Wenige Tage vor dem Schlichterspruch im Tarifstreit der Deutschen Bahn schließt die Eisenbahnergewerkschaft EVG unabhängig vom Ergebnis Streiks zur Hauptferiensaison bis Ende August aus. "Bis Ende August wird definitiv nicht gestreikt", sagte EVG-Chef Martin Burkert der Zeitung Augsburger Allgemeinen. Außer in Bayern und Baden-Württemberg sind bis dahin in allen anderen Bundesländern die Schulferien zu Ende. Der Gewerkschaftschef kündigte an, dass bereits vor dem Wochenende das Ergebnis der Schlichtung erwartet wird. "Am Freitag wollen die Schlichter ihr Ergebnis präsentieren, dann beraten wir im Bundesvorstand über eine Empfehlung für die Mitglieder und beginnen im August die Urabstimmung", erklärte Burkert. "Wir schreiben dafür alle Mitglieder unter den 180 000 DB-Beschäftigten per Post an. Wegen der Ferien dauert das ganze Verfahren bis 31. August." Es sei die erste Urabstimmung bei der EVG seit 30 Jahren.
Zur Schlichtung wollte sich Burkert wegen des Stillschweigegebotes nicht inhaltlich äußern. Die Bahn hat der Gewerkschaft zwölf Prozent mehr Lohn für die unteren Lohngruppen, zehn für die mittleren und acht für die oberen angeboten, allerdings mit einer deutlich längeren Laufzeit als von der EVG gefordert.
Seit Mitte des Monats vermitteln externe Schlichter in dem festgefahrenen Tarifkonflikt. Über alle Details zum Stand der Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart. Angesetzt waren rund zwei Wochen bis zum 31. Juli. Als Vermittlerin hat die EVG die Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr (SPD) berufen. Für die Bahn schlichtet der frühere Verteidigungs- und Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Bis zum Ende der Urabstimmung hatte die EVG weitere Streiks auf der Schiene ausgeschlossen. Die Tarifverhandlungen begannen Ende Februar und scheiterten Ende Juni. Beide Seiten ließen sich anschließend auf die Schlichtung ein.
Eine Zerschlagung sei der falsche Weg
"Entscheidend ist, dass die Beschäftigten angesichts der Inflation eine wirklich deutliche Steigerung brauchen", betonte Burkert. "Sonst wird auch der Arbeitskräftemangel bei der Bahn zum immer größeren Problem." In der Diskussion über eine Bahnreform sprach sich Burkert für mehr Bedenkzeit aus: "Es ist irre, dies in wenigen Monaten machen zu wollen. Eine zweite Bahnreform - nach der Privatisierung - muss gut durchdacht werden." Er sprach sich dabei erneut gegen eine Trennung von Schienennetz und Betrieb aus: "Eine Zerschlagung würde jahrelangen Stillstand angesichts des Organisationsaufwandes bedeuten. Internationale Beispiele zeigen, dass eine Zerschlagung der falsche Weg ist."
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag die Gründung einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte angekündigt, die zu 100 Prozent im Eigentum der bundeseigenen Deutschen Bahn stehen soll. Die Bahn soll als sogenannter integrierten Konzern erhalten bleiben - es soll keine Trennung von Netz und Betrieb geben.