Rechtskolumne:Darf man den Vermieter beleidigen?

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Nicht immer ist an der Fußmatte Schluss: Wenn sich Mieter ihrem Vermieter gegenüber im Ton vergreifen, kann das erhebliche Folgen haben. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

"Dümmliche Schlampe" oder "promovierter Arsch": Mietverhältnisse können enden, weil einer den anderen beleidigt oder bedroht hat. Welche Fälle mit Sicherheit zur fristlosen Kündigung führen.

Von Stephanie Schmidt

Kreativität hat viele Gesichter - und ganz sicher auch eine abgründige Seite. Mangelt es einem an Ideen, wie man andere vor den Kopf stoßen kann, dann findet man im Internet auf die Schnelle jede Menge "Hitlisten" mit Schimpfwörtern und Diss-Sprüchen unterschiedlichen Schweregrads: "Casanova" oder "Hallodri" könnte von dem einen oder anderen als Kompliment verstanden werden, "Hausdrachen", "Tussi" oder "Wuchtbrumme" haben dagegen nicht einen Funken Charme, sondern sind eindeutig Verbalattacken.

Es passiert schon mal, dass einem in der Wut ein Kraftausdruck entfährt, aber dabei sollte man besser eine Straßenlaterne als seinen Vermieter adressieren. Sonst steht man womöglich demnächst auf der Straße. "Wenn der Mieter den Vermieter beleidigt, dann ist das Vertrauensverhältnis zerstört, und der Vermieter kann ihm fristlos kündigen", sagt Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung. Er verweist in diesem Zusammenhang auf Paragraf 543, Absatz eins, des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Eine ehrverletzende Äußerung impliziert mitunter, dass die Vermieterin oder der Vermieter sich gegebenenfalls nicht mehr an die übliche gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten halten muss. Nachdem ein Mieter seinen Vermieter "Sie promovierter Arsch!" tituliert hatte, kündigte ihm dieser prompt. Zu Recht, befand das Amtsgericht München. Dem Vermieter sei nicht mehr zuzumuten, das Mietverhältnis fortzusetzen (Az. 474 C 18543/14). Umgekehrt verhalte es sich genauso, betont Stürzer: Der Mieter könne seinem Vermieter fristlos kündigen, wenn der ihn beschimpfe.

Selbst eine indirekt geäußerte Beleidigung in Abwesenheit des oder der Betroffenen kann zur Kündigung führen. So hatte ein Mieter gegenüber einem anderen Hausbewohner die Hausverwalterin des Vermieters als "dümmliche Schlampe" herabgewürdigt. Das Landgericht München I hielt zumindest eine ordentliche Kündigung, bei der die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten wird, für angemessen (Az. 14 S 7769/22). "Insgesamt ist der Umgangston rauer geworden", stellt Rechtsanwalt Stürzer fest. Er habe eine Zunahme von Prozessen beobachtet, die um ehrverletzende Beleidigungen kreisen.

Droht der eine dem anderen Gewalt an, dann ist die Rechtsprechung eindeutig: Das rechtfertigt eine außerordentliche, also fristlose Kündigung. Die Mitbewohnerin eines Mieters hatte im Zuge eines eskalierten Streits über die Nutzung des Gartens angedroht, sie werde die Vermieterin töten. Zudem hatte sie eine weitere Person dazu aufgefordert, ihr ein Messer zu geben. Daraufhin kündigte die Vermieterin ihrem Mieter, der die Kündigung vor Gericht anfocht - ohne Erfolg (Az. 34 C 80/22).

In solchen Fällen sind Handyvideos ein anerkanntes Beweismittel. Das zeigt ein vom Amtsgericht Köpenick entschiedener Fall, bei dem die Richter ebenfalls eine fristlose Kündigung für gerechtfertigt hielten. Ein Mieter hatte an die Tür eines anderen Mieters, der in der Nacht laut Musik hörte, geklopft, um sich wegen Ruhestörung zu beschweren. Daraufhin rief der Mann durch die Tür: "Klingel hier nie wieder! Wir machen dich fertig! Wenn du noch mal klingelst, dann werde ich dich umbringen!" Als der Mann erfuhr, dass der Nachbar vor der Tür begonnen hatte, die Szene mit dem Handy aufzunehmen, öffnete er die Tür, sprang mit einem Knüppel auf ihn zu und wiederholte seine massive Drohung, woraufhin der Nachbar in Todesangst zur Polizei flüchtete (Az. 2 C 33/21).

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Solche krassen Fälle seien allerdings eher die Ausnahme, sagt Stürzer, häufiger würden Prozesse wegen Beleidigung in Gang gesetzt. Wie sie ausgehen, hänge in erheblichem Maße von der jeweiligen Situation und "von der subjektiven Einschätzung des Richters" ab, stellt der Vorsitzende von Haus und Grund München fest. Seine Vermieterin in Zusammenhang mit einer Eigenbedarfskündigung mit einer "bösen Hexe im Märchenland" zu vergleichen, rechtfertige keine Kündigung, befand zum Beispiel das Landgericht Berlin (Az. 63 S 146/20). Nicht jede Form der Respektlosigkeit hat eine derartige Konsequenz, das zeigt ein weiteres Urteil: Das Amtsgericht Charlottenburg sah keinen Kündigungsgrund darin, dass Mieter eine Mitarbeiterin ihrer Vermieterin auf Facebook als "talentfreie Abrissbirne" bezeichnet hatten (Az. 216 C 461/14).

Fachbuchautor Stürzer empfiehlt Vermietern zu prüfen, ob jemand ganz gezielt in böswilliger Absicht oder im Affekt ein beleidigendes Schimpfwort verwendet habe. "Ich rate in der Regel zunächst zu einer Abmahnung und erst im zweiten Schritt zur Kündigung." Eine Abmahnung sei insbesondere dann angemessen, "wenn Aussicht auf Besserung besteht". Eines ist dann aber auch klar: Für Wiederholungstäter gibt es kein Pardon, sie müssen sich unverzüglich nach einer neuen Bleibe umsehen.

Eines der wenigen gendergerechten Schimpfwörter, die der Autorin einfallen, ist "Du Pappnase". (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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