Deutsche Post:Wenn der Brief zuerst per Mail kommt

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Fertig für die Auslieferung: Wer sich für die digitale Kopie entscheidet, kann viele Briefe künftig schon vorher auf Computer, Tablet oder Smartphone lesen. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Millionen Kunden von GMX und Web.de können viele Briefe künftig vorab online lesen - die analoge Post kommt später hinterher. Ein Versuch der Deutschen Post, den Brief ins digitale Zeitalter zu retten.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Ist es Neugier? Ist es Ungeduld? 1,2 Millionen Menschen in Deutschland genügt es jedenfalls nicht, ab und an in den Briefkasten zu schauen. Stattdessen erhalten sie abends eine E-Mail und sehen, welche Umschläge am folgenden Tag bei ihnen landen sollen. Möglich macht dies seit 2020 eine Zusammenarbeit der Deutschen Post mit den Anbietern GMX und Web.de. Laut deren Chef Jan Oetjen war das aber nur die erste Stufe der Digitalisierung des Briefes. "Wir wollen nun den zweiten Schritt gehen", sagt Oetjen, "den Briefkasten und das E-Mail-Postfach zusammenzuführen."

Von diesem Mittwoch an sollen seine Kunden auf Wunsch das bekommen, was die Post "digitale Kopie" nennt: Sie erhalten Unterlagen vorab als PDF-Datei per Mail - und als Brief hinterher. Das für Empfänger kostenlose Angebot klingt zunächst, als wollte die Post ihr Briefgeschäft überflüssig machen. Es funktioniert allerdings nur, wenn gleich zwei Voraussetzungen erfüllt sind.

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Zum einen steht der Dienst zunächst nur Kunden von GMX und Web.de zur Verfügung. Beide Anbieter zählen zusammen etwa 35 Millionen Nutzer. Diese müssen die digitale Kopie in den Einstellungen ihres Kontos aktivieren, wenn sie sie denn wollen. Die Post zeigt sich freilich offen für weitere Mail-Provider als Partner.

Zum anderen funktioniert das Angebot nur, wenn der jeweilige Brief von einem Unternehmen kommt, das die digitale Kopie unterstützt. 50 Großversender seien anfangs dabei, teilt die Post mit, darunter etwa Vodafone Deutschland oder der Versandhändler Otto. Zudem habe man 10 000 kleine und mittelgroße Firmen gewonnen. Die Osterpost von Tante Erna indes bleibt einstweilen analog.

Das Briefgeheimnis sei an jeder Stelle eingehalten, verspricht die Post

Der technische Aufwand hält sich insofern in Grenzen, als ein Großteil der Geschäftspost ohnehin automatisiert verschickt wird: Firmen drucken längst nicht mehr jeden Brief selbst aus, stecken ihn in Umschläge und frankieren. Stattdessen unterhalten sie entweder Druckzentren, die diese Arbeit übernehmen. Oder sie senden die Druckdaten an externe Dienstleister; auch die Post bietet das an. Fortan sollen diese Dateien zudem per E-Mail an den Adressaten gehen, falls alle Beteiligten zugestimmt haben. Wie viel die Post, GMX und Web.de in die zusätzlichen Computersysteme investiert haben, wollen sie nicht verraten.

Und wie ist all das mit dem Briefgeheimnis vereinbar? "Alle digitalen Übertragungswege sind komplett verschlüsselt", sagt Manager Oetjen, "unsere Rechenzentren stehen in Deutschland." An keiner Stelle würden Briefe geöffnet, deren Inhalte gelesen oder verarbeitet. Auch der Post-Produktverantwortliche Klaus Ehrnsperger betont: "Das Postgeheimnis ist an jeder Stelle eingehalten." Man stehe dazu im intensiven Austausch mit der Bundesnetzagentur und dem Datenschutzbeauftragten des Bundes. Die gesamte Kette erfülle die Anforderungen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung.

Aus Sicht der Post ist die digitale Kopie ein Versuch, den Brief ins digitale Zeitalter zu retten. Voriges Jahr hat der Konzern hierzulande nach eigenen Angaben gut 14,2 Milliarden Briefe befördert. Das waren zehn Prozent weniger als 2019. Die Zahl ging stärker zurück als in vergangenen Jahren, da Firmen während der Corona-Krise deutlich weniger Werbepost verschickten. Insgesamt stammen die meisten Briefe von geschäftlichen Versendern, nicht von Privatleuten.

Doch droht sich die Post nicht selbst abzuschaffen, je mehr Dokumente nun per E-Mail eintrudeln? "Natürlich werden die Menschen weiter zunehmend über digitale Kanäle kommunizieren", sagt Manager Ehrnsperger. "Unser Ziel ist es, ein Teil des Ganzen zu bleiben und diesen Markt aktiv mitzugestalten." Erfahrungsgemäß falle es vielen Menschen schwer, komplett von analogen Produkten zu digitalen zu wechseln. "Beim Brief kommt hinzu, dass viele Sendungen rechtssicher zugestellt werden müssen", so Ehrnsperger. Dafür sei der Postweg oft der einfachste. "Wir glauben deshalb, dass hybride Produkte gut in die Zeit passen."

Der Konzern hofft, dass sich immer mehr Versender für das Angebot interessieren werden. "Perspektivisch kann ein Großteil des jährlichen Briefvolumens in Deutschland auch durch die digitale Kopie abgebildet werden", teilt die Post mit. Vorausgesetzt, es gibt genug Neugierige und Ungeduldige.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es, dass die Post 2020 hierzulande gut 14,2 Millionen Briefe befördert habe. Es sind natürlich 14,2 Milliarden Briefe.

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