von Donnerstagabend an

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GDL-Chef Claus Weselsky (links, hier bei einer Kundgebung in Thüringen) ruft zu neuen Streiks bei der Bahn auf. (Foto: Michael Reichel/dpa)

Die Gewerkschaft GDL will den Zugverkehr für mehr als 24 Stunden lahmlegen. Dadurch dürften wie beim ersten Warnstreik die meisten Verbindungen ausfallen. Danach soll es zumindest bis 7. Januar erstmals keine Streiks geben - also auch an Weihnachten nicht.

Von Alexander Hagelüken und Benedikt Peters

Die Lokführer-Gewerkschaft GDL bremst erneut den Zugverkehr in Deutschland aus. Wie die Gewerkschaft mitteilt, soll der neue Warnstreik an diesem Donnerstag um 18 Uhr im Güterverkehr und um 22 Uhr im Personenverkehr beginnen und bis Freitagabend um 22 Uhr dauern. Die Gewerkschaft ruft dazu die Beschäftigten bei der Deutschen Bahn und einigen lokalen Bahnbetreibern wie Transdev auf.

Die Auswirkungen für Reisende werden massiv sein, es dürften Tausende Züge stehen bleiben. Beim ersten Warnstreik Mitte November fielen etwa vier Fünftel der Verbindungen im Fernverkehr aus. Die Bahn erklärt, sie bemühe sich auch diesmal, etwa 20 Prozent der Züge fahren zu lassen. Sie muss am Donnerstag aber schon vor dem offiziellen Streikbeginn Züge ausfallen lassen. Auch im Nahverkehr sind die Auswirkungen zu spüren.

Positiv können die Reisenden registrieren, dass es danach trotz des ungelösten Tarifkonflikts erstmal ein paar Wochen Pause gibt, auch an Weihnachten. "Wir werden jetzt diese Streikaktion am Donnerstag und Freitag durchführen, und es ist für dieses Jahr die letzte", sagte GDL-Chef Claus Weselsky. Bis zum 7. Januar sei kein weiterer Warnstreik zu befürchten.

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Selbstverständlich ist ein Grund für diesen Streik die Streitlust des GDL-Chefs. Aber auch die DB hat ihren Anteil daran: Sie tritt zwar stets verbindlich auf. Aber damit hat es sich dann auch.

Kommentar von Benedikt Peters

Die neuen Streiks diese Woche waren erwartet worden, nachdem die GDL Ende November die Gespräche mit der Bahn abgebrochen hatte. Gewerkschaftschef Claus Weselsky wirft dem Unternehmen nun vor, den Beschäftigten bei der aktuellen Lohnrunde die Wertschätzung für ihre Arbeit zu verweigern. Namentlich erwähnt er dabei die geforderte Verkürzung der Arbeitszeit auf eine 35-Stunden-Woche. "Damit ignorieren die Unternehmen nicht nur die berechtigten Bedürfnisse der eigenen Beschäftigten", so Weselsky. "Sie torpedieren zudem die dringend nötigen Maßnahmen zu einer erfolgreichen Personalgewinnung und setzen so die Zukunft des klimafreundlichsten Verkehrsmittels Eisenbahn aufs Spiel."

Der Bahnkonzern reagiert verärgert. "Die Lokführer-Gewerkschaft vermiest Millionen unbeteiligten Menschen das zweite Adventswochenende", erklärt Personalvorstand Martin Seiler. Ein Streik so kurz nach dem Wintereinbruch und so kurz vor dem Fahrplanwechsel sei verantwortungslos und egoistisch. "Anstatt zu verhandeln und sich der Wirklichkeit zu stellen, streikt die Gewerkschaft für unerfüllbare Forderungen."

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Der größte Knackpunkt in der bisher sehr zähen Tarifrunde ist der Streit über die 35-Stunden-Woche. Die GDL will, dass die Bahn diese einführt, was bedeuten würde, dass Lokführer und andere ihre Wochenarbeitszeit um drei Stunden reduzieren - und das bei vollem Lohnausgleich. Die GDL argumentiert, das entlaste das Personal und führe dazu, dass die Bahn als Arbeitgeber attraktiver werde. Die Konzernführung hingegen bezeichnet die Pläne als nicht machbar. Zu teuer sei die 35-Stunden-Woche, außerdem gebe es auf dem Arbeitsmarkt nicht genug Leute, um die entstehenden Lücken zu füllen.

Neben der 35-Stunden-Woche fordert die GDL eine monatliche Lohnerhöhung von 555 Euro und eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Bahn hat der Gewerkschaft eine Lohnerhöhung von elf Prozent und eine Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro angeboten - allerdings bei einer deutlich längeren Laufzeit von insgesamt 32 Monaten.

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Zudem verfolgt die GDL das Ziel, ihre Tarifverträge für mehr Mitarbeiter gelten zu lassen als bisher. Bei der Bahn dominiert die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die die Tarifverträge für rund 180 000 Mitarbeiter vorgibt. Die GDL hat nur wenige Zehntausend Mitglieder. Konkret will die GDL auch für die Mitarbeiter der Infrastruktursparte der Bahn Tarifverträge abschließen. Ob diese dort aber überhaupt gültig wären, ist zweifelhaft.

Das Tarifeinheitsgesetz bestimmt, dass in einer Einzelfirma mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der Arbeitnehmerorganisation gilt, die dort die meisten Mitglieder hat. Bisher hieß es, dass dies - wie in den meisten Einzelfirmen der Bahn - die EVG ist. Die GDL streitet mit dem Bahn-Konzern vor Gericht seit eineinhalb Jahren darüber, wie viele Mitglieder wo registriert sind. Der Bahn zufolge kann die GDL bisher vorrangig nur für Lokführer und Zugbegleiter verhandeln, insgesamt sind das etwa 10 000 Beschäftigte.

Für GDL-Chef Weselsky, der in vergangenen Tarifrunden mit seinem harten Kurs deutschlandweit bekannt wurde, ist es aller Voraussicht nach die letzte große Tarifrunde. Er hat angekündigt, sich 2024 von der Gewerkschaftsspitze zurückzuziehen.

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