Ernährung:Zucker muss teurer werden

Zucker

Zucker steckt in vielen Lebensmitteln. Zu viel davon kann ziemlich ungesund sein.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Die Industrie verspricht gesündere Lebensmittel mit weniger Zucker. Der Politik genügt das. Dabei müsste der Staat eigentlich viel härter durchgreifen.

Kommentar von Stephan Radomsky

Pünktlich zwischen Stollen, Dominosteinen und Glühwein verkündet die Bundesregierung nun also den "Durchbruch" bei Fertiglebensmitteln: Bis 2025 soll der Gehalt an Zucker, Fett und Salz sinken - verspricht die Industrie, freiwillig. In sieben Jahren enthielte ein halber Liter Coca-Cola dann statt bisher 53 noch gut 45 Gramm Zucker, 15 Prozent weniger als bisher. Das aber wäre immer noch fast das Doppelte dessen, was die Weltgesundheitsorganisation als tägliche Ration für einen Erwachsenen empfiehlt. Und wenn sich die Unternehmen nicht an ihre Zusagen halten? Dann will Ministerin Julia Klöckner "weitere Maßnahmen prüfen". Eine entschlossene Ansage an die Industrie klänge anders.

Dabei wäre genau die längst überfällig. Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen, die unter Übergewicht und Typ-2-Diabetes leiden. Für 2015 schätzten Forscher die Zahl der Zuckerkranken in Deutschland auf 6,5 Millionen, inzwischen dürften es schon mehr als sieben Millionen sein. Mehr als 95 Prozent von ihnen leiden an der sogenannten Altersdiabetes. Nur dass die immer weniger mit dem Alter, dafür aber immer mehr mit den Lebensgewohnheiten in jüngeren Jahren zu tun hat.

Und diese Kranken verursachen enorme Kosten im Gesundheitssystem: Für 2010 kam eine Auswertung zu dem Ergebnis, dass die Behandlung von Typ-2-Diabetes mehr als 16 Milliarden Euro gekostet hat. Seither ist nicht nur die Zahl der Erkrankten deutlich gestiegen, neue Medikamente und Behandlungsmethoden dürften auch die Ausgaben pro Patient in die Höhe getrieben haben. Hinzu kommen noch die Kosten für Folgeerkrankungen von Diabetes, zum Beispiel Blindheit oder Nierenversagen. Sie verschlingen ebenfalls Milliardenbeträge.

Angesichts solcher Zahlen darf sich die Politik nicht länger mit windelweichen Selbstverpflichtungen der Industrie zufrieden geben. Sie muss die Lebensmittelhersteller und die Verbraucher dort zu fassen bekommen, wo es wirklich schmerzt: am Portemonnaie.

Ein Mittel dazu könnte sein, Kristallzucker deutlich stärker zu besteuern. Bisher gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, außerdem erhalten Rübenbauern und Zuckerhersteller noch immer umfangreiche EU-Subventionen. Der Staat zügelt also keineswegs den ungesunden Zuckerkonsum seiner Bürger, er fördert ihn mit Milliardenbeträgen.

Natürlich wäre eine solche Zuckersteuer ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Und ja, sie würde Menschen mit geringerem Einkommen härter treffen als Besserverdiener. Beides aber wäre gerechtfertigt und sogar wünschenswert. Die Daten der Krankenkassen belegen, dass Typ-2-Diabetes gerade dort besonders häufig ist, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist und das Durchschnittseinkommen niedrig. Gerade dort, so lässt sich also vermuten, machen die Hersteller mit den zuckrigen Produkten ein besonders gutes Geschäft. Auf den Kosten aber bleibt die Allgemeinheit sitzen.

Julia Klöckner, die im Kabinett auch für Ernährung und Verbraucherschutz zuständig ist, versteht sich aber offenbar vor allem als Landwirtschaftsministerin. Statt eine Veränderung per Gesetz zu erzwingen, geht sie einen Deal mit der Agrar- und Lebensmittellobby ein - so wie schon andere Landwirtschaftsminister vor ihr.

Die Industrie wehrt sich bisher erfolgreich gegen strengere Gesetze

Schon 2010 scheiterte deshalb beispielsweise die sogenannte Lebensmittel-Ampel im EU-Parlament. Sie sollte, so der Plan, mit einem einfachen Rot-Gelb-Grün-Schema aufzeigen, ob ungesunde Mengen an Zucker, Fett oder Salz in einem Produkt stecken. Die Industrie machte dagegen Front, das Gesetz kam nie zustande. Stattdessen locken nun viele Produkte im Supermarkt mit Versprechen wie "fettreduziert" oder "weniger Zucker" - und demnächst dann wohl "noch weniger Zucker". Wobei "noch weniger" eben immer noch ziemlich viel sein kann.

Höhere Steuern und weniger Förderung für den Zucker hätten da wohl deutlich mehr Effekt. Das belegt das Beispiel Alkopops: 2004 wurde eine Sondersteuer auf die süßen Limo-Schnaps-Gemische eingeführt, wenig später ging der Konsum deutlich zurück. Ziel erreicht. Entsprechend könnte eine Zuckersteuer wirken: Die Industrie müsste besonders zuckerhaltige Lebensmittel entweder deutlich teurer machen oder auf einen Teil ihrer Gewinne verzichten. Alternativ könnte sie freilich auch ihre Rezepte abwandeln.

So oder so: Die Allgemeinheit würde profitieren - entweder durch eine gesündere Ernährung oder aber, indem sie sich einen Teil der durch den Zucker verursachten Kosten wiederholt.

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