Bierpreise:Der helle Wahnsinn

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Ein Prosit der Gemütlichkeit? Das ist auch eine Frage des Preises. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

7,50 Euro für die Halbe? Keine Sorge. Einige Brauer geben schon Entwarnung. Andererseits: Das Verhältnis der Deutschen zum Bier bleibt hochemotional.

Von Michael Kläsgen

Nüchtern betrachtet war es in dieser an Wortspielen nicht armen Beziehung zwischen den Deutschen und ihrem Bier unausweichlich. Alles wird teurer, dieser Satz wurde so oft wiederholt, dass er sich längst zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung gewandelt hat. Warum also nicht auch das Bier?

"Beim Bier braut sich was zusammen", wusste die Lokalpresse schon vor Monaten. Die Bild-Zeitung komprimierte die vage Ahnung jetzt in eine Zahl, eine, die natürlich schockieren soll: 7,50 Euro für den halben Liter. Das kann zwar umgerechnet auf die Mass keinen Wiesn-Besucher in München umhauen, wo die 14 vor dem Komma an gut informierte Biertrinker bereits durchgesickert ist.

Der Zitatgeber für den vermeintlichen 7,50-Euro-Schocker kommt aber woanders her. Aus Berlin-Brandenburg, vom dortigen Brauereiverband und zwar vom Vizechef Stefan Fritsche. Der Mann spricht nicht nur von "Volksfest"-Preisen, sondern von stinknormalen Höchstpreisen "vor allem beim Fassbier in Biergärten, Kneipen und Restaurants", kurz: vom "teuersten Biergarten-Sommer aller Zeiten".

Wobei, für ihn ist das eine Utopie, also etwas, das laut Wörterbuch in der Vorstellung von Menschen (oder in diesem Fall wohl vor allem der des Brauers) zwar existiert, aber (noch) nicht Wirklichkeit ist. Oder doch? Hier und da sieht Fritsche seinen Traum schon realisiert: Der noch zu Jahresbeginn als "utopisch" geltende Bierpreis von 7,50 Euro für den halben Liter sei in ersten Schankbetrieben bereits durchbrochen, sagt er.

Für die Bild-Zeitung ist das "der helle Wahnsinn", ja, Wortspiel, zwinkerzwinker, hell, Helles. Und man muss kein Traumdeuter sein, um den Dreiklang von Inflation, Gierflation und Bierflation deutlich zu vernehmen. Aber nur als Präludium zum Brodeln der biergetränkten Volksseele.

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Denn Bierpreise und Bierseligkeit verhalten sich zueinander wie zwei miteinander kommunizierende Röhren und sind daher seit jeher ein Politikum. Man muss zum Beleg dafür nicht zurückgehen bis zum Dorfener Bierkrieg von 1910, der sich daran entzündete, dass die Brauer den vom Landtag in München beschlossenen Malzaufschlag an die Biertrinker weiterreichten. Bis vor wenigen Wochen noch waberte in Landshut der Ärger über die letztjährige Bierpreiserhöhung. Da kochte es richtig in den Röhren, die nur noch per Brandbrief kommunizierten. Weil der Bierpreis auf dem Volksfest gegenüber der Ausschreibung um einen Euro angehoben wurde - obwohl die Stadt dies explizit untersagt hatte. Der Preis stieg von 8,90 auf 9,90 Euro. Für eine Mass.

Was auch Aufschluss darüber gibt, dass erstens nicht der absolute Preis ausschlaggebend ist für den Siedepunkt der Emotionen, sondern offenbar eher das Tempo des Preisanstiegs. Und dass es zweitens wohl auch darauf ankommt, wo sich die Preise und wie stark erhöhen.

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In und um Göppingen und auch andernorts in Deutschland wird die Halbe jedenfalls vorerst nicht 7,50 Euro kosten. Die Chefs der beiden großen Brauereien dort warnen ihrerseits vor Alarmismus. Christoph Kumpf, der Geschäftsführer der Geislinger Kaiserbrauerei, meint: "Das wäre ja uferlos." Und Hans-Dieter Hilsenbeck von der Gruibinger Lammbrauerei kann sich das "jetzt so nicht vorstellen". Auch Bernd Sauer, Vorstandsmitglied beim Verein Bierland Oberfranken, gibt für seine Region Entwarnung: "7,50 Euro für ein Seidla? Das sind Fantasiepreise. Das wäre ja teurer als in Schweden." Die Profis verorten die 7,50-Euro-Halbe eher in großstädtischen Bars, Diskotheken und Chillout-Lounges.

Andererseits ist schon Bewegung gekommen in die Bierpreise, aus Gründen, die sich herumgesprochen haben: höhere Preise für Energie und Rohstoffe, beim Bier drohte sogar die Kohlensäure zu fehlen; und höhere Gehälter, es sei ihnen gegönnt, erhalten einige, die in Brauereien arbeiten, auch, zumindest die in Bayern. Die Tarifverhandlungen gingen gerade aus ihrer Sicht erfolgreich zu Ende.

Bier wird also tendenziell teurer, aber die Halbe nicht überall 7,50 Euro kosten, höchstens im Utopia einiger Brauer, einem Land der Fantasie. Es könnte vielmehr so sein, dass sich die Preise nach Angebot und Nachfrage richten, dies aber etwas Unterschiedliches bedeuten kann, je nachdem, ob man auf dem Oktoberfest ist oder im Getränkemarkt. "Das ist das Paradox", sagt Georg Schneider, Geschäftsführer von Schneider Weisse, "dass die Leute auf der Wiesn anstehen, um 14 Euro für die Mass zu zahlen, und ich krieg jedes Mal einen Shitstorm, wenn ich die Kiste im Supermarkt zehn Cent teurer mache." Dieses Paradox zeigt, wie elastisch Preise sind.

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