Deutsche-Bank-Tochter:Kratzer im grünen Lack

Lesezeit: 4 min

Logo der DWS, einer Tochter der Deutschen Bank. (Foto: Hannelore Foerster/imago images)

Bei Deutschlands größter Fondsgesellschaft DWS rumort es: Führungskräfte verlassen das Haus, die interne Kritik an Konzernchef Asoka Wöhrmann wird lauter. Und im teuren Streit mit einer früheren Top-Managerin droht neues Ungemach.

Von Jan Diesteldorf und Meike Schreiber, Frankfurt

In der dunklen Jahreszeit tut etwas Farbe gut, gerade in der modisch eher eintönigen Finanzwelt. Auf der digitalen Weihnachtsfeier im Dezember hatte Asoka Wöhrmann, Chef der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS, seinen Anzug gegen einen Weihnachtspulli eingetauscht, bestickt mit Schneeflocken, Lebkuchenmännern und Zuckerstangen. "Happy Ho-Ho-Ho to you", stand darauf. Sein Vorstandskollege erschien in einem pinken Pullover mit Elchmotiv. Kurz zuvor hatte sich Wöhrmann auf einem "Freiwilligentag" zupackend gezeigt, mit Schubkarre beim Ausmisten einer Naturfarm für Kinder. "Führung durch Vorbild", hieß es, "damit sich Kinder an der Natur erfreuen können".

Abseits solcher Inszenierungen geht es bei der Deutsche-Bank-Tochter derzeit allerdings weniger fröhlich zu: An diesem Montag geht es vor dem Arbeitsgericht Frankfurt darum, ob die Kündigung der früheren DWS-Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler rechtmäßig war. Es ist ein Fall, der dem Image und dem Aktienkurs der DWS schwer geschadet hat. Und der weit hinausweist über die Frankfurter Vermögensverwaltung, wirft er doch die Frage auf, ob Unternehmen in Deutschland angemessen mit kritischen Hinweisgebern umgehen.

Als die Amerikanerin Fixler im Frühjahr 2021 nach nur einem halben Jahr rausflog, hatte die DWS zunächst angedeutet, es habe ihr "an Zugkraft" gefehlt. Nach einer Nachfolgerin suchte man erst gar nicht: Wöhrmann machte das Thema Nachhaltigkeit, das Trend-Thema schlechthin in der Finanzbranche, einfach gleich zur Chefsache.

Eskalation bis hin zum US-Justizministerium

Normalerweise trennen sich Firmen für alle Seiten gesichtswahrend von Managern, wenn die Chemie nicht stimmt. Bei Fixler war das anders. Sie sah ihre Reputation zerstört und wandte sich im Sommer an das Wall Street Journal: Man habe sie gefeuert, nachdem sie auf falsche Angaben zu Nachhaltigkeitsfonds im Geschäftsbericht hingewiesen und Verbesserungen angemahnt habe, sagte sie der US-Zeitung. Die DWS wies das zurück. Aber kaum vier Wochen später wurde bekannt, dass außer der US-Börsenaufsicht SEC auch das strenge US-Justizministerium die Vorwürfe untersucht. Der Börsenkurs der DWS brach um fast 15 Prozent ein, eine Milliarde Euro Börsenwert war dahin. Bis heute hat sich die Aktie davon nicht ganz erholt.

Alle Angaben im Geschäftsbericht seien korrekt, hieß es von der DWS. Die Aufseher aber scheinen den Vorwurf ernst zu nehmen, wonach es das Fondshaus in der Außendarstellung übertrieben habe mit den Fortschritten in Sachen Nachhaltigkeit. Und auch wenn sich dieser Verdacht nicht erhärten sollte, droht noch Ungemach: Die US-Behörden finden, dass die DWS Fixlers Vorwürfe sofort hätte melden müssen. Unabhängig davon, ob man sie in Frankfurt für berechtigt hält. Allein dafür drohen Strafen, womöglich sogar der Konzernmutter Deutsche Bank. Seit dem Börsengang der DWS Ende 2018 hält sie noch 80 Prozent der Anteile und beherrscht den Aufsichtsrat.

War zuletzt der Topverdiener im Deutsche-Bank-Konzern: DWS-Chef Asoka Wöhrmann. (Foto: Hannibal Hanschke/picture alliance/dpa)

Ex-DWS-Chef Nicolas Moreau hatte den Börsengang noch vorbereitet, sein Nachfolger Wöhrmann übernahm in einer heißen Phase - und sollte mit der neu gewonnenen Freiheit durchstarten. Nach einer Zwischenstation als Privatkundenchef der Deutschen Bank war er Ende 2018 zur DWS zurückgekehrt. Dort hatte seine Karriere einst begonnen, als Fondsmanager. Als Vorstandschef lieferte er schnell, stoppte die Mittelabflüsse aus den DWS-Fonds, kürzte konsequent die Kosten. Im März vor einem Jahr verlängerte die Deutsche Bank daraufhin Wöhrmanns Vertrag vorzeitig bis 2024. Er habe "großartige Arbeit geleistet, seit er im Herbst 2018 als CEO zur DWS zurückgekehrt ist", teilte Aufsichtsratschef und Deutsche-Bank-Vorstand Karl von Rohr mit.

Entsprechend wurde Wöhrmann auch belohnt - trotz der Sparmaßnahmen für die Belegschaft. Er war zuletzt der Topverdiener im Deutsche-Bank-Konzern. Angesichts guter Mittelzuflüsse und der offenbar erreichten Kostenziele profitiert er auch noch von einer Erfolgsprämie. 2019 verdiente er 7,6 Millionen, 2020 noch 6,1 Millionen Euro.

Überraschende Abgänge, schlechte Stimmung

Seit dem Ärger mit seiner Ex-Managerin Fixler aber hält er sich auffallend zurück, gibt keine Interviews und tritt kaum öffentlich auf. Hinter den Kulissen scheint es zu gären: Wöhrmann, bei Amtsantritt noch hofiert und gefeiert, habe sich in seinem engsten Führungszirkel eingemauert und lasse keine Kritik an sich heran, berichten mehrere Insider übereinstimmend. Einige Führungskräfte hätten zuletzt gekündigt. "Die Stimmung ist derart am Boden, dass inzwischen einige freiwillig gehen", sagt ein früher hochrangiger Manager. Die DWS will sich nicht dazu äußern. Im Umfeld von Wöhrmann aber heißt es, es seien auch viele Neue an Bord.

Schaut man genauer hin, ist auch der Erfolg weniger groß, als es erscheint. "Die Fondstochter der Deutschen Bank wandelt sich immer mehr zu einem internationalen Riesen mit geringen Margen", schrieb etwa die Börsen-Zeitung neulich. Zwar fließen der DWS immer mehr Anlegergelder zu, allerdings vor allem in preisgünstige Index- und Geldmarktfonds. Um in diesem margenarmen Geschäft gegen die internationalen Größen der Branche zu bestehen, müsste die DWS durch eine Übernahme wachsen. Entsprechende Pläne gibt es, aber mögliche Partner sind rar. Und die Deutsche Bank müsste womöglich einen Teil ihrer Kontrolle oder gar Anteile an ihrem Fondshaus abgeben - beides passt Konzernchef Sewing nicht, weil er die stabilen Erträge braucht.

Hausinterne Kritiker werden lauter

Kritiker im Haus verweisen zudem darauf, dass die DWS ihren Erfolg weniger der "Fokussierung auf Kundenbedürfnisse und ihrer Effizienz" verdankt, wie sie sich im Geschäftsbericht lobt - sondern vor allem der Vertriebskraft der Deutschen Bank, die ihren Kunden die Fonds andient. "Im Grunde machen nur noch die Deutsche Bank und der Exklusivpartner Deutsche Vermögensberatung (DVAG) mit der DWS Geschäft", sagt ein Insider. Das gelte auch für die Nachhaltigkeitsfonds.

Der SZ liegen interne Zahlen von Sommer 2021 vor, wonach das Neugeschäft tatsächlich zu mehr als zwei Dritteln aus dem Konzern stammte. Der Rest lief über die DVAG. Zwar verkaufen auch die Konkurrenten ihre Fonds vor allem über eigene Banken. Wenn sich die Fonds am freien Markt nicht so gut durchsetzen, spricht das aber nicht unbedingt für ihre Qualität. Dazu will sich die DWS nicht äußern. In Konzernkreisen widerspricht man: Der Vertrieb über Drittpartner sei stärker, die Abhängigkeit vom Konzern deutlich geringer.

Vor wenigen Tagen überraschte die DWS die Börse nun mit einer Pflichtmitteilung: Die Zahlen seien deutlich besser als ursprünglich erwartet. Das Schlussquartal 2021 brachte demnach Erträge von 798 Millionen Euro, ein Viertel mehr als im vierten Quartal 2020. Die gute Börsenlage Ende 2021 habe die Einnahmen aus Verwaltungs- und erfolgsabhängigen Gebühren stark gesteigert. Am kommenden Donnerstag veröffentlicht die Fondsgesellschaft dann mehr Details mit dem vorläufigen Jahresergebnis. Dann wird auch deutlicher zu sehen sein, ob der Konflikt mit Ex-Managerin Fixler nicht doch bereits Spuren hinterlassen hat.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: