Staatskonzern:Massive Kritik an neuem Bahn-Kredit

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Die Deutsche Bahn hat schon jetzt mehr als 30 Milliarden Euro Schulden - Tendenz steigend. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die Schuldenlast des Staatskonzerns ist schon jetzt immens. Und sie soll weiter steigen, weil die Ampel nicht genug Geld für die Sanierung hat. Der Aufsichtsrat-Vizechef ist besorgt - und selbst die Konkurrenz ist alarmiert.

Von Klaus Ott

Wenn die ohnehin schon hoch verschuldete Deutsche Bahn (DB) zusätzliche Schulden in Milliardenhöhe macht, dann sollte Martin Burkert das eigentlich als einer der Ersten erfahren. Aber nicht, weil Burkert Chef der Bahngewerkschaft EVG ist. Sondern weil der Bahngewerkschafter auch dem Aufsichtsrat des Staatsunternehmens DB angehört und Vizechef des Kontrollgremiums ist.

Burkert war in dieser Woche aber ziemlich überrascht, als die Bundesregierung plötzlich verkündete, dass die Bahn für die Sanierung des Schienennetzes neue Schulden in Höhe von gleich drei Milliarden Euro machen werde. Davon hatte der Vizechef des Aufsichtsrats nichts gewusst. Burkert findet es auch "nicht unproblematisch, wenn wir weiter in die Verschuldung gehen". Da werde man im Aufsichtsrat "fragen müssen", wie das gehen solle.

EVG-Chef Martin Burkert sitzt im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und war überrascht über die zusätzlichen Schulden des Staatskonzerns. (Foto: dts Nachrichtenagentur/IMAGO)

Die Schuldenlast des Staatsunternehmens beträgt schon jetzt mehr als 30 Milliarden Euro, was der Bundesrechnungshof vehement kritisiert. Die Verschuldung des Bahnkonzerns sei "immens und schränkt den Handlungsspielraum ein", rügte der Rechnungshof in einem Prüfbericht vom März 2023. Die Bahn entwickele sich zu einem "Fass ohne Boden".

Die Bahn soll damit das ausgleichen, was die Koalition nicht hinbekommen hat

Dass der Staatsbetrieb trotz seiner schlechten Kassenlage jetzt noch zusätzliche Schulden in Milliardenhöhe machen soll, lässt sich politisch leicht erklären. Die Bahn braucht nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren 45 Milliarden Euro zusätzlich, um das jahrzehntelang vernachlässigte und teilweise marode Schienennetz zu sanieren. Diese 45 Milliarden Euro hat die Berliner Ampelkoalition der Bahn im Frühjahr auch versprochen. Einstweilen sicher sind derzeit aber nur 24 Milliarden Euro.

Das bedeutet, der große Rest muss irgendwie zusammengekratzt werden. Notfalls eben auch mit neuen Schulden der Bahn. So hat es die Bundesregierung jetzt verkündet. Zusätzlich zu den 24 Milliarden Euro erbringe die Bahn "darüber hinaus einen Eigenbeitrag von drei Milliarden Euro - den sie über einen Kredit am Kapitalmarkt finanziert". Kredite sind nichts anderes als neue Schulden.

Die Bahn soll damit das ausgleichen, was die Koalition nicht hinbekommen hat. Ursprünglich sollten nämlich aus dem Staatshaushalt und aus dem Klimafonds einstweilen an die 27 Milliarden Euro in das Schienennetz fließen, jetzt sind es nur 24 Milliarden Euro. Den fehlenden Rest soll die Bahn selbst beisteuern. Und selbst dann sind da immer noch 18 Milliarden Euro offen, um auf die 45 Milliarden zu kommen. Was aus Sicht von Vize-Aufsichtsratschef Burkert die Sanierung des Schienennetzes ungemein erschwert. "Wir können ja nicht ins Blaue hinein planen und sagen, das Geld wird schon irgendwoher kommen."

Der Rechnungshof warnt vergeblich vor immer mehr Schulden

Auch Mofair, der Verband der privaten Eisenbahnen, ist besorgt. Mofair-Geschäftsführer Matthias Stoffregen spricht von einer "undurchsichtigen" Finanzierung. Die Aussage der Regierung, die Bahn werde eben drei Milliarden Euro neue Schulden machen, sei "irritierend". Wie könne dem Staatsunternehmen "eine derartige Schuldenlast aufgebürdet werden"?, fragt Stoffregen. Bis Ende des Jahres könnte die Bahn Schulden von rund 40 Milliarden Euro angehäuft haben. Ob denn "inzwischen jede Schuldenobergrenze des DB-Konzerns außer Kraft gesetzt" sei, will der Vertreter der privaten Eisenbahnen wissen. Auch die brauchen, damit ihre Züge pünktlich fahren, ein funktionierendes Schienennetz.

Ein schneller Schuldenabbau bei der Bahn ist nicht in Sicht. Die Bundesregierung und die Bahn bereiten zwar den Verkauf der international agierenden Logistik-Tochter Schenker vor. Schenker ist profitabel, das könnte einen hohen Milliardenbetrag in die Kasse der Bahn bringen. Dem Vernehmen nach setzt die Regierung aber darauf, dass die Bahn den Schenker-Erlös dann nicht zum Schuldenabbau verwendet, sondern in diese und jene Projekte investiert. Das könnte der Regierung helfen, die 45 Milliarden Euro für die Sanierung des Schienennetzes irgendwie zusammenzubekommen.

Der Bundesrechnungshof (BRH) warnt derweil vergeblich, dass die Verschuldung der Bahn "weiter besorgniserregend" zunehme. Im Prüfbericht vom März rechnete der BRH vor, dass die Schuldenlast der Bahn seit 2016 um fast zehn Milliarden Euro gestiegen sei. Das seien im Durchschnitt rund fünf Millionen Schulden mehr pro Tag gewesen. Wie man das "konkret und langfristig in den Griff bekommen" wolle, habe das Bundesverkehrsministerium offengelassen.

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