Finanzminister Scholz in Fukuoka:Die G-20-Debatte gefährdet Deutschlands Wohlstand

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Deutsche Autohersteller exportieren mit großem Erfolg. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Die G-20-Staaten diskutieren eine globale Steuerreform. Sie könnte dazu führen, dass die deutschen Exportunternehmen hierzulande weniger zahlen.
  • Das will Finanzminister Olaf Scholz beim G-20-Treffen in Japan verhindern.
  • Der Abgang von Parteichefin Nahles belastet Scholz. Durch die Regierungsarbeit versucht er, das auszugleichen.

Von Cerstin Gammelin, Fukuoka

Es geht um deutsche Interessen im globalen Wandel: Finanzminister Olaf Scholz ist am Freitag im japanischen Fukuoka angekommen, um über Pfingsten im Kreise der G-20-Finanzminister über Handelskrieg, Mindeststeuern und Italien zu verhandeln. Scholz will dort vor allem eines verhindern: Das globale Steuersystem soll nicht so umgebaut werden, dass deutsche Unternehmen irgendwann nicht mehr Steuern am Firmenhauptsitz, also in Deutschland, zahlen. Sondern dort, wohin sie ihre Autos und Maschinen verkaufen: im Ausland. Das würde das Ende des deutschen Exportmodells bedeuten. Manche sagen: der Gau. Scholz ist also auf wichtiger Mission.

Scholz fügt sich tapfer in sein Amt als Bundesfinanzminister. Wenn er redet, referiert er seine Steueraufgabe. "Wir werden hier wichtige Gespräche führen, wie man vermeiden kann, wie sich große Unternehmen der Steuerzahlung entziehen".

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Freitagabend geht es los, mit einem Treffen mit den Kollegen aus den USA, Frankreich und Großbritannien. Eine Runde von Verbündeten, müsste man meinen. Nicht so in Steuersachen. Frankreich hat lange für eine Digitalsteuer geworben, die Unternehmen wie Facebook oder Google treffen soll. Deutschland möchte keine Digitalsteuer. Frankreich führt sie nun ein, Großbritannien ebenso. Weil es dabei vor allem um Steuerforderungen an US-Konzerne geht, sind die USA darüber nicht erfreut.

Scholz hat versucht, das Problem irgendwie aufzulösen und vor längerer Zeit vorgeschlagen, eine Minimumsteuer einzuführen: Er will, dass alle Unternehmen in allen Ländern mit einem minimalen Steuersatz belegt werden. Freitagabend in Fukuoka bekräftigen die Finanzminister der vier Staaten, am nächsten Tag gemeinsam dafür zu werben. "Es gibt einen stetig voranschreitenden Konsensus", sagt Scholz.

Samstagfrüh sitzt Scholz auf der Steuerkonferenz der G-20-Minister und mahnt, dass man jetzt handeln müsse. Er hat zuvor - vorsichtig und typisch Scholz - von einer "Entscheidungsreife" im nächsten Jahr gesprochen. In Fukuoka hat es kurz den Anschein, es könnte auch schneller gehen. Vor Scholz' Auftritt auf der Steuerkonferenz haben die Kollegen vom Vorabend enorm Druck gemacht. Dieses Jahr noch soll man sich einigen in der Steuersache, fordern der Franzose Bruno Le Maire und der Amerikaner Steven Mnuchin. Man weiß ja, wie lange es dauert, internationale Vereinbarungen zu treffen.

Aber: In Fukuoka sind keine Beschlüsse geplant. Und ob Scholz beim nächsten G-20-Treffen noch Bundesfinanzminister ist, darauf mag man auch nicht wetten. Auch wenn er natürlich dafür kämpft.

Denn wenn man Scholz trifft, stellt sich natürlich auch die Frage: Wie steht er zur Lage der SPD? Sobald die Rede auf seine Sozialdemokraten kommt, wird der Hanseat emotional. Wie weit er sich von Berlin entfernt fühle? Er wehrt ab: "Es geht jetzt darum, Arbeit für unser Land zu leisten". Regierungsmitglieder geben auf Flugreisen in Hintergrundgesprächen den mitreisenden Journalisten einen Einblick, was sie planen, das ist üblich. Aus diesen Gesprächen darf nicht zitiert werden. Nur so viel: Immer, wenn es um die SPD geht, gestikuliert er, hebt die Stimme, erzählt. Mit jedem Wort versucht er, eine Perspektive über die Regierungszeit zu entwickeln, Vertrauen zu schaffen durch Beharrlichkeit und Konzepte.

Scholz weiß: Nahles kann ihn mitreißen

Der Abgang von Parteichefin Andrea Nahles trifft ihn in besonderer Weise. Er war es, der mit Nahles nach der Bundestagswahl 2017 und den Koalitionsverhandlungen eine Strategie für eine Erneuerung der SPD ausgearbeitet hatte. Das Bundesfinanzministerium hat er mit vierzig zusätzlichen Stellen nicht nur zu einem Vizekanzleramt ausgebaut. Man könnte auch meinen, zu einer zweiten Parteizentrale, in der tägliche Abstimmungen stattgefunden haben. Dass Nahles aufgegeben hat, ist auch seine Niederlage. Er weiß: Sie kann ihn mitreißen.

Und man sieht, wie er in der Woche nach dem Abgang von Parteichefin Nahles kämpft. Scholz absolviert beinahe jeden Tag einen Fernsehauftritt, gibt Interviews zur SPD und zur Regierungsarbeit. Seine Leute laden zu Frühstücksrunden zu nachtschlafender Zeit. Im Stern wiederholt Scholz den Anspruch der SPD, bei der nächsten Bundestagswahl den Kanzler zu stellen und dekliniert nüchtern die Chancen durch. Das bringt ihm mit, Blick auf die Umfragen, vor allem Häme ein.

Wobei es natürlich stimmt, dass viel in Bewegung ist. In Ländern wie den Niederlanden, Italien, Spanien und Dänemark feiern totgesagte Sozialdemokraten wieder Wahlerfolge. Auch die konservativen Parteien müssen Aufs und Abs hinnehmen. Anders als früher scheinen die Wähler sich schneller und öfter umstimmen zu lassen. Scholz verbringt sein Pfingstwochenende in Japan. Er macht seinen Job als Finanzminister. Und damit das, was seiner Ansicht nach die Wähler überzeugen soll, wieder SPD zu wählen.

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