Dirk Roßmann:Wie ein Drogeriekönig Bestsellerautor wurde

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"Wir müssen mehr lesen": Unternehmer und Autor Dirk Roßmann auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel im Berliner Hotel Adlon. (Foto: Johannes Simon)

Dirk Roßmann hat schon wieder einen Bestseller geschrieben. Der Erfolgsunternehmer ist auch Erfolgsautor. Wie macht er das - und warum?

Von Michael Kläsgen, Berlin

Schon wieder ein neuer Oktopus, schon wieder ein Bestseller. Ist Dirk Roßmann ein Genie? Er findet das nicht, sieht sich bescheiden als der "kleine Dirk" aus Hannover und zeigt sich voller Demut. Dabei ist sein Aufstieg als Unternehmer fulminant. Die Drogeriekette, die er Anfang der Siebzigerjahre schuf, trägt seinen Namen, wenn auch mit "ss" und nicht "ß". Als ob diese außergewöhnliche unternehmerische Leistung nicht ein Menschenleben voll ausfüllen würde, triumphiert Roßmann auch noch als Bestsellerautor. Und er ist auch unter den Bestsellerautoren etwas Besonderes.

Ist der erfolgreiche Unternehmer auch noch ein großartiger Künstler, ein Multitalent? Roßmann, 77, veröffentlichte zunächst eine Autobiografie. Darin schildert er empfindsam, jahrelang in Psychotherapie gewesen zu sein. 2020 begann er, seine Science-Fiction-Roman-Serie zu schreiben, die Oktopus-Reihe. Zwischendurch veröffentlichte er noch ein Kinderbuch. Für die "Öko-Thriller" mit dem Oktopus rund um den Klimawandel wechselte er den Verlag und engagierte ein Autorenteam. Mitautor ist jetzt der ehemalige Spiegel-Redakteur Ralf Hoppe.

In "Der neunte Arm des Oktopus" bringt Roßmann Wladimir Putin als Welterretter groß heraus. Zu dem Zeitpunkt hatte Russland schon die Krim besetzt.

Weltpolitik hin, Weltpolitik her - Roßmann schreibt unverdrossen weiter: zunächst "Der Zorn des Oktopus" und dieses Jahr pünktlich zur Buchmesse vor Weihnachten "Das dritte Herz des Oktopus". Schon jetzt klebt der rote " Spiegel-Bestseller"-Aufkleber auf dem Buchumschlag.

Wie macht der Mann das nur? Die deutsch-amerikanische Buchwissenschaftlerin Corinna Norrick-Rühl sagt, Dirk Roßmann habe einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Autoren. Dem widerspricht er nicht. Er nutzt die Filialen seines Unternehmens als Verkaufsfläche. Dort steht der neue Oktopus zwischen Kochschürzen und Eierkochern in den Regalen. Schon vorher waren dort die ersten 100 Seiten des Romans für einen Euro als gebundenes Mini-Buch zu haben. Rossmanns Kundenzeitschrift Centaur veröffentlichte Vorabdrucke.

Roßmann hat ein riesiges Marketingbudget zur Verfügung. Vor der "Tagesschau" läuft seine Werbung. Er könne, sagt Norrick-Rühl, zudem das Netzwerk nutzen, das er als bekannter Unternehmer habe, und von Talkshow zu Talkshow tingeln. Zudem besitzt Roßmann Anteile an dem Verlag, der seine Romane herausgibt: Bastei Lübbe, Deutschlands größter konzernunabhängiger Verlag, gilt als einer der produktivsten mit einem Schwerpunkt auf populärer Belletristik. Mit Groschenromanen wie "John Sinclair", "Jerry Cotton" oder "Der Bergdoktor" wurde der 1949 gegründete, heute börsennotierte Verlag groß. Wohl auch deswegen wurde einer seiner Oktopus-Romane von Kritikern schon als "Milliardärs-Dreigroschenweltrettungsroman" tituliert.

Im September 2023, kurz vor Erscheinen des dritten Oktopus, stockte Roßmann seine Beteiligung auf 20,31 Prozent auf. 2021 hatte der Anteil noch bei gut drei Prozent gelegen. Roßmann, der Autor, bleibt Unternehmer, Investor und Aktionär. Jeder erfolgreiche Oktopus könnte sich dadurch doppelt auszuzahlen: über Tantiemen - und über Dividenden-Ausschüttungen beziehungsweise potenziell höher bewertete Aktien.

Ist es Geld, das ihn antreibt? Roßmann verneint, verweist auf sein Alter und darauf, dass er genügend Vermögen habe. Auf der Bühne des SZ-Wirtschaftsgipfels sagte er am Mittwoch: "Ich hatte mehrmals einen Traum: Dass die Menschheit endlich zusammenwächst." Und dass er eine Botschaft habe: den Klimawandel stoppen, und zwar jetzt.

Norrick-Rühl glaubt eher, er wolle mit dem Öko-Thriller sein Image etwas zurechtrücken. "Andererseits steht das Buch in den Rossmann-Filialen ja neben Produkten, die in drei Wochen Plastikschrott sind und auf der Müllhalde landen", sagt die Professorin für Buchwissenschaft. Dennoch drehen sich die Romane um das Thema Klimaschutz. "Das ist nicht sehr glaubwürdig. Aber er gefällt sich offensichtlich in der Rolle."

Mit seinen Büchern hat Roßmann offensichtlich einen Nerv getroffen. Die Romane halten sich einigermaßen beständig auf den Bestseller-Listen. Sagt das nichts über die Qualität aus? Nein, meint Norrick-Rühl: "Die Bestseller-Platzierung beruht auf Verkaufszahlen - und ist kein inhaltliches Urteil." Sie findet bedauerlich, dass es herausragende Literatur gebe, die es nicht im Ansatz schaffe, die gleiche Aufmerksam wie Roßmann zu erzeugen. Und deswegen auch nicht gleichermaßen gekauft wird. Für einige dieser Bücher hat Roßmann aber ein Herz. "Wir müssen mehr lesen", sagt er, zum Beispiel die Daniel Kehlmanns und Julie Zehs. Die schreiben ja schließlich auch Bestseller.

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