Critical Raw Materials Act:So soll die EU bei 34 Rohstoffen weniger abhängig werden

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Lithiumgewinnung in Chile: Die EU will ihre Abhängigkeit bei wichtigen Rohstoffen verringern. (Foto: John Moore/Getty Images)

Die EU will den Abbau, Verarbeitung und Recycling wichtiger Rohstoffe wie Lithium per Gesetz fördern. Das Regelwerk ist fertig - und die Ziele sind ambitioniert.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Zum Beispiel Magnesium. Der lebenswichtige Mineralstoff versteckt sich überall auf der Erde, im Meerwasser und im Boden und in Pflanzenteilen, und er ist unverzichtbar zur Herstellung von Aluminium. Derzeit kommen allerdings 97 Prozent des Bedarfs in der EU aus China, wo so viel Magnesium abgebaut wird wie nirgendwo sonst auf der Welt. Das ist nur eine von vielen besorgniserregenden Abhängigkeiten, die ein neues EU-Gesetz verringern soll: In rekordverdächtiger Zeit haben sich die Mitgliedstaaten am Montagabend mit Vertretern des EU-Parlaments und der Kommission auf einen Kompromiss zum Gesetz für kritische Rohstoffe geeinigt.

Die Verordnung zielt darauf ab, künftig einen größeren Teil der kritischen Rohstoffe innerhalb der EU zu fördern, zu recyceln und sie verstärkt vor Ort zu verarbeiten. Der "Critical Raw Materials Act", als den ihn die EU-Kommission erst Mitte März vorstellte, soll all das gleichzeitig fördern. Das Gesetz ist eines der wichtigsten geoökonomischen Vorhaben der EU, eine Reaktion auf die Energiekrise und die hohe Abhängigkeit von Rohstoffimporten sowie auf den Subventionswettlauf der EU mit den USA und China. Und es ist ein plakatives Beispiel für den verstärkt industriepolitischen Ansatz der EU, der sich in Zielwerten und Quotenvorgaben in Gesetzestexten widerspiegelt.

"Industriepolitische Blaupause für die sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung"

Kern des Regelwerks ist eine Liste mit nunmehr 34 kritischen Rohstoffen (davon 17 "strategische" Rohstoffe), die gebraucht werden für die Energie- und Verkehrswende oder etwa im Bausektor und in der Landwirtschaft. Dazu gehören Seltenerdmetalle, Lithium und Kobalt, aber auch Naturkautschuk, Kokskohle oder eben Magnesium. Bis Ende des Jahrzehnts sollen zehn Prozent dieser Rohstoffe innerhalb der EU abgebaut werden, ihre Weiterverarbeitung zu 40 Prozent auf heimischem Boden stattfinden und 25 Prozent des jährlichen Bedarfs aus dem Recycling stammen. Und maximal 65 Prozent eines Rohstoffs sollen künftig aus einem einzigen Land stammen dürfen, um Abhängigkeiten zu verringern.

Der Kompromiss ist das letzte große Projekt der früheren Bundespolitikerin Nicola Beer (FDP) im EU-Parlament, bevor sie im kommenden Jahr ins Präsidium der Europäischen Investitionsbank wechselt. "Mit gezielten wirtschaftlichen Anreizen schaffen wir echte Planungssicherheit für private Investoren", sagte Beer, "etwa durch zentrale Anlaufstellen für Unternehmen sowie schnelle und einfache Genehmigungsverfahren mit klaren Fristen für nationale Behörden." Die Einigung sei "eine industriepolitische Blaupause für die sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung in Europa".

27 Monate vom Antrag bis zur Genehmigung

Die Co-Gesetzgeber in Brüssel handeln auch vor dem Hintergrund schnell steigender Bedarfe. Bis 2030, so schätzt die Kommission, braucht die EU zwölfmal so viel Lithiumbatterien für Elektroautos und Stromspeicher. Der Bedarf an Seltenen Erden, die derzeit noch fast ausschließlich aus China stammen, werde nach Angaben der Behörde im selben Zeitraum um das Fünf- bis Sechsfache ansteigen. "Wenn Europa nicht handelt, riskiert es Versorgungsengpässe und unerwünschte Abhängigkeiten", sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Um die Quotenvorgaben zu erreichen, sollen strategische Projekte zum Abbau von Rohstoffen künftig schneller genehmigt werden. Statt bis zu 15 Jahren, die von einer Entdeckung bis zum Abbau vergehen, sollen künftig maximal 27 Monate ausreichen. Für Recycling- und Verarbeitungsanlagen beträgt die Frist künftig 15 Monate. Beides geht zulasten der Umweltprüfung, die bis auf die Erstellung eines ersten Verträglichkeitsberichts in diese Fristen einberechnet wird. Vorgesehen ist außerdem ein Stresstest alle drei Jahre, um mögliche Probleme in Lieferketten früh zu erkennen. Die Mitgliedstaaten sollen außerdem Reserven einiger kritischer Rohstoffe vorhalten.

Bis die am Montag erzielte Einigung Gesetz wird und in Kraft treten kann, müssen das EU-Parlament und der Ministerrat sie noch absegnen. Das gilt üblicherweise als Formalie.

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