Automobilindustrie:Staatshilfen trotz Milliardengewinnen

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Die Zentrale von BMW in München. 84 Milliarden Euro verdiente BMW zwischen 2010 und 2019. (Foto: Florian Peljak)

Kurzarbeitergeld annehmen, Gewinne an die Aktionäre ausschütten, Prämien für Autokäufe fordern: Für viele passt das nicht zusammen. Die Auto-Manager sehen das anders.

Von Caspar Busse, Max Hägler und Christina Kramer, München

Von einer "Ausnahmesituation" ist im Einladungsschreiben der BMW AG an die Aktionäre die Rede. Aufgrund der Seuchengefahr wird die Hauptversammlung nicht wie üblich in der Münchner Olympiahalle stattfinden, sondern virtuell. Komplizierter wird das Abstimmungsverhalten an diesem Donnerstag sein bei dieser Internetversammlung - auch Beifall oder Unmut wird man wohl nicht mehr wahrnehmen können.

Dabei ist diese Zusammenkunft noch spannender als in den Jahren zuvor, als der Konzern bereits große Debatten hatte: über Dieselabgase, Elektromobilität und Digitalisierung. Doch nun ist wegen Corona der Autoabsatz eingebrochen, es geht an die Substanz. Am Jahresende dürften ein Viertel weniger Autos verkauft sein als im Vorjahr, bis zu 6000 Stellen werden wegfallen. Wie viel Staatshilfe braucht ein Unternehmen? Und darf es dann noch eine Gewinnausschüttung geben?

Volvo Trucks und Renault verzichten wegen Corona auf Dividendenzahlungen. Das sei man der Gesellschaft schuldig, heißt es in Frankreich. In Deutschland sieht man das ganz anders. Noch? Jedenfalls gibt es etlichen Widerstand aus allen Lagern gegen den Wunsch bei BMW: Dividende zahlen, Kurzarbeit für 30 000 Mitarbeiter in Anspruch nehmen und Finanzhilfe vom Staat für neue Autos. Bereits für den 19. Mai ist die Auszahlung von 1,65 Milliarden Euro an die Aktionäre vorgesehen, das meiste davon an die Großeigentümerfamilien Quandt und Klatten.

Wie verträgt sich das, fragte sich BMW-Chef Zipse selbst in der vergangenen Woche in einer Telefonkonferenz. Seine Antwort: Kurzarbeitergeld sei keine Staatshilfe, sondern eine Auszahlung von geleisteten Versicherungsbeiträgen. Und die Dividende sei eine Rückschau. Die jetzige Krise würde entsprechend die Ausschüttungen 2021 verringern. Was staatliche Kaufprämien - in der Diskussion sind bis zu 4000 Euro pro Neuwagen - anbelange: Das wären vor allem Investitionen in die Konjunktur; schließlich würden 80 Prozent eines Autos gar nicht von BMW produziert, sondern von Zulieferern. Diese würden profitieren von mehr Nachfrage. Und überhaupt: "Nicht wir fordern das, sondern wir fordern das für unsere Kunden", warb Zipse mit einem überraschenden Argument.

Doch ist das so? Zwei Drittel der Deutschen - also der potenziellen Kunden - scheinen generell gegen eine Kaufprämie, das zeigte jüngst eine ARD-Umfrage. Der Wirtschaftsflügel der Unions-Bundestagsfraktion plädiert ebenso gegen solche Konjunkturhilfen, will branchenübergreifende Unterstützung. Ebenfalls vehement gegen eine Unterstützung der Autoindustrie spricht sich Monika Schnitzer aus: "Ich sehe nicht, dass die Autokonzerne aktuell überhaupt Hilfe brauchen", sagte die Wirtschaftsprofessorin beim Club Wirtschaftspresse München. Sie gehört seit April dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) an, der die Bundesregierung maßgeblich berät. Trotz des Dieselskandals seien zuletzt hohe Gewinne erwirtschaftet worden, die Liquiditätslage gut. Wie jeder Bürger sollten die Unternehmen zunächst einmal ihre Notgroschen verwenden, und erst recht keine Dividenden ausschütten.

Tatsächlich hat sich die Liquidität bei BMW dank neuer Kreditlinien in der Krise sogar erhöht, von gut 14 Milliarden Euro auf knapp 19 Milliarden. Und tatsächlich sind die Gewinne enorm, wie eine SZ-Analyse von Bloomberg-Daten (operatives Ergebnis) zwischen 2010 und 2019 zeigt: BMW verdiente demnach 84 Milliarden Euro, Daimler 94 Milliarden, der Volkswagen-Konzern 100 Milliarden Euro. Das macht 277 Milliarden Euro, wovon zwischen einem Fünftel bis zu einem Viertel ausgeschüttet wurde an Aktionäre.

Selbst Stefan Bratzel, als Leiter des Auto-Instituts kein maßloser Branchenkritiker, sagt, der Gesellschaft sei nicht zu vermitteln, wie staatliche Kaufprämien und Dividendenausschüttungen zusammengehen sollen: "Auch ich halte davon gar nichts." Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, eigentlich interessiert an Dividenden, fragt: "Muss man in dieser Situation nicht eher sein Pulver trocken halten?" Also auf Ausschüttungen verzichten, um Notgroschen zu haben? Die Kritischen Aktionäre wiederum haben einen Gegenantrag eingereicht mit genau dieser Forderung. Und werden am Donnerstag gemeinsam mit Umweltschützern auch dafür demonstrieren vor der BMW-Zentrale. Mit wenigen Teilnehmern, wie sie sagen, der Corona-Lage angemessen.

© SZ vom 14.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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