Hamburg:Ein Tunnel unter der Elbe für die Energiewende

Lesezeit: 2 min

Hier soll Platz geschaffen werden für zwei Fernwärmeleitungen. Warmes Wasser fließt dann unter der Elbe Richtung Norden, kaltes Wasser kommt wieder zurück. (Foto: Sylvio Dittrich/imago images)

Die Maschine "Hermine" soll einen 1,16 Kilometer langen Tunnel durch die Erde bohren. 100 000 Haushalte sollen so überwiegend klimaneutral versorgt werden.

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Es waren erschwerte Bedingungen, unter denen Katharina Fegebank am Donnerstag um zehn Uhr auf der Halbinsel Dradenau operierte: Als Taufpatin der Tunnelbohrmaschine Hermine hatte sich Hamburgs Zweite Bürgermeisterin in einen geräumigen Schacht fahren lassen, 26 Meter unter der Erde. Vor ihren Augen der Koloss aus Stahl, Hunderte Tonnen schwer. Über das Lösen einer Seilkonstruktion sollte sie eine Sektflasche zum Zerschellen bringen, zwei Versuche scheiterten. Ein leises "Klonkkkk ...", dann rollte die Flasche davon. "Die liegt jetzt da unten", sagte Fegebank enttäuscht, doch später erreichte sie die Botschaft: Die Flasche ist schließlich doch noch zersprungen, die Taufe geglückt.

Und damit zur wichtigsten Nachricht: Seit Donnerstag bohrt Hermine. Sie ist laut Fegebank "das Symbol für das wichtigste Projekt der Hamburger Energiewende".

Das Bauvorhaben südlich der Elbe ist kein alltägliches. Fegebank entdeckte durch Assoziationen zur gleichnamigen Zaubergesellin von Harry Potter gar magische Züge darin: Hermine soll einen 1,16 Kilometer langen Tunnel unter der Elbe bohren, 30 Meter unter dem Wasser entlang. Damit soll Platz geschaffen werden für zwei Fernwärmeleitungen. Warmes Wasser, das durch einen neuen Energiepark am Hafen gewonnen wird, fließt dann unter der Elbe Richtung Norden. Und kaltes Wasser kommt wieder zurück. Mehr als 100 000 Haushalte sollen durch die Tunnelleitungen versorgt werden, überwiegend klimaneutral. Das Kohlekraftwerk im benachbarten Wedel ist dann überflüssig, es wird voraussichtlich Ende 2025 abgeschaltet. Allein das soll im Jahr bis zu 360 000 Tonnen CO₂ einsparen. "Wir können Vorbild für andere Städte sein", sagte Fegebank.

Tatsächlich ist die Wärmeplanung in vielen Gemeinden noch nicht so weit fortgeschritten wie in Hamburg. Der Hafen soll hier in Zukunft auch für die Energiewende stehen. Es würden noch "viele und bislang ungenutzte klimaneutrale Wärmequellen im Hafengebiet schlummern", sagte Kirsten Fust. Sie ist die technische Geschäftsführerin der Hamburger Energiewerke.

280 Millionen Euro kostet die Trasse, ihr Gewicht: 670 Tonnen

Ein großer Vorteil ist die Dichte an Industrieunternehmen vor Ort, bei denen ohnehin viel Energie freigesetzt wird. So kann die Abwärme aus dem Stahlwerk von ArcelorMittal, aus einer Müllverwertungsanlage und einem Klärwerk genutzt werden. Sie soll in einem neuen Energiepark im Hafen mit Gas- und Dampfturbinenkraftwerk gebündelt werden. Aus einer bereits im Sommer eingeweihten Wind-zu-Wärme-Anlage in Wedel kommt ebenfalls Energie. "Bis 2030 wollen wir kohlefrei sein, wenn möglich sogar schon 2028", sagte Umweltsenator Jens Kerstan bei der Taufe. Als letztes Relikt der alten Zeit soll schließlich das Kohlekraftwerk Tiefstack abgeschaltet werden.

280 Millionen Euro kostet es, die Trasse zu errichten. Und rund ein Jahr soll es dauern, bis der Bohrer am anderen Ende des Tunnels im Stadtteil Othmarschen ankommt. Allein das Zusammenbauen von Hermine ist ein Kraftakt. 4,5 Meter breit ist der Durchmesser des Bohrschildes. Je weiter es sich durch den Boden arbeitet, desto länger wird Hermine. Nach und nach werden nämlich Bauteile ergänzt, ihre volle Länge soll schließlich 280 Meter betragen. Ihr Gewicht: 670 Tonnen.

Damit die Arbeiten reibungslos verlaufen, organisierten die Verantwortlichen nach bergmännischem Brauch einen Pfarrer. Der führte am Donnerstag dann die Taufe durch. Viel Aufwand für eine Maschine, aber wie heikel große Bauvorhaben sein können, hatte erst am Montag ein Unfall in der Hafen City gezeigt, bei dem vier Bauarbeiter starben. "Möge dein Dienst ein Segen für die Menschen in Hamburg sein", sagte Pastor Sieghard Wilm. Er segnete nicht nur Hermine, sondern auch die Heilige Barbara, die als Schutzpatronin der Bergleute gilt. Sie hat im Anschluss einen eigenen Platz im Schacht bekommen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMittleres Management
:Beförderung? Rette sich, wer kann!

Irgendwann im Arbeitsleben trifft es viele Menschen: Sie werden Teamleiter, Abteilungs- oder Werksleiterin - und landen in der Hölle des mittleren Managements.

Von Kathrin Werner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: