EZB:Ifo-Chef Fuest: "Das ist ganz klar die Rückkehr der Euro-Krise"

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Dunkle Wolken am Himmel über der EZB: Die Zentralbank steckt in einem Dilemma. Sie muss die Inflation bekämpfen und gleichzeitig die Euro-Zone stabilisieren. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Turbulenzen an den Anleihemärkten zwingen die Europäische Zentralbank zu einer Sondersitzung: Ein neuer Rettungsplan für die Euro-Zone soll ausgearbeitet werden.

Von Marc Beise und Markus Zydra

Die Europäische Zentralbank möchte ihr neues Rettungsprogramm bald einsatzfertig haben. "Wir sind voll engagiert, um ein Instrument auszuarbeiten und zu gestalten und schnell einzuführen, um unerwünschte Fragmentierung anzugehen", sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Donnerstag in Mailand.

In einer Sondersitzung hatte die Notenbank am Mittwoch beschlossen, gegen die Preisturbulenzen an den Anleihemärkten stärker vorzugehen. Zuletzt waren unter anderen die Kreditzinsen für Italien so stark angestiegen, dass die Furcht vor einer erneuten Euro-Schuldenkrise aufkam. Die Währungshüter möchten verhindern, dass die Kreditkosten einzelner Euro-Staaten zu stark divergieren. Diese sogenannte "Fragmentierung" der Finanzierungskosten will man nun mit einem Notfallplan eindämmen.

Clemens Fuest, der Präsident des Münchner Ifo-Institutes, spricht von einer besorgniserregenden Lage. Der Zinsanstieg sei "dramatisch", die Lage von hochverschuldeten Staaten wie Italien und Griechenland werde schwierig, sagte er bei einem Kongress in München. "Das ist ganz klar die Rückkehr der Euro-Krise." Es sei bemerkenswert, dass die EZB von Panikverkäufen an den Märkten spreche und ein "Not-Meeting" einberufen habe: "Das muss man sich ja gut überlegen, denn die Botschaft, die damit verbunden ist, ist ja katastrophal", sagt Fuest. Die Börsenunruhe setzte bereits vergangene Woche ein, nachdem die EZB für Juli die erste Leitzinserhöhung seit elf Jahren in Aussicht gestellt hatte.

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Die Ausschläge wecken Erinnerungen an die Euro-Schuldenkrise vor einem Jahrzehnt. Damals konnten die Finanzmärkte erst beruhigt werden, als der damalige EZB-Chef Mario Draghi versprach, die Zentralbank werde alles innerhalb ihres Mandats tun, um den Euro zu retten ("Whatever it takes"). Draghis Rettungsprogramm, bekannt unter dem Kürzel OMT, ist nie zum Einsatz gekommen, es soll nun um das neue Instrument ergänzt werden.

In ihrer Sondersitzung unterstrich die EZB, dass sie die vorhandenen Gelder aus dem Ende März ausgelaufenen Corona-Notkaufprogramm "flexibel" einsetzen werde, sprich für den Ankauf von Staatsanleihen finanzschwacher Euro-Mitglieder. Es geht hier um einen Anleihebestand von 1,7 Billionen Euro. Immer wenn einer dieser Schuldscheine fällig wird, investiert die EZB das zurückbezahlte Geld erneut in Staatsanleihen der Euro-Zone. Diese Reinvestition soll bis mindestens Ende 2024 fortgesetzt werden.

"Offensichtlich ist sich die EZB nicht sicher, ob das reicht, sonst hätten sie ihre Fachleute nicht mit der Ausarbeitung eines neuen Hilfsprogramms beauftragt", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Ein solches Programm dürfte anders als das OMT-Programm auf Reformauflagen der Staatengemeinschaft verzichten. Dadurch gelangte aber neues Geld in Umlauf, was den Kampf gegen die sehr hohe Inflation behindern würde."

Die EZB ist in einer schwierigen Lage. Angesichts der Rekordinflation im Euro-Raum von 8,1 Prozent ist sie gezwungen, die zehn Jahre dauernde Phase der ultralockeren Geldpolitik zu beenden. Für Juli hat die Notenbank vergangene Woche daher einen ersten Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten fest angekündigt, weitere Schritte dann ab September in Aussicht gestellt.

Die Rendite italienischer Anleihen stieg auf mehr als vier Prozent

An den internationalen Finanzmärkten begann daraufhin ein Ausverkauf italienischer Staatsanleihen. Die Renditen, also die Anleihezinsen, stiegen auf mehr als vier Prozent. Das war der höchste Wert seit 2014. Die EZB, überrascht von den Preisausschlägen, versuchte daraufhin die Märkte zu beruhigen. EZB-Direktorin Isabel Schnabel sagte am Dienstag, die Geldpolitik müsse reagieren, wenn die Risikoaufschläge am Anleihenmarkt durch die Decke gingen und dies die Preisstabilität und die Maßnahmen der Notenbank durchkreuze.

Die Europäische Zentralbank möchte sicherstellen, dass die hochverschuldeten Staaten in der Euro-Zone, etwa Italien, Griechenland und Portugal, sich weiterhin mit Krediten finanzieren können und nicht von hohen Schuldendienstkosten erdrückt werden. Ein noch aus der Draghi-Ära stammendes milliardenschweres Programm zum Kauf von Staatsanleihen, das eben diese Zinsen stabilisiert, läuft jedoch Ende Juni aus.

Höhere Leitzinsen haben immer einen Effekt auf die Anleihemärkte. Die Kredite, so das Ziel einer Notenbank, sollen teurer werden, um die Inflation einzudämmen. Doch aktuell droht eine "Stagflation": Die Preise klettern, während aufgrund des Ukraine-Kriegs und des Corona-Lockdowns in China zugleich eine Rezession droht.

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