Ersatz für russisches Gas:Schnelle Hilfe aus dem Norden

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Eine Statoil-Bohrplattform in der Nordsee: Norwegen könnte auch kurzfristig mehr Gas nach Europa liefern. (Foto: Bloomberg)

Russlands größter Hebel ist das Erdgas: Energieriese Gazprom droht, Kiew das Gas abzudrehen. Auch Westeuropa bezieht einen großen Anteil seiner Lieferungen über ukrainische Pipelines. Norwegen könnte einspringen - einziges Problem ist der Transport.

Von Silke Bigalke

Eine von Russlands wirkungsvollsten Waffen ist das Erdgas, das es in den Westen liefert. Oder eben nicht liefert. Die Ukraine ist abhängig von dieser Lieferung, und Gazprom, der russische Energieriese, hat bereits gedroht, sie wegen ausstehender Rechnungen einzustellen. Auch Westeuropa ist besorgt, bezieht es doch einen Großteil seines russischen Gases durch die Pipeline, die durch die Ukraine führt.

Ein Land wagt sich nun vor, Russland in diesem Konflikt die Stirn zu bieten: Norwegen. Der norwegische Anteil an den westeuropäischen Erdgasimporten ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen, der Russlands ist gesunken. Heute stillen beide je etwa ein Drittel des EU-Bedarfs. Mehr noch: Der Gaskonzern Statoil, der mehrheitlich dem norwegischen Staat gehört, ließ durchblicken, er könne notfalls für Gazprom einspringen.

"Die Situation in der Ukraine ist unklar, aber Europas kurzfristige Versorgungslage mit Gas ist relativ gut und kann bewältigt werden", sagt Statoil-Sprecher Morten Eek. Man wolle nicht spekulieren, wie sich eine politische Situation auf Liefermengen auswirke, aber Statoil habe Kapazitäten. Der milde Winter und gute Vorratshaltung machten es möglich "kurzfristig den europäischen Bedarf zu decken, falls die Gas-Lieferung durch die Ukraine nach Europa gestoppt würde".

Das Problem ist der Transport in die Ukraine

Der Ukraine würde das allerdings wenig nützen. Es führt keine Pipeline von Norwegen nach Osteuropa. Auch von Deutschland aus kann derzeit kein Gas direkt in die Ukraine fließen, denn die Pipeline durch das Krisenland funktioniert nur in eine Richtung. "Wir fordern seit Jahren, dass die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Fließrichtung ändern und Gas von West- nach Osteuropa transportieren zu können", sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Eine weitere Möglichkeit sei Flüssiggas, das auf Schiffen transportiert werden könne. Doch dafür brauche man spezielle Flüssiggas-Terminals, die Europa zuletzt vor allem in Spanien, Italien und Holland ausgebaut habe.

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Für Westeuropa sei Skandinavien dagegen eine Lösung: "Norwegen hat durchaus Potenziale, weiteres Gas zu fördern und aufgrund der Pipeline-Kapazität auch zu transportieren", sagt Kemfert. Derzeit gibt es ein Überangebot auf den Märkten, vor allem weil die USA mittlerweile selbst Gas fördern und nicht mehr importieren müssen. Kjell Larsen vom norwegischen Pipeline-Betreiber Gassco bestätigt das: "Es gibt eine Menge Gas in der Welt, das Problem ist, es in die Ukraine zu schaffen."

Gas spielt in Zukunft eine kleinere Rolle für die Energieversorgung

Norwegens Pipelines führen nach Deutschland, Belgien, Frankreich und Großbritannien - dorthin, wo es die höchsten Preise an den Spotmärkten erzielen könne, sagt Larsen. Der größte Teil des norwegischen Gases wird mittlerweile auf diesen Märkten und nicht über langfristige Verträge verkauft. Die Preise sind hier mit Beginn der Krise in der Ukraine stark gestiegen - ebenso wie es der Aktienkurs von Statoil ist. Spekulationen, Norwegen könnte seine Gasproduktion bald zurückfahren, weist Larsen zurück. "Sie wird hoch bleiben und wahrscheinlich weiter steigen, mindestens noch für die nächsten zehn Jahre", sagt er und verweist auf neue Gas- und Ölvorkommen in der Barentssee.

Trotzdem, ganz ersetzen können wird Norwegen die russischen Lieferungen nicht. "Russlands Ressourcen sind viel größer als die Norwegens", sagt Arild Moe, Experte am norwegischen Fridtjof Nansen Institute, das sich mit Energie, Ressourcen und Seerecht beschäftigt. Putin habe zudem ein zu großes Interesse am Geschäft mit Europa. "Russland wird nichts unternehmen, was seine Gaslieferung durch die Ukraine in den Westen gefährden könnte", sagt Moe. Allerdings werde Europa nun wohl noch stärker darauf hinarbeiten, weniger abhängig vom russischen Gas zu werden. Ob es sich stattdessen abhängig von Norwegen macht? Moe rechnet eher damit, dass Gas in Zukunft eine kleinere Rolle für die Energieversorgung spielen wird. Darunter würde auch Statoil leiden. "Dass Russland als Gasexporteur umstritten ist, wird zum Problem für alle Gaslieferanten, auch für Norwegen."

© SZ vom 12.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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