Für Fachleute und Studierende ist die Adresse am Rande von Potsdam schon seit Jahren eine der begehrtesten des Landes. Das Hasso-Plattner-Institut der Universität bringt Studenten bei, künstliche Intelligenz zu entwickeln und Daten als Rohstoffe zu nutzen. Am Mittwoch reiste nun sogar das gesamte Bundeskabinett an, um sich in diesem Ambiente fortzubilden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Regierung nicht wie üblich zur Klausur nach Meseberg geladen, sondern in Deutschlands wichtigstes Institut für Digitalisierung. Es geht darum, dem Land und vielleicht auch manchem Minister vor Augen zu führen, welche Bedeutung das Thema in Forschung und Wirtschaft längst hat.
Entbrannt ist ein globales Wettrennen. Im vergangenen Jahr kündigte China an, die globale Führung bei künstlicher Intelligenz bis 2030 übernehmen zu wollen. In diesem Jahr preschte Frankreich in Europa mit Milliardeninvestitionen vor. Nun gibt auch Deutschland die Zurückhaltung auf. Die Bundesregierung will in den kommenden Jahren deutlich mehr tun, um die Schlüsseltechnologie des Jahrhunderts voranzutreiben. Bis 2025 will sie Erforschung und Einsatz neuer Technologien mit rund drei Milliarden Euro fördern, beschloss das Kabinett an diesem Donnerstag. "Made in Germany" solle auch bei der Künstlichen Intelligenz ein Markenzeichen sein, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Klausur des Bundeskabinetts. Der Mensch solle dabei aber im Mittelpunkt stehen und die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft weiter gelten.
Digitalisierung:So könnte die Bahn das Internet beschleunigen
Der Konzern will Glasfaserkabel entlang des kompletten Schienennetzes verlegen. Die Pläne könnten dabei helfen, Funklöcher zu schließen - und die Digitalisierung auf dem Land vorantreiben.
Neue Präzision in der Medizintechnik, automatische Autos, lernende Maschinen und kommunizierende Roboter - all das soll künftig auch aus Deutschland kommen. Die Bundesregierung machte schon zum Start ihrer Klausur klar, dass sie einen rasanten Wandel durch die Digitalisierung erwartet - und massive Folgen für den Arbeitsmarkt. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezifferte den Verlust von herkömmlichen Arbeitsplätzen durch Automatisierung und den Einsatz künstlicher Intelligenz bis 2025 auf etwa 1,6 Millionen. "Aber gleichzeitig entstehen etwa 2,3 Millionen neue Arbeitsplätze in Deutschland", sagte Heil. Künstliche Intelligenz ist ein Sammelbegriff für Computersysteme, die in der Lage sind, Probleme eigenständig zu erfassen und zu lösen.
Als eines der wichtigsten Ziele der Strategie gilt es deshalb auch, Forschungsergebnisse schneller in tatsächliche Anwendungen zu bringen. Zentraler Punkt sei auch die Wissensvermittlung an kleine und mittelständische Unternehmen, heißt es in dem Papier. Die Anstrengungen sind nach Einschätzung der Regierung dringend nötig. Denn das Gros der Unternehmen in Deutschland habe bislang noch keine AI-Expertise. Von den Investitionen erhofft sich die Bundesregierung auch einen Effekt in der Industrie. Zu jedem staatlichen Euro solle ein privater kommen, heißt es in Regierungskreisen.
Mehr Professoren, mehr Testzentren
Mit den Milliarden will der Bund unter anderem mindestens 100 zusätzliche Professuren schaffen und neue Institutionen aufbauen. Um Spitzenforscher im Land zu halten, soll es für sie leichter werden, zwischen Wissenschaft und Unternehmen zu wechseln. Zu den Plänen gehört der Aufbau einer "Agentur für Sprunginnovationen". Sie soll dabei helfen, Gelder für erfolgversprechende, aber finanziell riskante Forschungsprojekte einzutreiben. Die Bundesregierung will Unternehmen zudem bei der Einrichtung von Testfeldern unterstützen. Neu gründen will sie ein "Observatorium für Künstliche Intelligenz". Es soll untersuchen, wie sich neue Technologien auf die Arbeitswelt auswirken.
Mit dem Haushalt 2019 stellt der Bund in einem ersten Schritt 500 Millionen Euro zur Verfügung. Bis einschließlich 2025 sollen dann insgesamt drei Milliarden Euro fließen. Die Strategie thematisiert auch Probleme, die mit den neuen Technologien auf Politik und Bürger zukommen. Denn die Algorithmen könnten künftig auch diskriminieren, ausgrenzen und in gefährlichen Situationen wie bei Unfällen automatischer Autos sogar über Leben und Tod entscheiden. "Das hat Auswirkungen auf politische, rechtliche, kulturelle und ethische Fragen", heißt es in dem Papier weiter. Ziel der Regierung sei es, die Bürger mit Transparenz und Kontrollen vor Missbrauch zu schützen. Die Opposition warf der Regierung angesichts schlechter Netze vor, zu spät zu reagieren. Die Koalition schaue bei Missständen zu und lasse Potenziale der Digitalisierung verstreichen, kritisierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt.