Medizin-Ausrüstung:Statt Unterhosen werden jetzt Schutzmasken hergestellt

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Auch das Würzburger Unternehmen Wegerich lässt nun Mundschutz nähen. Normalerweise werden hier Matratzen hergestellt. Zusammen mit einem Pflegedienst hat die Firma eine Maske entwickelt. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Die Corona-Krise sorgt für Engpässe bei Schutzmasken, auch medizinische Geräte werden dringend gebraucht.
  • Gleichzeitig ist die Nachfrage nach vielen anderen Produkten eingebrochen. Die Industriekonzerne versuchen daher, sich auf den neuen Bedarf einzustellen.
  • In einigen Bereichen funktioniert das ganz gut. Doch können Beatmungsgeräte beim Autobauer vom Band laufen?

Von Thomas Fromm, Christina Kunkel, Kristiana Ludwig, Stefan Mayr und Angelika Slavik

Über Zahlen habe er in den vergangenen Tagen etwas gelernt, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Man sollte erst über sie sprechen, wenn man sie auch sicher kenne. Es geht um die Zahl der dringend benötigten Atemschutzmasken, die die Bundesregierung schon vor Wochen den Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeheimen versprochen hat.

Medien hatten Anfang der Woche darüber berichtet, dass einem Lieferanten sechs Millionen dieser Masken, die für Deutschland bestimmt waren, an einem Flughafen in Kenia abhanden gekommen waren. Bezahlt habe man für sie noch nichts, stellte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums klar. Doch der Vorfall zeigt, wie schwierig es in Zeiten dieser globalen Gesundheitskrise ist, genügend Schutzausrüstung einzukaufen. "Es ist ein wahnsinnig umkämpfter Markt grade", sagt Spahn.

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Am Vortag hatte sein Sprecher erklärt, dass sowohl Dienstag als auch Mittwoch jeweils eine Million Masken ausgeliefert worden seien - doch wer mehr wissen wolle, müsse die Bundesländer fragen. Sie seien schließlich für die Verteilung zuständig.

In Baden-Württemberg warnten die Ärztegewerkschaften am Mittwoch in einem gemeinsamen Appell, dass zertifizierte Schutzmasken in den Kliniken bereits fehlten und die Gefahr bestünde, dass "Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte, die die schweren Covid-19-Fälle behandeln und im Idealfall Leben retten sollen, sich selbst infizieren, erkranken und das Corona-Virus weiterverbreiten".

3-D-Drucker können anders genutzt werden

Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha hatte dagegen noch am Dienstag beteuert, das Land sei "flächendeckend gut aufgestellt". Noch in dieser Woche kämen 75 000 spezielle FFP-2-Masken und 350 000 OP-Masken, außerdem erwarte er "zehn Millionen Masken aus China". Doch auch für den Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, bleibt das Material ein Engpass, deshalb müssten auch Praxen schließen.

Während Schutzausrüstung und medizinische Geräte dringend gebraucht werden, ist die Nachfrage nach vielen anderen Produkten eingebrochen. Die Frage lautet also: Können die Kapazitäten jener Unternehmen, die derzeit ohnehin nicht oder nichts dringend Benötigtes produzieren, so verändert werden, dass Schutzmasken oder Beatmungsgeräte vom Band laufen?

Große Hoffnungen setzten Länder und Bund zunächst in die Autoindustrie. Deren Fabriken stehen still, die Produktionskapazitäten sind riesig. Zudem verfügen Autohersteller über 3-D-Drucker, mit denen alle Arten von Bauteilen hergestellt werden können. Trotzdem ist die Sache nicht so einfach. Man prüfe, welche Möglichkeiten es gebe, heißt es derzeit unisono von großen Autoherstellern.

Beim Medizintechnikunternehmen Dräger aus Lübeck, das neben Schutzausrüstung auch die begehrten Beatmungsgeräte produziert, ist man da deutlicher: Man sehe "mehrere kritische Aspekte", wenn es darum ginge, Produktion zu Unternehmen auszulagern, die mit Beatmungstechnik bislang nichts zu tun hatten. Die Kerntechnologie unterscheide sich doch "elementar" von der Produktion in der Autoindustrie. Zudem gebe es diverse Auflagen zu erfüllen.

Anders ausgedrückt: Ein hochsensibles Gerät, das Leben retten soll, kann man nicht einfach auf einem Band produzieren, auf dem gerade noch eine Autotür gefertigt wurde.

Auch Jägermeister rüstet um

Die Industriekonzerne versuchen deshalb auf anderen Wegen, sich nützlich zu machen. Porsche hat angeboten, Projektmanager und IT-Leute abzustellen, wo immer sie gebraucht werden. Siemens öffnet seine Plattform für 3-D-Drucker Ärzten und Kliniken, die Ersatzteile benötigen. Während Unterstützung bei komplexen Geräten also gar nicht so einfach zu leisten ist, klappt das bei simpleren Produkten sehr gut.

Atemschutzmasken werden gerade im großen Stil von Unternehmen aus anderen Branchen hergestellt. Das gilt zum Beispiel für Mey und Trigema aus Baden-Württemberg, sonst bekannt für Unterwäsche und Poloshirts, aber auch für den Matratzenhersteller Wegerich aus Würzburg.

Crop Energies aus Mannheim produziert statt Ethanol für Treibstoff nun Neutralalkohol, der für Desinfektionsmittel gebraucht wird. Der Spirituosenhersteller Jägermeister und der Getränkeproduzent Berentzen halten es ähnlich.

Und dann ist da noch Bosch. Das Unternehmen ist normalerweise bekannt für Konsumgüter oder als Zulieferer für die Autoindustrie, hat aber auch eine Medizintechniksparte. Die hat zusammen mit Randox Laboratories nun ein Analysegerät für automatisierte Corona-Schnelltests entwickelt, das bereits von April an eingesetzt werden könnte. Das Gerät könne innerhalb von zweieinhalb Stunden zehn Atemwegserreger gleichzeitig diagnostizieren, heißt es. Man warte jetzt noch auf die Zulassung der Testkartuschen für den Covid-19-Erreger. Auch bei Bosch hat die Aufholjagd begonnen.

© SZ vom 27.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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