Brics:Bekommt der Dollar bald Konkurrenz?

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Russlands Staatschef Wladimir Putin will mit den anderen vier Brics-Staaten eine gemeinsame Währung etablieren. (Foto: MARCO LONGARI/AFP)

Die Brics-Staaten fordern den Westen heraus - und diskutieren auch über eine eigene Währung. Sogar einen Namen gibt es schon. Russlands Staatschef Putin drängt, doch manche halten das Projekt für unrealistisch.

Von Victor Gojdka und Paul Munzinger, Berlin, Kapstadt

Als sich die Staats- und Regierungschefs der fünf Brics-Staaten am Donnerstag im Sandton Convention Centre in Johannesburg zur Pressekonferenz aufreihten, waren sie in Feierlaune. Sechs neue Mitglieder wird ihr Club im neuen Jahr aufnehmen, um gemeinsam die westlich geprägte Weltordnung abzulösen. Die Gruppe repräsentiert dann fast die Hälfte der Weltbevölkerung und mehr als ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung.

Doch Wladimir Putin war es wichtig, in der Stunde des Triumphs auch an ein Brics-Großprojekt zu erinnern, das im Gegensatz zur Expansion der Gruppe noch keine konkreten Formen angenommen hat: eine gemeinsame Währung. "Das ist eine herausfordernde Aufgabe", sagte Russlands Präsident per Videoschalte aus Moskau. "Doch wir werden uns trotzdem einer Lösung nähern."

Die Brics-Staaten arbeiten seit Jahren daran, die Vorherrschaft des US-Dollar auf den internationalen Märkten zu beenden. Eine eigene Währung wäre die maximale Eskalation dieses Übernahmeversuchs. International diskutiert wird sie seit Monaten unter zwei Arbeitstiteln: entweder einfach "Bric" oder "R5". Die Landeswährungen aller fünf Brics-Staaten, darauf spielt die Abkürzung an, beginnen mit dem Buchstaben R: Brasilien hat den Real, Russland den Rubel, Indien die Rupie, China den Renminbi und Südafrika den Rand.

Doch bislang fällt das Projekt Brics-Gemeinschaftswährung vor allem dadurch auf, dass es nicht vorankommt. Südafrikas Regierung hatte schon vorsorglich angekündigt, dass das Thema auf dem Gipfel in Johannesburg keine Rolle spielen werde. In der Abschlusserklärung bekräftigen die Brics-Staaten zwar ihre Absicht, ihre je eigenen Währungen im internationalen Handel zu stärken. Doch das Ziel einer gemeinsamen Währung wird nicht einmal erwähnt. Putins Aussagen vom Donnerstag lassen sich vor diesem Hintergrund als Aufforderung an die Welt und an die anderen Mitgliedstaaten verstehen, das Projekt nicht abzuschreiben. Doch wie realistisch ist es wirklich?

Wer den Furor der Länder verstehen will, muss bloß auf die Zahlen schauen. Während die Vereinigten Staaten selbst nur für zehn Prozent des Welthandels stehen, laufen fast 50 Prozent aller internationalen Zahlungen in Dollar. Tauschen Finanzprofis im Devisenhandel Währungen miteinander, steht der Dollar gar in 88 Prozent aller Fälle auf einer der beiden Seiten ( siehe Grafik). Für viele Kritiker ist der Dollar nicht nur Sinnbild für die Vereinigten Staaten, sondern auch für deren globale Vorherrschaft.

Wie sehr der Dollar für die Länder tatsächlich zum Problem werden kann, zeigt sich an den Erfahrungen Russlands und Chinas. So hat die russische Führung über die Jahre einen Milliardenschatz in Dollar aufgebaut, rund die Hälfte dieser Devisenreserven parkte oder investierte sie jedoch im Ausland. Als der Kreml den Krieg in der Ukraine begann, fror der Westen die Dollarbeträge kurzerhand ein - immerhin wohl rund 300 Milliarden Dollar.

China wiederum spürt gerade auf ganz andere Weise, wie schnell die globale Dominanz des Dollar zum Problem werden kann. Während die Zinsen auf dem Sparkonto in China nur unmerklich über zwei Prozent liegen, lässt sich bei einjährigen US-Staatsanleihen derzeit eine Rendite von mehr als fünf Prozent verdienen. Chinaexperten mutmaßen bereits seit einigen Wochen, dass vermögende Chinesen auch deswegen auf verschlungenen Wegen massenhaft Geld außer Landes bringen. "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem", wusste schon der einstige US-Finanzminister John Connally. Ein Bonmot, das die Finanzminister vieler Schwellenländer seitdem immer im Hinterkopf haben.

Während der Plan einer Dollaralternative griffig klingt und der mögliche Währungsname R5 sogar ziemlich konkret, birgt der Plan jedoch zahlreiche Fallstricke. Bislang sind die Währungen der fünf beteiligten Staaten nicht gerade für besondere Stabilität bekannt. Südafrikanischer Rand, brasilianischer Real und russischer Rubel verursachen an den Finanzmärkten immer wieder Kurskapriolen. Erst vor wenigen Tagen musste die chinesische Zentralbank ihre Landeswährung künstlich stützen, auch der russische Rubel verliert spätestens seit dem Marsch der Söldnertruppe Wagner gen Moskau deutlich an Wert. Fünf schwache Währungen zusammen würden also längst noch keine überlebensfähige Weltwährung formen, sind sich Devisenexperten sicher.

Um Stabilität zumindest zu suggerieren, könnten die Staaten jedoch für jede Währungseinheit ihrer Brics-Devise eine kleine Menge Gold hinterlegen. Das Edelmetall gilt schließlich seit Jahrtausenden als Stabilitätsanker und ist ein ausgesprochen seltenes Metall. Würde man alles Gold der Welt zu einem einzigen Block verschmelzen, wäre dieser Würfel gerade einmal 21 Meter lang und 21 Meter breit. Wie viel Gold die Brics-Staaten für diese Goldbindung einer möglichen Gemeinschaftswährung zusätzlich ankaufen müssten, lässt sich kaum beziffern. Die Kosten dürften jedenfalls unüberschaubare Milliardensummen betragen, die an anderer Stelle möglicherweise besser investiert wären.

Wie kompliziert eine neue Gemeinschaftswährung in der Praxis sein kann, zeigte nicht zuletzt das Beispiel des Euro. Allein die Planungsarbeiten verschlangen mehr als eine Dekade, direkt nach dem Start rutschte die Gemeinschaftswährung massiv ab - und kaum zehn Jahre nach ihrem Start drohte die Euro-Schuldenkrise, den mühsam aufgebauten Währungsraum wieder zu zerreißen. Während die einzelnen Staaten im Krisenfalle vorher ihre eigene Landeswährung abwerten konnten, mussten sie sich nun in eine einheitliche Notenbankpolitik einpassen. Die noch unterschiedlicheren Brics-Staaten unter dem Dach einer einheitlichen Währung zu versammeln, dürfte ungleich komplizierter sein.

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Dem Klub gehören bislang Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika an. Nun kommen zum 1. Januar Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, Ägypten und Äthiopien dazu.

Von Paul Munzinger

Russische Ölhändler bleiben auf ihren Rupien aus Indien sitzen

Statt einer eigenen Währung könnten die Staaten jedoch auch dazu übergehen, ihre bereits existierenden Landeswährungen stärker einzusetzen. China wickelt manche Ölgeschäfte mit Saudi-Arabien bereits in Renminbi ab, Indien wiederum bezahlt russisches Öl in heimischen Rupien. So einfach wie es scheint, ist jedoch selbst das nicht.

Seit Russland seinen Ölhandel mit Indien in Rupien abrechnet, steckt ein Teil des Geldes offenbar in Indien fest. Auf den Konten russischer Ölexporteure türmten sich im Mai Berichten zufolge Rupien im Wert von mehreren Milliarden Dollar, die niemand in russische Rubel tauschen wollte. Internationale Banken meiden das Geschäft wegen der westlichen Sanktionen, heimische Firmen in Russland dürften ebenfalls kaum Interesse an Rupien haben - schließlich handeln sie kaum mit Indien.

Nicht einmal der Erfinder des griffigen Brics-Kürzels gesteht den Währungsplänen der fünf Staaten sonderlich große Chancen zu. Der Investmentbanker Jim O'Neill hatte die Abkürzung beim US-Bankkonzern Goldman Sachs einst erdacht und damit den Grundstein für milliardenschwere Anlageprodukte gelegt. Für die Währungspläne der fünf Staaten hatte er kürzlich nur ein Wort übrig: "Lachhaft".

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