Adler Immobilien:Die Kontrolleure beißen zu

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"Daran haben zu viele zu lange zu gut verdient", sagt Bafin-Chef Mark Branson zu den hohen Kosten bei Lebensversicherungen. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Nach dem Wirecard-Debakel versprach Olaf Scholz eine Aufsicht mit mehr Biss. Jetzt legt sich die Bafin mit dem Immobilienkonzern Adler an - es ist der erste Prüfstein für die neu organisierte Bilanzkontrolle.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt, und Stephan Radomsky, Frankfurt/München

Geht es um Mut, denken die meisten wohl an Ritter, an Fallschirmspringer, vielleicht auch an die ukrainischen Soldaten, die sich der russischen Übermacht entgegenstellen. Mark Branson aber denkt bei Mut an: seine Leute. Der neue Chef der Finanzaufsicht Bafin wünscht sich mutige Beamte, die sich auch mal so richtig mit Banken und Konzernen anlegen. "Wir dürfen uns nicht scheuen", sagte er zuletzt im SZ-Interview, "Entscheidungen zu treffen, für die man nicht immer geliebt wird." Eine härtere Gangart, soll das wohl heißen, stehe der oft als handzahm wahrgenommenen Behörde ganz gut an.

Und die neue Kampfeslust der Bafin-Beamten ist gerade fast täglich zu beobachten. Warnmeldungen zu einzelnen Unternehmen oder Bußgeld-Ankündigungen gibt es bisweilen im Stundentakt. Seit Jahresbeginn obliegt der Behörde auch die Bilanzkontrolle von 520 börsennotierten Unternehmen in Deutschland - und anders als früher kann sie seitdem auch freigiebiger auf Verfehlungen hinweisen. Das erlauben die reformierten Regeln und so will es auch der zuständige Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch.

Was das konkret bedeutet, wurde in dieser Woche deutlich. Die Aufseher suchen offen die Konfrontation mit einem der großen Immobilienkonzerne, stellen unsaubere Bilanzen fest und sagen das auch ganz deutlich: Seht her, hier wird mit falschen Zahlen operiert.

Konkret geht es um eine wichtige Tochter der Adler Group, eines verschachtelten Immobilienkonglomerats mit Sitz in Luxemburg und Notierung im S-Dax. Sie habe sich ein großes Entwicklungsprojekt in Düsseldorf schöngerechnet, teilte die Bafin mit. Das "Glasmacherviertel" im Stadtteil Gerresheim sei mit bis zu fast einer Viertelmilliarde Euro zu hoch bewertet worden, die geprüfte Bilanz der Adler Real Estate AG für 2019 somit "fehlerhaft". Und: Es sei das erste Mal, dass die Behörde eine solche Teil-Fehlerfeststellung veröffentliche, die Prüfung gehe aber noch weiter. Der wohl gewünschte Effekt folgte prompt: Die Aktie des Mutterkonzerns Adler Group rutschte auf ein neues Rekordtief, ungeachtet der Ankündigung aus Luxemburg, man werde den Bescheid der Aufseher umgehend juristisch anfechten.

Undurchsichtige Deals und eine "teilweise byzantinische Struktur"

Die Bafin untersucht also nicht mehr im Stillen so lange vor sich hin, bis es zu spät ist und Anleger alles verloren haben. Es darf jetzt auch mal schneller gehen. Wobei das mit der Geschwindigkeit durchaus relativ ist. Die Vorwürfe rund um Adler - aufgeblähte Bilanzen und dubiose Deals - stammen aus dem vergangenen Herbst, seither hatte die Aktie bereits weit mehr als drei Viertel an Wert verloren. Auslöser war ein Report des berüchtigten britischen Leerverkäufers Fraser Perring. Bereits damals stand das "Glasmacherviertel" in Gerresheim im Zentrum der Vorwürfe, zusammen mit einem Mann namens Cevdet Caner.

Der Österreicher, so Perrings Vorwurf, bekleide bei Adler zwar keine offizielle Rolle, ziehe aber im Hintergrund die Fäden - zu seinem Vorteil und dem einiger Geschäftspartner, auf Kosten von Aktionären und Gläubigern. Beim - nach Einschätzung der Bafin unrealistisch überteuerten - Verkauf des Projekts in Düsseldorf habe Caner zudem als Vermittler gewirkt. Als vermeintlicher Käufer trat damals sein Schwager auf, kurze Zeit später wurde der Deal dann rückgängig gemacht. Das "Glasmacherviertel" aber blieb zum damals vereinbarten Preis in den Büchern.

Sowohl Adler als auch Caner widersprachen den Vorwürfen stets vehement, Adler beauftragte sogar die Wirtschaftsprüfer von KPMG mit einer Sonderuntersuchung. Die allerdings fiel wenig schmeichelhaft aus: Es habe schwere Versäumnisse bei Adler gegeben, Geschäfte seien mangelhaft überwacht und dokumentiert worden. Selbst der neue Verwaltungsratschef Stefan Kirsten sprach von einer "teilweise byzantinische Struktur, in der Adler tätig war und tätig ist". Bei KPMG sah man sich denn auch außerstande, die Vorwürfe restlos zu verwerfen, auch nicht in Sachen "Glasmacherviertel" - und verwehrte dem Konzern in der Folge das Testat für die Bilanz 2021.

Nun also der nächste Schlag, diesmal von amtlicher Stelle. Als bundesdeutsche Behörde kann die Bafin allerdings nur deutsche Unternehmen prüfen. Die Adler Group aber hat ihren Sitz in Luxemburg, für sie ist die dortige Aufsicht zuständig. Dabei wurden immer wieder Deals zwischen der Mutter und ihren Töchtern abgewickelt, zuletzt beispielsweise gewährte die Adler Real Estate der Adler Group einen Kredit und kaufte ihr ein Wohnungsportfolio ab.

Schlechte Erinnerungen an Wirecard

Der scharfe Umgang mit Adler ist auch insofern kein Zufall, als die Wirecard-Affäre noch fortwirkt. Mit dem Untergang des Zahlungsdienstleisters im Sommer 2020 sah die Bafin nicht gut aus. Von Versäumnissen bei der Kontrolle der konzerneigenen Wirecard-Bank über zweifelhafte Rechtsmeinungen bei der Einstufung des Wirecard-Konzerns als Finanzdienstleister bis hin zum halbherzigen Umgang mit dem damals zweistufigen Bilanzkontrollverfahren wurde offensichtlich, dass Behörde und Gesetz ein Update brauchen.

Damals musste die Bafin bei Zweifeln an einer Bilanz erst die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) anrufen, deren Verfahren sich regelmäßig hinzogen. Über den Auftrag durfte die Bafin nicht sprechen, und erst mit dem Ergebnis der Prüfung wurde die Behörde selbst tätig. Damit räumte noch die große Koalition auf, die DPR ging in der Bafin auf, und der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) versprach eine "Aufsicht mit Biss".

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die amtliche Bilanzkontrolle ist ein nachgelagerter Prozess - die Bafin legt erst los, wenn die Abschlussprüfer ihren Job gemacht haben. Aber, immerhin geht sie Hinweisen nach. Und schon beim kleinsten Zwischenergebnis verschickt sie entsprechende Mitteilungen. Im Vergleich zu früher wirkt das ziemlich mutig.

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