Bankenunion:Europa lohnt sich

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Die Aktie der Deutschen Bank ist seit Jahresanfang um 41 Prozent gestiegen, die der Commerzbank um 21. Ein Grund ist die abnehmende Regulierung. „Es gibt eine Trendwende“, sagt ein Investmentbanker. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Bundesregierung muss die europäische Einlagensicherung unterstützen. Sie ist gut für Europa - und für Deutschlands Sparer und Unternehmen.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Schnell gehen Dinge in Europa nicht voran. Es war im Dezember 1987, da schlug der damalige französische Finanzminister Édouard Balladur vor, eine "Zone mit einheitlicher Währung" zu schaffen. 14 Jahre später wurde der Euro in Verkehr gebracht. Hoffentlich wird der Vorstoß des heutigen deutschen Finanzministers Olaf Scholz schneller Realität. Er stellt in Aussicht, dass Deutschland einer europäischen Einlagensicherung zustimmen könnte. Eine solche Sicherung ist essenziell für ein stabiles Finanzsystem. Sie garantiert Sparern, dass sie das Geld auf ihrem Konto ausgezahlt bekommen. Das ist wichtig, falls die Banken wie in der Finanzkrise 2008 mal wieder in Turbulenzen geraten: Die Einlagensicherung schützt die Institute davor, dass alle Kunden auf einmal in die Filialen stürmen und plötzlich ihr Geld zurückfordern.

Die europäische Einlagensicherung ist ein wichtiger Teil der sogenannten Bankenunion, die Europa krisenfester machen soll. Kapital ist in Europa spätestens seit der Euro-Einführung keine nationale Angelegenheit mehr. Eigentlich darf sich Geld auf dem europäischen Binnenmarkt schon so frei bewegen wie Menschen oder Güter. Die Praxis allerdings sieht anders aus. Bankenbranche und Finanzaufsicht sind immer noch überwiegend in nationaler Hand. Das liegt auch daran, dass Deutschland eine europäische Einlagensicherung jahrelang blockiert hat.

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Dass Kapital in Europa nicht so frei ist wie die Menschen, klingt vielleicht in einem sozialistischen Tagtraum schön. Tatsächlich hat das aber große Nachteile. Der US-Kapitalmarkt ist entwickelter und deutlich größer als der europäische, obwohl auf unserem Kontinent mehr Menschen wohnen. US-Konzerne haben dadurch einen Wettbewerbsvorteil: Sie kommen leichter und billiger an Geld, um Investitionen zu finanzieren. Die amerikanischen Unternehmen schaffen somit mehr Arbeitsplätze, die Steuereinnahmen für den Staat sind höher. Europa muss hier aufholen.

In Deutschland warnen viele vor einer europäischen Bankenunion, weil sie befürchten, dass Steuerzahler und Banken hierzulande am Ende für ausländische Finanzinstitute haften müssten. Diese Argumentation ist jedenfalls in der hiesigen Finanzindustrie und bei CDU/CSU weit verbreitet. Aus der Union war nach Scholz' Vorstoß auch sofort Skepsis zu hören. Deutschlands Kapitalmarkt ist jedoch viel zu klein, um in der Welt zu bestehen. Um ihn größer und schlagkräftiger zu machen, muss er europäisch werden. Dafür braucht es die Bankenunion mit der Einlagensicherung.

Die Finanzindustrie hierzulande ist nicht auf Zack

Die deutsche Bankenbranche ist längst nicht so stark, wie ihre Verteidiger behaupten. Die Landesbanken haben sich unzählige milliardenschwere Skandale geleistet. Die größte Privatbank, die Deutsche Bank, hat auf dem Weltmarkt keine Chance mehr. Die teilverstaatlichte Commerzbank dümpelt vor sich hin. Sparkassen und Volksbanken sind zwar in der Summe vergleichsweise stabil, doch falls gleich mehrere Institute in Not gerieten, würden ihre eigenen Sicherungssysteme womöglich nicht ausreichen.

Auch bei den Leistungen ist die deutsche Finanzindustrie nicht auf Zack. Unternehmen und Sparer müssen mehr zahlen und bekommen dafür weniger. Wenn die deutsche Finanzindustrie Geld im Ausland investiert, kommt im Durchschnitt eine niedrigere Rendite heraus als in Italien, Frankreich oder den USA. In Nordamerika sind auch die Kosten für das Finanzprodukt ETF niedriger, manche Anbieter werben mit null Prozent Gebühren um Anleger. Das erhöht die Rendite der Sparer und damit den Wohlstand.

Der Vorstoß von Finanzminister Scholz ist daher richtig. Er gibt natürlich nicht alle bisherigen Überzeugungen der Bundesregierung auf, dann bestünde gar keine Chance mehr, dass die Union mitzieht. Und er stellt Bedingungen, die für die anderen Länder zu weit gehen könnten. Insofern ist der Beitrag auch nur ein Vorstößchen.

Scholz' Modell sieht lediglich eine Rückversicherung vor, die einspringen würde, wenn alle nationalen Reserven erschöpft sind. Er verlangt, dass Europa einheitliche Insolvenzregeln für Banken bekommt. Das ist sinnvoll, dürfte aber in Rom auf Widerstand stoßen. Zudem verknüpft er sein Angebot damit, dass die Steuern für Konzerne in Europa stärker harmonisiert werden sollten, wenigstens für Banken. Bislang entscheiden die Mitgliedsstaaten, was als zu versteuernder Gewinn zählt. Das werden harte Verhandlungen in Europa. Aber es ist besser, dass überhaupt wieder darüber gesprochen wird. Nichts zu tun, ist keine Option. Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt.

© SZ vom 07.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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