Autoindustrie:Wenn Firmen reden, kann es schnell heikel werden

Key Speakers At Handlesblatt Automotive Summit

VW-Chef Matthias Müller, BMW-Chef Harald Krüger und Daimler-Chef Dieter Zetsche: Wie viel Absprache ist erlaubt?

(Foto: Bloomberg)
  • Absprachen sind für Unternehmen rechtlich betrachtet eine Gratwanderung.
  • Die Vorschriften sind so eng, dass etwa der Automobilverband eine Broschüre zu dem Thema herausgegeben hat.

Von Caspar Busse, Thomas Fromm und Wolfgang Janisch

Was ist ein Kartell? Was ist erlaubt und was nicht? Wann ist ein Treffen oder eine Absprache zwischen Unternehmen eine normale Begebenheit und wann ein verbotenes Kartell? Diese Fragen drängen sich auf nach den Kartellvorwürfen gegen die fünf großen deutschen Autobauer VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW. Fest steht: Die Abgrenzung ist nicht immer ganz leicht.

Zwölf Seiten hat die kleine Broschüre vom Verband der Automobilindustrie (VDA). "Leitfaden Kartellrecht", lautet die Überschrift, darunter steht: "Handreichung für unsere Verbandsarbeit." Die Lobbyvereinigung aus Berlin, in der Autohersteller und -zulieferer organisiert sind, erklärt darin ausführlich, wie bei den vielfältigen Zusammenkünften der Mitgliedsunternehmen kartellrechtlich bedenkliches Verhalten vermieden werden kann - ein Leitfaden also, "zum Schutz des Verbandes und seiner Mitglieder".

Ausnahmen: Verbraucherschutz und Normierungen

Ein Kartell besteht, wenn Unternehmen oder Wirtschaftsverbände Übereinkünfte treffen, "die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken". Diese sind nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) in Deutschland verboten, genauso wie die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Doch wann ist das der Fall?

"Natürlich dürfen Unternehmen miteinander reden", heißt es aus dem Kartellamt. Es gebe auch Ausnahmeregelungen, etwa, bei Fragen der Normierung oder des Verbraucherschutzes. Wenn die Hersteller sich beispielsweise darauf verständigen, ihre Motoren mit einer automatischen Begrenzung der Geschwindigkeit bei 250 Stundenkilometern zu versehen, dann ist das zwar eine gewisse Beschränkung des Wettbewerbs, die aber durch Sicherheitsaspekte gerechtfertigt wäre. Im Zweifel werde jeder Einzelfall geprüft.

Der VDA betont, der Begriff "Wettbewerb" sei durchaus weit auszulegen. Und: "Wettbewerbliche Relevanz ist gegeben, wenn der gegenseitige Austausch entsprechender Informationen, deren einseitige Offenlegung oder Diskussionen der Verbandsmitglieder hierüber die Unsicherheit über das gegenwärtige oder künftige Marktverhalten der Wettbewerber verringert oder aufhebt." Genau dies könnte in den vielfältigen Treffen der fünf Autobauer, übrigens außerhalb der üblichen VDA-Mitgliedersitzungen oder der Zusammenkünfte auf Automessen, geschehen sein. Offenbar sind den Juristen der einzelnen Konzerne auch Bedenken gekommen.

Auch deshalb sollen die fünf Unternehmen bereits im Januar beschlossen haben, ihre eigenen Gremienaktivitäten auf einen Vorschlag des Daimler-Konzerns hin zurückzufahren und diese nur noch im Rahmen der üblichen VDA-Treffen zu organisieren, für die auch die Leitlinien gelten. "Vorgespräche mit den Herstellern haben bereits begonnen", heißt es. Grund seien nicht nur die hohen Kosten gewesen, die durch doppelte Gremienarbeit entstünden. Auch hätte man sich durchaus gefragt: Wo hört legale Kooperation auf, wo fängt Kartellbildung an? Spätestens seit den Selbstanzeigen von Daimler und VW sei klar gewesen, dass man jedes Risiko ausschalten wollte.

Der VDA ist sich dagegen der Kartellproblematik durchaus bewusst und hat detailliert eine Reihe unzulässiger Themen für Sitzungen von Verbandsmitgliedern aufgelistet. Dazu gehören Informationen und Absprachen über Preise und Preisstrategien, Liefer- und Zahlkonditionen mit Kunden und Lieferanten, aber auch "Informationen zu Unternehmensstrategien und künftigem Marktverhalten".

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