Völler vs Hartmann in Island:"Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören"

Lesezeit: 8 min

Ein Interview mit dem Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, an das sich fast jeder erinnert. (Foto: dpa)

2003 kam es in der ARD nach einem Länderspiel in Reykjavik zum Rededuell zwischen Waldemar Hartmann und dem empörten Teamchef Rudi Völler. Der Zoff im Wortlaut.

Es kann manchmal sehr ermüdend sein, was Fußballer, Trainer und manchmal auch die Kommentatoren und Moderatoren nach einem Fußballspiel von sich geben. Ja gut, ich sach' mal, sach' ich - etwas in diesem Stil. Am an einem Samstag im Jahr 2003 aber geriet der damalige ARD-Interviewer Waldemar Hartmann an einen Teamchef Rudi Völler, in dem der alte Mittelstürmer durchbrach. Vollspann verwandelte Völler die Vorlage der Studio-Moderatoren Gerhard Delling und Günter Netzer in eine Brandrede, die auch die drei Fernsehweisen nicht mehr löschen konnten. Ein Stück TV- und Fußballgeschichte, kaum gekürzt und nur sparsam geglättet.

Delling: Spätestens jetzt steht fest: Die Samstagabend-Unterhaltung steckt in einer tiefen Krise. (...) Wenn man sagt, das war wieder einmal ein absoluter neuer Tiefpunkt - trifft es das?

Netzer: Ja, das ist ein Tiefpunkt. Und ich verstehe die Spieler nicht, zum Schluss jetzt auch noch Kehl. Warum sagen sie nicht einfach: "Das war ein schöner Mist, den wir da gespielt haben"? Da gibt es keine Entschuldigung für. Sucht er nach den Stärken von Island, was die alles besser können und besser gemacht haben? Das darf doch nicht das Kriterium sein. Das ärgert mich ein wenig.

Jonas Hofmann im DFB-Team
:"Total Bock" auf Umschulung

Jonas Hofmann könnte als Rechtsverteidiger die Lösung auf der Problem-Position der Nationalelf sein. Die Idee, ihn dort hinzustellen, hatte allerdings nicht Hansi Flick.

Von Philipp Selldorf

Delling: (...) Rudi Völler ist bei Waldemar Hartmann, und wir sind gespannt, was dabei herauskommt.

Hartmann: Das sind wir sicherlich alle und auch die Zuschauer. Rudi, herzlich willkommen. Als Teamchef hat man nach meiner Meinung nach so einem Spiel zwei Möglichkeiten: Die eine ist, man stellt sich vor die Mannschaft, weil man weiß, man braucht sie am Mittwoch gegen Schottland wieder. Die andere ist, sie mit harten Worten aufzurütteln, weil man sie am Mittwoch braucht und vielleicht ganz anders als heute. Für welche haben Sie sich entschieden?

Völler: Man muss ja beides versuchen, ich doch ganz klar. Ich wurde nach dem Färöer-Insel-Spiel ein bisschen belächelt, als ich meine Mannschaft in Schutz genommen habe. Das ist natürlich heute schwierig, weil wir vor allem in der zweiten Halbzeit viel zu behäbig gespielt haben. In der ersten Halbzeit, finde ich, haben wir es noch ganz ordentlich gemacht, hatten die Isländer ganz gut im Griff, haben uns die eine oder andere Torchance erarbeitet, aber die zweite Halbzeit war einfach zu wenig. Da kamen zu wenig Impulse aus dem Mittelfeld, im Sturm konnten wir uns kaum durchsetzen. Und wir haben uns auch eindeutig zu wenig bewegt. Eines ist klar: Am Mittwoch können nur Spieler auflaufen, die mir von vornherein das Versprechen abgeben, dass sie hundertprozentig laufen und für die Mannschaft da sein werden.

Hartmann: Da müssen wir auch Tore schießen gegen Schottland, (...) das ist das Problem der deutschen Nationalmannschaft. Wie kann man das beheben?

Völler: Wir müssen daran arbeiten. Wir müssen Geduld haben, wir müssen versuchen, das Beste aus unseren Möglichkeiten zu machen. Wir haben's ja auch versucht. (...) Aber grundsätzlich ist natürlich richtig, wir machen zu wenig Tore, wir haben heute 0:0 gespielt, das ist natürlich zu wenig. Aber trotzdem möchte ich ein bisschen den Sebastian Kehl in Schutz nehmen: Ich weiß, meine beiden . . . Jungs hier von der ARD, der Günter und auch der Delling, die natürlich . . . vor allem Delling, das ist natürlich schon 'ne Sauerei, was der hier sagt, das muss ich einfach mal so sagen. Ich kritisier' die Mannschaft, aber muss natürlich auch die Mannschaft in Schutz nehmen, und was der Delling macht, ist nicht in Ordnung.

Hartmann: Was meinen Sie da jetzt genau?

Völler: Ja, einfach die Sache mit dem Tiefpunkt und nochmal 'n Tiefpunkt und noch mal 'nen niedrigeren Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören, muss ich ganz ehrlich sagen. Da stelle ich mich vor die Mannschaft. Natürlich war das heute nicht in Ordnung, aber man sollte schon mal überdenken, wenn man solche Berichterstattung macht, dass man . . . Also ich weiß nicht, woher die beiden überhaupt das Recht nehmen, so was zu sagen. Kann ich . . . verstehe ich nicht.

6:0-Sieg der DFB-Elf
:"Das ist jetzt der Maßstab"

La Ola im Stadion, das Publikum ruft Aaah und Ooooh - doch Bundestrainer Hansi Flick fällt die fachliche Einordnung des 6:0-Siegs gegen Armenien nicht ganz leicht.

Von Philipp Selldorf

Hartmann: Die Frage von Gerhard Delling war, ob es ein Tiefpunkt war. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen . . .

Völler: Auch die Geschichte mit der Unterhaltung am Samstagabend . . . dann soll er doch Samstagabend-Unterhaltung machen und keinen Sport, keinen Fußball. Soll er "Wetten, dass...?" machen und Gottschalk ablösen.

Hartmann: Das ist im anderen Kanal, das ist beim ZDF. . .

Völler: Dann soll er da hingehen.

Hartmann: . . . und es gibt eine Krise, das hat auch die ARD schon gesagt, in der Samstagabend-Unterhaltung, und daher hat er das auch genommen. Ich bin auch nicht der Rechtsbeistand von Gerhard Delling, bin aber auch Journalist und erlaube mir zu sagen - das wissen Sie auch selbst, Sie haben das ja auch gesehen, dieses Spiel - dass es in den ersten 45 Minuten, die Sie jetzt noch gut bewertet haben, ganz sicher auch ein statisches Spiel war. Ich war hinter dem Tor gestanden mit Sepp Maier. Wir waren uns da einig, es ist zu wenig gelaufen worden, man hat sich zu wenig angeboten.

Völler: Das ist ja auch alles in Ordnung, aber ich kann diesen Käse nicht mehr hören, und nach jedem Spiel, wenn wir kein Tor geschossen haben, dann ist das noch ein tieferer Tiefpunkt, als wir eigentlich schon hatten. So einen Scheiß, den kann ich nicht mehr hören. Also da werde ich . . . das ist für mich das Allerletzte, muss ich ehrlich sagen. Wechsel' den Beruf, ist besser.

Nach Völlers Wutrede
:"Rudi hat sich verdribbelt"

Der Konflikt zwischen der ARD und Rudi Völler geht weiter. Das Erste erwartet vom DFB-Teamchef eine Entschuldigung für seine verbalen Attacken gegen die Moderatoren.

Hartmann: Suchen Sie sich denn nicht im Moment den Falschen . . .

Völler: . . . nein, ich suche mir genau den Richtigen. Ich sitze jetzt seit drei Jahren hier und muss mir diesen Schwachsinn immer anhören. Das ist einfach so.

Hartmann: Ja, aber die Mannschaft ist doch der Ansprechpartner, der allererste.

Völler: Die kriegen auch ihr Fett weg. Aber ich kann diesen Käse nicht mehr hören, immer nach jedem Spiel, ich kann's nur wiederholen, die mit diesem Tiefpunkt und noch einmal tiefer. Natürlich, wir haben heute - und da hat der Sebastian Kehl Recht - wir haben heute beim Tabellenführer gespielt, wir haben 0:0 gespielt, das ist sicher nicht in Ordnung, das ist einen Tick zu wenig für unsere Ansprüche, wir sind Vizeweltmeister. Da muss ein bisschen mehr kommen. Aber diesen Scheiß, der da immer gelabert wird, da sollten sich alle mal Gedanken machen, ob wir in der Zukunft so weitermachen können. Immer diese Geschichte, alles in den Dreck ziehen, alles runterzuziehen, das ist das Allerletzte, und ich lasse mir das nicht mehr so lange gefallen, das sage ich Euch ganz ehrlich.

Hartmann: Rudi, darf ich noch einmal zu dem Spiel heute zurückkommen?

Völler (knirschend): Ja gerne.

Hartmann: Okay. Die meisten isländischen Spieler spielen in England in der zweiten Division, sind da auch nicht Stammspieler. Wir müssen doch eigentlich von der Position her, von der Besetzung, die wir haben, die Mannschaft klar beherrschen. Das haben wir nicht.

Völler: Wieso müssen wir die klar beherrschen? Die Isländer sind Tabellenführer, das weißt Du gar nicht. Sind die Tabellenführer oder nicht?

SZ-Podcast "Und nun zum Sport"
:DFB-Elf: Neuer Schwung mit neuem Bundestrainer

Hansi Flick ist mit zwei erwartbaren Siegen gestartet, doch manches Problem aus der Löw-Zeit begleitet die Nationalelf noch immer.

Von Sebastian Fischer, Philipp Selldorf und Jonas Beckenkamp

Hartmann:  Richtig.

Völler: Na also. Da müssen wir den Gegner auswärts klar beherrschen? In welcher Welt leben wir, lebt Ihr denn alle?

Hartmann: Ne, ich hab' gedacht, in der einzelnen Position, eins zu eins.

Völler: Nein, ich hab' doch die Mannschaft kritisiert, ist doch ganz klar. Da war zu wenig Laufbereitschaft, und Mittwoch werden nur die Leute spielen, die sich wirklich hundertprozentig den Arsch aufreißen. Aber Ihr müsst doch mal von Eurem hohen Ross runterkommen. Was Ihr Euch alle immer einbildet, was wir für einen Fußball hier in Deutschland spielen müssen. Ihr habt doch früher - der Günter, was die für einen Scheiß gespielt haben! Da konntest du doch früher gar nicht hingehen, die haben doch Standfußball gespielt, früher.

Hartmann: Ich kann jetzt nicht verstehen, warum die Schärfe reinkommt.

Völler: Die Schärfe bringt Ihr doch rein. Müssen wir uns denn alles gefallen lassen?

Hartmann: Ja, ich hab' doch keine Schärfe jetzt da reingebracht.

6:0 der DFB-Elf gegen Armenien
:Schwungvoll, schnell, einfallsreich

Im zweiten Spiel unter Bundestrainer Hansi Flick gelingt der erste überzeugende Sieg. Beim 6:0 gegen Armenien stimmt nicht nur die Anzahl der Tore - sondern auch die ästhetische Note.

Von Philipp Selldorf

Völler: Ja, Du nicht. Du sitzt locker bequem auf Deinem Stuhl und hast drei Weizenbier getrunken.

Hartmann: Also, in Island gibt es kein Weizenbier, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich bin auch kein Weizenbier-Trinker. Ich weiß auch nicht, ob wir jetzt in dem Stil weitermachen sollen. Du hast es ja gesagt, jetzt sind wir schon da, wo wir waren, warum sollen wir nicht zu dem Du kommen, wo wir schon lange sind? Am Mittwoch müssen die da sein, die sich "den Arsch aufreißen". Sitzen die auf der Bank, oder sind die heute schon auf dem Feld gewesen? Und warum haben sie es heute nicht gemacht?

Völler: Es war natürlich auch ein Gegner auf dem Platz. Natürlich war das von dem einen oder anderen nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Natürlich habe ich in der Halbzeit gesagt, wir müssen noch einen Tick drauflegen, aber es wurde dann ein bisschen weniger. Es wurde eigentlich noch weniger als in der ersten Halbzeit. Aber immer dieses hohe Ross, das alle haben, ich kann das nicht verstehen. Island ist Tabellenführer gewesen. Natürlich müssen wir hier etwas besser spielen, aber es kann doch keiner von uns verlangen, dass wir hierher fahren und die Isländer 5:0 wegputzen!

Hartmann: Das hat ja auch keiner gesagt.

Völler: Aber so redet Ihr doch alle! Unsere Ansprüche sind so: Wir müssen hier mal locker herfahren, und wir müssen die ganz locker wegputzen.

Hartmann: Also ich muss auch mal ganz deutlich sagen, Rudi, das macht hier nicht die ARD, das macht nicht das ZDF, und wir machen uns keine Gaudi daraus. Das machen wir nicht für unser Poesiealbum und finden uns besonders toll und schlagen uns auf die Schulter.

Völler: Ne? Bist Du Dir sicher?

Hartmann: Ich kann auf jeden Fall für mich sprechen.

Völler: Na gut.

Hartmann: Ich habe auch keine drei Weißbier getrunken. Ich mache dieses Interview, und wir können danach die Alkoholprobe bei der Dopingprobe machen.

Völler: Jetzt sei nicht beleidigt.

Hartmann: Ich bin ja nicht beleidigt, Rudi, aber die Kollegen von den Zeitungen, die schreiben doch das auch, was sie glauben, was der Leser genauso merkt, da sind doch wir nicht die einzigen. Es ist doch nicht so, dass wir im luftleeren Raum schweben und die Zeitungen die deutsche Mannschaft in dem einen Jahr nach der Weltmeisterschaft ständig bewundert haben.

Völler: Darum geht's doch gar nicht. Das ist doch richtig, dass wir natürlich in den letzten Monaten Spiele abgeliefert haben, die nicht in Ordnung waren. (...) Nur wehre ich mich dagegen, dass man nach solchen Spielen alles total in den Dreck zieht. Das ist allerletzte, unterste Schublade. (...) Da wehr' ich mich natürlich auch dagegen. (...) Die Situation hat sich für uns auch nicht so viel verändert: Wir haben heute nicht verloren, wir hatten ein bisschen Glück, wir hätten auch verlieren können am Ende. Aber wir müssen die Schotten schlagen, das bleibt letztendlich.

Hartmann: Okay. Also, jetzt sind natürlich . . .

Völler: . . . 'tschuldigung, die Geschichte mit dem Weizenbier habe ich nicht so gemeint - alles andere habe ich so gemeint, wie ich es gesagt habe.

Hartmann: Okay, und jetzt glaube ich auch, die zwei, die jetzt betroffen waren und die Du jetzt angegriffen hast, haben das Recht zu kontern, so wie im Fußball.

Völler: Wie sie das in ihrer altbewährten Form eben machen.

Hartmann: 'Ne Konferenzschaltung ist glaube ich die fairste Nummer für eine Live-Sendung im deutschen Fernsehen. Wir haben Samstagabend, bessere Unterhaltung gibt's gar nicht. Jetzt kommen Delling und Günter Netzer.

Völler: Der Unterhaltungschef Delling kommt jetzt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

DFB-Gegner Island
:Ein Mini-Haaland als Attraktion

Die schwer kriselnden Isländer hoffen gegen Deutschland besonders auf einen: Real-Nachwuchsmann Andri Lucas Gudjohnsen, der einen berühmten Vater hat - und beste Erinnerungen an den DFB.

Von Jonas Beckenkamp

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: