Frankreich:Sonniges Wetter lässt Computer der Finanzverwaltung kollabieren

Frankreich: Der Kollaps der Internetseite der Finanzverwaltung sei eine "Auswirkung des langen, sonnigen Wochenendes", sagt Haushaltsminister Gérald Darmanin. Im Bild: Menschen genießen das schöne Wetter in Bordeaux.

Der Kollaps der Internetseite der Finanzverwaltung sei eine "Auswirkung des langen, sonnigen Wochenendes", sagt Haushaltsminister Gérald Darmanin. Im Bild: Menschen genießen das schöne Wetter in Bordeaux.

(Foto: Nicolas Tucat/AFP)
  • Da Franzosen mittlerweile für Steuererklärungen auf Papier Strafe zahlen müssen, geben viele ihre Erklärung jetzt online ab.
  • Viele warteten damit bis zum letzten Moment - und dann ging plötzlich nichts mehr.

Von Leo Klimm, Paris

Es war der vergangene Montagabend, und so mancher französische Steuerbürger saß wohl etwas verzweifelt vor seinem Computer. Die Verzweiflung schwappte sodann durch die sogenannten sozialen Netzwerke, wo viele bang die Frage stellten, was sie tun könnten, um doch noch fristgerecht bis Dienstagabend ihre Steuererklärung für 2018 abzugeben. Das Internetportal der Finanzverwaltung, über das die Einkünfte erklärt werden müssen, reagierte nicht mehr. Es war zusammengebrochen. Schuld daran war, so die regierungsoffizielle Erklärung: das Wetter.

Der Kollaps der Internetseite sei eine "Auswirkung des langen, sonnigen Wochenendes", sagt der zuständige Haushaltsminister Gérald Darmanin. Am Himmelfahrtswochenende war es auch in Frankreich hochsommerlich warm. Es habe "zudem sicher etwas Prokrastination" gegeben, so Darmanin. Wer kennt nicht die Versuchung, die Steuererklärung vor sich herzuschieben? Hinzu kommt der Umstand, dass immer mehr Bürger die leidige Pflicht online erledigen: Jedenfalls wollten vier Millionen der insgesamt 38 Millionen Steuerhaushalte in Frankreich sie plötzlich am Montagabend alle zur gleichen Zeit auf dem Portal loswerden. 24 Stunden vor Ablauf der Frist. Das war zuviel für die Server.

Minister deutet an, dass das Computersystem Ansturm der Steuererklärer als Hackerangriff gewertet hat

Offenbart sich hier eine Schwäche des Fiskus, dessen Effizienz beim Steuereintreiben doch seit Jahrhunderten zum Kern des französischen Staatswesens zählt? Die Umstellung auf die Quellenbesteuerung hatte die Verwaltung zu Jahresanfang noch gut gemeistert - also den Abzug der Lohnsteuer bei Auszahlung der Gehälter, wie dies in Deutschland schon lange üblich ist. Der Übergang zur Online-Steuererklärung macht aber offensichtlich Probleme. Dabei forcieren ihn die Behörden, indem sie die Steuererklärung auf Papier bestrafen: Wer an ihr festhielt, musste sie vor dem 15. Mai erledigen und ein Bußgeld von 15 Euro in Kauf nehmen. Nur, wer glaubhaft machen kann, dass er aus technischen oder persönlichen Gründen nicht ins Internet kann, durfte mit Nachsicht rechnen.

Nun jedoch zeigt sich Haushaltsminister Darmanin kulant mit den Millionen Verzweifelten von Montag, die womöglich das Wochenende zu ausgiebig genossen haben, aber willens sind, ihre Steuern zu zahlen: Unter dem Hashtag #administrationbienveillante ("wohlwollende Verwaltung") verkündet er beim Kurznachrichtendienst Twitter einen Fristaufschub bis Mitternacht an diesem Donnerstag.

Keine Rede ist davon, dass die IT der Fiskalverwaltung womöglich der selbst gestellten Herausforderung nicht gewachsen war. Darmanin deutet lediglich an, das System habe den abendlichen Ansturm der Steuererklärer fälschlich als Hackerangriff gewertet. "Die Seite schützt sich, wenn es Millionen Aufrufe binnen weniger Minuten gibt", sagt er. Und dass er froh sei, dass "keine Steuerdaten verloren gegangen" seien.

Viele müssen Steuern nachzahlen

Nur böse Zungen würden seine Kulanz damit in Verbindung bringen, dass 21 Minister der Regierung von Präsident Emmanuel Macron, also die meisten, in Steuerdingen selbst nicht ohne Fehl und Tadel sind. Wie ein Kontrollgremium jüngst bekannt gab, müssen viele von ihnen nach Überprüfung ihrer Steuererklärungen nachzahlen - im Durchschnitt 10 788 Euro. Die Namen der betroffenen Kabinettsmitglieder wurden nicht genannt. Das Gremium erklärte aber, bis auf eine inzwischen zurückgetretene Ministerin habe niemand in betrügerischer Absicht gehandelt.

Die Bürger bekommen jetzt also 48 Stunden Aufschub. Mit einer wichtigen Einschränkung: Nur jene haben noch bis Donnerstagabend, die in einem französischen Département mit einer höheren Ordnungsnummer als 49 wohnen. Denn wer - zum Beispiel - im Département Maine-et-Loire (Nummer 49) ansässig ist, für den galt ohnehin eine frühere Frist. Wer direkt daneben in der Mayenne wohnt (Nummer 53), hat jetzt aber etwas mehr Zeit. Genau wie die Bewohner des bevölkerungsreichen Großraums Paris. Nicht allein das Steuerrecht ist in Frankreich komplex.

Minister Darmanin hat eine dringende Bitte: "Wir sollten versuchen, nicht alle am Donnerstagabend die Steuererklärung zu machen. Sonst bekommen wir wieder das gleiche Problem." Das Wetter wäre dann kaum schuld. Regnerisch und kühl, so lautet die Vorhersage des Wetterdienst für weite Teile des Landes.

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