Cum-Ex-Affäre:Tagebuch bringt Scholz in Erklärungsnot

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Hatte mit der Hamburger Privatbank MM Warburg mehr Kontakt als zugegeben: Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen. (Foto: Michael Kappeler/Dpa)

Der heutige SPD-Kanzlerkandidat traf sich als Hamburgs Erster Bürgermeister öfter mit einem Chef der Privatbank MM Warburg als bislang eingeräumt. Dabei ging es um eine Steuerforderung der Stadt von 47 Millionen Euro.

Von Peter Burghardt, Klaus Ott und Jörg Schmitt, Hamburg

Bundesfinanzminister Olaf Scholz gerät im Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Privatbank MM Warburg zunehmend in Erklärungsnot. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat sich der SPD-Kanzlerkandidat während seiner Zeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt öfter mit Warburg-Miteigentümer Christian Olearius getroffen als bislang bekannt. Das geht aus Tagebüchern des Bankers hervor, die die SZ einsehen konnte.

Demnach gab es 2016 und 2017 zwischen Scholz und Olearius drei Treffen und ein Telefonat. Bislang hatte Scholz lediglich einen Besuch des Bank-Chefs im Jahr 2017 eingeräumt. Hintergrund der Gespräche waren laut Aufzeichnungen von Olearius mögliche Steuerrückforderungen der Stadt Hamburg in Millionenhöhe.

Die Bank ist in Deutschlands größte Steueraffäre verwickelt, den Cum-Ex-Skandal, bei dem Banken den Fiskus um Milliarden betrogen haben sollen. Im Sommer 2016 ermittelte die Kölner Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlich illegaler Cum-Ex-Geschäfte gegen die Warburg-Bank und Olearius. Im Januar 2016 war die Bank durchsucht worden. Es gab eine Sonderprüfung der Finanzaufsicht Bafin.

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Dennoch empfing Scholz den Bankchef am 7. September 2016 in seinem Büro. Ausweislich der Tagebucheinträge erklärte Olearius dem SPD-Politiker dabei die rechtliche Position der Bank. Die Hamburger Steuerbehörde hatte angekündigt, wegen der Cum-Ex-Deals eine Kapitalertragsteuer-Rückerstattung in Höhe von 47 Millionen Euro für 2009 von Warburg zurückzufordern. Als diese Forderung sich einige Wochen später präzisierte, bat Olearius erneut um einen Termin bei Scholz. Bei diesem zweiten Treffen am 26. Oktober übergab der Banker den Entwurf eines mehrseitigen Schreibens an die Finanzbehörde, in dem die Bank, die alle Cum-Ex-Vorwürfe bestreitet, darauf hinwies, dass das Bankhaus im Falle einer Rückzahlung in seiner Existenz gefährdet sei.

Knapp zwei Wochen später, so ist den Notizen von Olearius zu entnehmen, rief Scholz den Bankchef an und sagte, er möge das Schreiben kommentarlos an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher schicken. Zufall oder nicht - drei Tage nach dem Telefonat erhielt Olearius laut seinen Aufzeichnungen aus der Finanzverwaltung den Hinweis, dass die Stadt die 47 Millionen Euro doch nicht zurückfordern würde.

Pikant für Scholz: Er hatte die Treffen auch nicht offengelegt, als der Vorgang im März und im Juli Thema im Bundestags-Finanzausschuss war. Auf SZ-Anfrage räumt Scholz nun die drei Treffen mit Olearius und das Telefonat ein. Er spreche grundsätzlich mit jedermann. Konkrete Erinnerungen an die Gespräche habe er nicht. Er betont aber, er habe keinerlei Zusagen gemacht oder eine Einschätzung vorgenommen. Und er habe nie "Einfluss in der Steuersache ausgeübt". Er habe auch weder mit dem Finanzsenator noch mit der Finanzverwaltung über den Fall gesprochen. An Olearius' Schreiben könne er sich nicht erinnern. Er könne aber nicht ausschließen, dass er ein solches Papier gesehen oder ausgehändigt bekommen habe.

© SZ vom 04.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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