Auslandsinvestitionen:Wir sind die Doofen

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Kein Land der Welt investiert so viel Geld im Ausland wie die Deutschen. Leider sind wir mit die schlechtesten darin, das Geld dann zu vermehren, zeigt eine ökonomische Analyse. Warum bringt deutsches Kapital im Ausland so wenig Rendite?

Von Bastian Brinkmann, München

Die Welt ist ein unfairer Snickers-Automat. Der eine Kollege wirft einen Euro ein und bekommt einen Schokoriegel. Der andere Kollege bekommt aber immer zwei Snickers, auch wenn er nur einen Euro einwirft. Doppelt so viel Nougat-Erdnuss für das gleiche Geld - das ist nicht gerecht. Und sollte in einem reinen marktwirtschaftlichen System eigentlich auch nicht passieren: Der Kollege mit zwei Snickers würde seinen zweiten Riegel ja direkt günstiger an den anderen Kollegen weiterverkaufen, und der würde nie wieder Geld in den Automaten stecken. Was für Schokoriegel abwegig klingt, ist allerdings genau das, was mit dem deutschen Auslandsvermögen passiert, sagt der Bonner Ökonom Moritz Schularick. Die Deutschen sind die Gelackmeierten: Während andere Länder zwei Snickers für ihr Auslandskapital bekommen, erhalten die Deutschen nur einen.

Schularick erzählte die Snickers-Metapher bei einem Vortrag im Ifo-Institut in München. Die Präsentation basierte auf einem viel beachteten Papier, das Schularick zusammen mit Franziska Hünnekes (LMU München) und Christoph Trebesch (IfW Kiel) geschrieben hat. Die Forscher wollten herausfinden, ob der angelsächsische Spott stimmt, dass deutsche Investoren sich oft Schrott andrehen lassen, den an den Finanzmärkten eigentlich keiner mehr will. Händler kennen das Phänomen unter dem nicht so netten Spruch "Stupid German Money".

Deutschland exportiert nicht nur viele Waren in die Welt, sondern auch Kapital. Deutschland hat in den vergangenen Jahren Hunderte Milliarden Euro ins Ausland investiert, mit Abstand so viel wie keine andere Nation auf der Welt. Zu Auslandsinvestitionen gehören allerlei Dinge: wenn ein deutscher Konzern in ein ausländisches Unternehmen investiert, wenn ein Sparer ausländische Anleihen und Aktien kauft und wenn eine Bank einem ausländischen Käufer Kredit gewährt.

Die USA erzielen eine doppelt so hohe Rendite wie Deutschland. Das summiert sich zu vielen Milliarden

Deutschland benutzt das Ausland wie ein Sparbuch, sagte Schularick. Leider ist die Bilanz dieses Sparbuchs grottig. Zwischen 1999 und 2017 erreichten alle deutschen Auslandsinvestitionen ihren Berechnungen zufolge nur eine Rendite von 2,24 Prozent, wenn man die Preissteigerung berücksichtigt. Die USA schaffen 5,75 Prozent, Kanada 3,01 Prozent, Frankreich 2,62 Prozent. Unter den G-7-Staaten erreicht Deutschland den schlechtesten Wert.

Hätten Deutsche so angelegt wie Amerikaner, Kanadier oder Franzosen, wären wir jetzt deutlich reicher. Es wäre wohl auch profitabler gewesen, stattdessen im Inland zu investieren: Aktien, Anleihen und Immobilien in Deutschland haben über die Jahrzehnte mehr Rendite gebracht als die Auslandsinvestitionen.

Nun gibt es auf den Finanzmärkten immer Gewinner und Verlierer. Aber Schularick und Kollegen können statistisch nachweisen, dass die deutschen Verluste kein Zufall sind. Sie sind systemisch. Der Spruch der Finanzhändler stimmt also: Deutsches Geld ist doof. Warum bekommen wir das nicht besser hin?

Zwei verdächtige Faktoren: Andere Länder stecken beispielsweise mehr Kapital in Direktinvestitionen sowie in Aktien- und Investmentfonds. Außerdem könnte der Euro eine Rolle spielen. Beides hat jedoch keine großen Auswirkungen. Die Differenz bei der Rendite liegt vor allem daran, dass die Deutschen im Durchschnitt in Projekte und Produkte investieren, die nicht so dolle laufen, auch das lässt sich statistisch zeigen.

Warum das so ist, ist noch unklar, mögliche Ursachen stehen zur Debatte. Da ist zum einen der deutsche Bankenmarkt, der ziemlich anders aussieht als in anderen Ländern. Hierzulande spielen Sparkassen und Landesbanken eine starke Rolle, derweil gibt es nur anderthalb große Privatbanken, wenn man die Deutsche Bank und die Commerzbank mal so zusammenfasst. Außerdem ist die Finanzkultur in Deutschland eine andere als beispielsweise in den USA, wo Banker und Finanzwissenschaftler in der Regierung ein- und ausgehen. Das ist alles aber nicht leicht zu messen. Die Fehlersuche ist noch nicht abgeschlossen.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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