Energie:Vermieter fürchten, auf Heizkosten sitzen zu bleiben

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Lieber runterdrehen: Die Heizkosten dürften diesen Winter sehr viel höher liegen als vergangenes Jahr. (Foto: Dwi Anoraganingrum/imago images/Future Image)

Öl, Gas, Strom - Energie wird rapide teurer. In ein paar Monaten drohen dann hohe Nachzahlungen. Die könnten viele Mieter überfordern, so die Sorge der Vermieter. Sie fordern weitere Hilfen.

Von Stephan Radomsky

Der Gang in den Keller, er ist bei vielen gerade wohl noch unbeliebter als sonst. Erdgas, Heizöl, Strom - alles ist sehr viel teurer geworden, seitdem Russland die Ukraine überfallen hat. Schon jetzt verheißt der Blick auf die Zähler deshalb nichts Gutes. Der echte Schock aber wird für Millionen Mieter im Land erst in gut einem Jahr kommen: dann, wenn in der zweiten Jahreshälfte 2023 teils heftige Nebenkostennachzahlungen fällig werden.

Die großen Vermieter schlagen deshalb Alarm. "Was da vor allen Haushalten in Deutschland liegt, ist eine unglaubliche Belastung", warnte der Präsident des Branchenverbands GdW, Axel Gedaschko, am Donnerstag. Etliche Haushalte würden die Last nicht stemmen können. Der ungebremste Anstieg der Energiekosten könne aber nicht nur Millionen Menschen in Not bringen, sondern womöglich auch deren Vermieter ruinieren. Der GdW vertritt vor allem Genossenschaften und städtische Wohnungsunternehmen, aber auch börsennotierte Konzerne wie Vonovia. Zusammen stehen sie für etwa 30 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland.

Diese Unternehmen müssten die Kosten für Heizung und Warmwasser vorfinanzieren, weil die monatlichen Nebenkostenzahlungen die tatsächlichen Ausgaben nicht mehr deckten. Allein das sei schon teuer, hinzu komme das Risiko, dass viele Rechnungen an die Mieter am Ende offenbleiben. "Wir vermieten vor allem an Menschen, die nicht so viel Einkommen haben", sagte Gedaschko. Investitionen für Neubauten und Sanierungen würden so praktisch unmöglich.

Auch die Bundesregierung rechnet mit deutlichen Belastungen für die Bürger und hat deshalb bereits Hilfen auf den Weg gebracht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt von "sozialem Sprengstoff" gesprochen, wenn die Heizrechnung um Hunderte Euro steige. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, die Bürger müssten sich auf einen teuren Winter einstellen. Die Preiserhöhungen würden pro Haushalt im vierstelligen Bereich liegen. "Und das kann dann eben auch mal ein Monatseinkommen für eine Familie sein."

Heizkosten könnten zwischen 70 und 200 Prozent steigen

Allein bis Mai seien die Ausgaben für Haushaltsenergie pro Haushalt und Monat im Schnitt um 37 Prozent gestiegen, ergibt eine Berechnung des GdW. Bis Jahresende könnte die Rechnung - je nach Szenario - zwischen gut 70 und fast 200 Prozent höher liegen als noch 2021. Für einen Vier-Personen-Haushalt würde das bedeuten, dass er statt durchschnittlich 213 Euro im Monat dann zwischen 364 und 635 Euro für Heizung, Warmwasser und Strom einkalkulieren müsste.

"Der Staat muss in dieser Notsituation seiner sozialen Verantwortung gerecht werden", forderte Gedaschko. Er brachte dafür unter anderem Hilfen von der staatlichen KfW-Bank für das Vorfinanzieren der Heizkosten, eine Anpassung des Insolvenzrechts für Wohnungsunternehmen und einen Treuhandfonds ins Spiel, aus dem Vermieter einen Teil der Energiekosten wirtschaftlich schwacher Mieter zurückbekommen könnten.

Zugleich übte Gedaschko Kritik an den Plänen der Ampelkoalition für strengere Vorgaben beim Neubau: Photovoltaik und effiziente Heizanlagen mit Wärmepumpen seien zwar grundsätzlich der richtige Weg. Es fehlten aber das Material und die Handwerker, um die angedachte Solardach-Pflicht und den geplanten Mindestanteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien beim Heizen zu akzeptablen Kosten zu stemmen. So hätten sich Solarkollektoren binnen eines Jahres um 23 Prozent verteuert, bei Wärmepumpen liege der Aufschlag immerhin noch bei sechs Prozent. "Teuer bauen kann jeder", sagte Gedaschko. Es gehe aber darum, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Um Mieter wie auch Vermieter zu entlasten, fordert der GdW zudem, den CO₂-Preis auszusetzen. Die Abgabe wird seit vergangenem Jahr fällig, derzeit liegt sie bei 30 Euro pro Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid, bis 2025 könnte sie auf bis zu 55 Euro steigen. Ab kommendem Jahr soll der Aufschlag zudem zwischen Vermietern und Mietern geteilt werden, abhängig davon, wie effizient das Gebäude ist. Das soll Eigentümer zum Sanieren ihrer Häuser animieren und Mieter zum Energiesparen. Angesichts der enorm teuren Energie sei das aber gar nicht nötig, sagte Gedaschko. Sparen sei gerade ohnehin im eigenen Interesse aller Verbraucher. Über den CO₂-Preis verdiene Staat nur noch zusätzlich mit.

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