Tourismus:Warum Italien 780 Millionen Euro von Airbnb haben will

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Italien ist bei Touristen begehrt und auf der Airbnb-Plattform besonders stark vertreten. (Foto: imago images / penofoto)

Die italienischen Behörden werfen der Vermittlungsplattform für Ferienunterkünfte Steuerhinterziehung vor - und wollen ungewöhnlich viel Geld. Das ist Teil eines größeren Streits.

Von Lea Hampel

Von 46 Euro für eine Nacht bei Giuseppe in Carpineto Sinello bis zu 993 Euro für die Villa von Floriana in Collazzone - wer in Italien übernachten will, hat auf der Plattform Airbnb eine riesige Auswahl. Allein mehr als 1000 Angebote gibt es für die Nacht von diesem Dienstag auf den morgigen Mittwoch. Das könnte sich bald ändern. Wie am Montag bekannt wurde, will die Mailänder Staatsanwaltschaft von der Vermietungsplattform Airbnb exakt 779 453 912 Euro beschlagnahmen. Die Begründung der Finanzpolizei: Airbnb habe Steuerhinterziehung begangen. Das Unternehmen habe die Steuer für eingenommene Vermietungsgebühren in einer Höhe von etwa 3,7 Milliarden Euro nicht bezahlt. Der Betrag bezieht sich auf die Jahre 2017 bis 2021. Nach einem 2017 in Kraft getretenen Gesetz wäre der Konzern dazu verpflichtet gewesen, 21 Prozent der Gebühren einzubehalten und an den Staat abzuführen, hieß es von Seiten der italienischen Staatsanwaltschaft. Airbnb hatte gegen das italienische Gesetz geklagt, aber im Dezember 2022 vor dem Europäischen Gerichtshof verloren.

Gut möglich, dass Italien ein Exempel statuieren will. Zu den Regelungen aus dem Jahr 2017 kam in diesem Jahr in Italien ein neues Gesetz dazu, nach dem Ferienwohnungen insbesondere in den Großstädten Mailand und Rom nicht nur für eine Nacht vermietet werden dürfen. Die Regierung Meloni hat zudem angekündigt, die Steuer von 21 auf 26 Prozent erhöhen zu wollen.

Der Umgang mit Ferienwohnungsanbietern ist in dem beliebten Reiseland ein großes Thema, insbesondere seit die pandemiebedingten Reisebeschränkungen aufgehoben wurden. Italien ist eines der Länder mit der höchsten Zahl an angebotenen Unterkünften auf der Plattform. Viele Italiener vermieten freie Zimmer oder Wohnungen, um sich in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten etwas dazuzuverdienen - eine Variante, für die viele Menschen Airbnb schon immer genutzt haben, wie Gründer Nathan Blecharczyk im September im SZ-Interview erzählt hat. Zudem haben aber kommerzielle Anbieter das Geschäft für sich entdeckt. Bei zahlreichen Angeboten findet sich der Vermerk "gewerblicher Vermieter". Aber nicht nur die Nutzung von Airbnb ist in Italien weit verbreitet, auch Anbieter wie "iflat" helfen Privatpersonen bei der Vermietung, und auf der Plattform "fewo direkt" sind mehr als 3000 Unterkünfte inseriert.

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Die Problematik, die Italien bekämpft, gibt es in vielen Großstädten: Da so viele Wohnungen kommerziell genutzt werden, steigen die Mieten, und die eigentlichen Bewohner können sich diese nicht mehr leisten. Deshalb gibt es bereits in zahlreichen Städten genaue Vorschriften dazu, wie viel und lang überhaupt vermietet werden darf, aber auch dazu, wie viel Vermieter abführen müssen. In München sind acht Wochen im Jahr erlaubt, in Paris beträgt die Maximalvermietungszeit für eine Wohnung pro Jahr 120 Tage, eine eigene Einheit der Stadtverwaltung fahndet nach illegalen Vermietungen. In London darf ein Zimmer oder eine Wohnung maximal 90 Tage auf Airbnb angeboten werden, in Amsterdam sind es sogar nur 30 Tage. In New York gilt seit September dieses Jahres das "Local Law 18" für Vermietungen unter 30 Tagen, das in Branchenkreisen als "de-facto-Verbot" von Airbnb gesehen wird. Unter anderem müssen sich Gastgeber registrieren, dürfen nicht an mehr als zwei Gäste gleichzeitig vermieten, und der Gastgeber muss zum Beginn der Vermietung physisch anwesend sein.

Airbnb musste Vermieterdaten an deutsche Finanzämter herausgeben

Auch steuerrechtlich gehen nicht nur die italienischen Behörden gegen das Vermietungsgeschäft vor. In Deutschland sollen künftig Tausende Airbnb-Vermieter wegen nicht gezahlter Steuern belangt werden. Insbesondere in der Hansestadt Hamburg wird seit rund drei Jahren genauer hingeschaut. Das Finanzamt der Stadt hatte - gemeinsam mit anderen Finanzämtern bundesweit - schon im Jahr 2020 erwirkt, dass Airbnb Vermieterdaten herausgeben musste. Die Daten von rund 8000 Vermietern hatten vier Millionen Euro Steuereinnahmen gebracht. In diesem Sommer sollen erneut 56 000 Datensätze abgefragt worden sein.

Trotz dieser Entwicklungen über Jahre zeigte man sich bei Airbnb erschüttert: "Wir sind überrascht und enttäuscht über die angekündigte Aktion", sagte Airbnb-Direktor Christopher Nulty am Montag. "Wir sind überzeugt, dass wir in voller Übereinstimmung mit dem Recht gehandelt haben."

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