Emoji:Dieser Daumen war verdammt teuer

Lesezeit: 2 min

(Foto: imago/All Canada Photos/ Illu: Florian Gmach)

Kann man mit einem Emoji per Textnachricht einen Vertrag unterschreiben? Ja, sagt ein kanadischer Richter - und verurteilt einen Landwirt zu mehr als 50 000 Dollar Schadenersatz.

Von Simon Hurtz, München

Manche Emojis sollte man meiden, wenn man beruflich kommuniziert. Zum Beispiel das mit dem Haufen Kot kann durchaus so oder so ausgelegt werden. Es kommt auch immer darauf an, wer der Sender ist und wer die Empfängerin und wie die beiden zueinander stehen.

Beim nach oben gestreckten Daumen gibt es keinen doppelten Boden und wenig Interpretationsspielraum. Genau das ist Chris Achter zum Verhängnis geworden. Der kanadische Landwirt reagierte mit dem Daumen-hoch-Emoji auf einen Vertrag, den er per Textnachricht erhalten hatte. Jetzt muss er deshalb rund 56 000 Euro Schadenersatz zahlen, wie ein Richter in der kanadischen Provinz Saskatchewan entschied.

Im März 2021 verhandelten Achter und ein Vertreter des Getreidehändlers South West Terminal (SWT) über ein Geschäft mit Flachs. SWT wollte 87 Tonnen zu einem Gesamtpreis von rund 40 000 Euro kaufen. Achter sollte im November 2021 liefern. Nach dem Telefonat schickte der Einkäufer Kent Mickleborough ein Foto des von ihm unterzeichneten Vertrags und schrieb dazu: "Bitte bestätigen Sie den Flachs-Vertrag". Achter reagierte mit erhobenem Daumen.

Im schriftlichen Urteil tauchen 24 Emojis auf

Mickleborough wertete das als Einverständnis. Seiner Aussage zufolge habe Achter auch in der Vergangenheit nur mit "Sieht gut aus", "Ok" oder "Yup" geantwortet und dann geliefert. Diesmal wartete SWT vergeblich auf das Getreide. Zwischen März und November hatte sich der Flachspreis mehr als verdoppelt, Achter wollte nicht zum zuvor vereinbarten Preis liefern. Mit der Reaktion habe er lediglich ausdrücken wollen, dass der Vertrag angekommen sei. SWT verklagte ihn auf Schadenersatz, der Fall landete vor Gericht.

Daumen nach oben - diesen Handzeichen ist eigentlich ziemlich klar. Gilt das auch in der digitalen Welt? (Foto: Imago Classic)

In der im Juni veröffentlichten Urteilsbegründung taucht der Daumen 24 Mal auf. Der Richter gibt sich große Mühe, der Bedeutung des Emojis nachzuspüren, und zitiert dabei den Eintrag aus dem Wörterbuch Dictionary.com. Demnach steht das Symbol in westlichen Kulturen für Einwilligung, Zustimmung oder Ermutigung in der digitalen Kommunikation. Er sei unsicher, wie maßgeblich diese Quelle sei, schreibt der Richter. "Aber es scheint mit meinem Verständnis aus dem täglichen Gebrauch übereinzustimmen - selbst als Späteinsteiger in die Welt der Technologie."

Elon Musk kommuniziert per Kothaufen

Achters Anwalt argumentierte, sein Klient sei kein Experte für Emojis. Zudem öffne man die Büchse der Pandora, wenn man Emojis mit digitalen Unterschriften gleichsetze. Dann müssten sich Gerichte bald damit beschäftigen, welche Bedeutung wohl geschüttelte Hände oder Fäuste haben. Den Richter konnte er damit nicht überzeugen: "Dieses Gericht erkennt bereitwillig an, dass ein Emoji ein unübliches Mittel ist, um ein Dokument zu 'unterschreiben', aber unter diesen Umständen war es ein wirksamer Weg."

Es ist nicht das erste Mal, dass Emojis vor Gericht landen. Mehrfach ging es um virtuelle Kothaufen, zuletzt rätselte eine Richterin am renommierten Court of Chancery in Delaware, was Elon Musk wohl damit meinte, als er dem damaligen Twitter-Chef mit dem unappetitlichen Bildchen antwortete. Heute gehört Twitter Musk, und er kann seiner Vorliebe für Fäkalien freien Lauf lassen. Wer Twitter eine Presseanfrage schickt, erhält automatisiert einen Haufen Kacke zurück. Das verwirrt einige. Aber das dürfte zumindest recht treffend symbolisieren, wie sich Chris Achter nach dem Urteil fühlte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSamenspende
:Schwanger um jeden Preis

Wenn es nicht klappt mit dem Baby, wächst die Verzweiflung - und die Bereitschaft, viel Geld zu zahlen. Die Nachfrage ist so groß, dass die Samenbanken kaum hinterherkommen. Für manche Menschen bleibt nur der Schwarzmarkt.

Von Paulina Würminghausen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: