TSV 1860 München:Drei Kracher am Ende

Lesezeit: 3 min

Zweikampf im Tabellenkeller: Der 19-jährige Löwen-Angreifer Mansour Ouro-Tagba (links) und Lübecks Sören Reddemann am Dienstagabend beim 1:1-Remis. (Foto: Wolf Gebhardt/Lobeca/Imago)

Nach dem ersten Profitor von Nachwuchsstürmer Mansour Ouro-Tagba sieht der TSV 1860 im Kellerduell in Lübeck wie der Sieger aus - doch dann kommt der Auftritt von Mirko Boland.

Von Korbinian Eisenberger

Die Verwechslungsgefahr war unübersehbar an diesem Dienstagabend in Lübeck. 800 Anhänger des TSV 1860 München waren originär mit dem Motiv angereist, sich ein Drittliga-Fußballspiel anzusehen. Also eine Sportart, zu der - nach allem, was man weiß - Torschüsse, Paraden und eventuell sogar Torerfolge gehören. Auf den Rängen im Stadion des VfB Lübeck musste es sich indes angefühlt haben, als habe man sich in der Adresse geirrt. Was die Akteure auf dem unterkühlten Rasen boten, erinnerte mehr an ein Diplomatentreffen. Alles sah nach dem friedlichsten aller Ergebnisse aus: einem 0:0. Und dann lieferte diese Partie am Ende noch drei gewaltige Kracher.

In Minute 80 ließ erstmals ein 19-Jähriger aufhorchen, der bereits seit 2013 bei den Sechzigern in Nachwuchsteams kickt - und sich nun in seinem zweiten Drittligaspiel für die Profimannschaft erstmals als Torschütze feiern ließ. Der US-Amerikaner Mansour Ouro-Tagba wuchtete eine gut getimte Flanke des ebenfalls fünf Minuten zuvor eingewechselten Manfred Starke mit dem Kopf ins Tor - und so sahen die Löwen wie die sicheren Sieger aus. Doch dann, wiederum fünf Minuten später, schlugen die Gastgeber zurück, als plötzlich Mittelfeldmann Mirko Boland angerauscht kam und den Ball per Kopf aus nächster Nähe über die Linie drückte. Gejubelt wurde in Lübeck allerdings nicht.

TSV 1860 München
:Ansage mit Ausrufezeichen

Schneller vor das gegnerische Tor, mehr Chancen kreieren: Beim 4:1 gegen Duisburg setzen die Löwen um, was ihr neuer Trainer Argirios Giannikis fordert - und verschaffen sich gleich Luft im Kampf um den Klassenverbleib.

Von Christoph Leischwitz

Allen war schnell klar, dass Boland beim Erzielen seines Treffers unglücklich mit dem Kopf gegen den rechten Pfosten geknallt war - ein letzter Kracher, den keiner mehr brauchte. Boland lag nahezu reglos im Tornetz, weswegen Mediziner auf den Platz rannten. Von den Tribünen hallte es nun "Mirko Boland, Mirko Boland", ehe der Spieler sich wieder bewegte. Er erhielt einen Turban - und dann stand er auch schon wieder, ehe er mit Applaus ausgewechselt wurde. Das war die schmerzhafte Schlusspointe eines Abends, der ansonsten alles andere als unterhaltsam war.

Verteidiger Niklas Lang wurde bis zum Saisonende verliehen

Immerhin die politischen Angelegenheiten sind beim TSV 1860 München seit einigen Wochen wieder etwas in den Hintergrund gerückt. Das dürfte die Arbeit für den unlängst verpflichteten Trainer Argirios Giannikis etwas angenehmer machen als zuletzt für dessen Vorgänger Maurizio Jacobacci. Am Wochenende beim Heimspiel im Stadion an der Grünwalder Straße gegen Duisburg hatte der neue Trainer bereits erste Hinweise auf die Neuausrichtung in der Spielweise hinterlassen: schneller vor dem gegnerischen Tor auftauchen und Chancen kreieren. Die Löwen setzten diese gar nicht so kompliziert klingende Strategie um, indem sie 4:1 gewannen. Läuft wieder, oder?

Nun, im hohen Norden liefen wahrscheinlich vor allem die Zuschauer-Nasen; das Ansinnen, sich am Spiel zu erwärmen, war arg optimistisch gewesen. Die Anhänger der Löwen behalfen sich damit, indem sie Anfang der zweiten Halbzeit Pyrotechnik zündeten. Als wollten sie ihre Gesangsstücke - etwa "Auf geht's, Sechzig, schießt ein Tor" - noch optisch wie olfaktorisch bekräftigen. Vielleicht war das an diesem Abend einfach zu viel verlangt. Eventuell hätten die Schlachtenbummler weniger ambitionierte Verse dichten sollen, etwa: "Auf geht's, Sechzig, schießt mal Richtung Tor."

Mansour Ouro-Tagba schoss zwar nicht aufs - dafür köpfelte er ins Tor. "Es hat sich super angefühlt, ich war dankbar für die Chance", erklärte er alsbald am Mikrofon von Magenta Sport. Ob er sich für weitere Einsätze in der Profimannschaft bereit sehe? "Ich bin offen für mehr", sagte er, ehe sein Coach erklärte, dass der 19 Jahre alte Stürmer sich offenbar berechtigte Hoffnungen machen darf. "Mit Mansour haben sie gut gearbeitet", erklärte Giannikis. "Wir arbeiten mit ihm und haben auch den Mut, ihn in solchen Situationen zu bringen." Mit dem Spiel seiner Mannschaft zeigte er sich nur teilweise einverstanden. "Obwohl es hektisch war, haben wir selten die Ordnung verloren", sagte er, aber durch "sehr viele Ballverluste haben wir den Gegner ein bisschen stark gemacht." Dies gelte es beim Heimspiel am Sonntag (16.30 Uhr) abzustellen. Gegen Sandhausen im Grünwalder Stadion sei das Ziel, "nachzulegen".

Der 43 Jahre alte Giannikis hatte auf Wechsel in der Startaufstellung verzichtet. Er vertraute auf die Elf vom Spiel gegen Duisburg, die sollte es richten. Verteidiger Niklas Lang steht ihm vorerst nicht mehr zur Verfügung, er wurde bis zum Saisonende an den SC Freiburg II verliehen, "um Spielpraxis zu sammeln", wie der TSV am Dienstag wissen ließ. Im Hinspiel in München-Giesing zu Saisonbeginn hatten die Lübecker beim 2:1 noch drei schmeichelhafte Punkte entführt, aber auch an der Ostsee brauten sich alsbald düstere Wolken über Trainer Lukas Pfeiffer zusammen, der das Team ja in diese dritte Liga geführt hatte. Weil sich die Mannschaft noch tiefer in den Abstiegskampf stürzte als der TSV 1860, waren Pfeiffers Tage gezählt. Seit einigen Wochen betreut der neue Coach Florian Schnorrenberg die Lübecker.

Dass die Partie nahe an der Unansehnlichkeit vor sich hin plätscherte, lag nicht am Rauch, den das pyrotechnische Engagement beider Fanlager erzeugte. Das Engagement auf dem Fußballfeld darf man beiden Mannschaften sicherlich nicht absprechen, aber sie neutralisierten sich fast immer spätestens vor der Strafraumgrenze - so lange, bis Mansour Ouro-Tagba und Mirko Boland dem ein Ende setzten.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir Lübeck fälschlicherweise an der Nordsee verortet. Richtig ist jedoch, dass die Hansestadt an der Lübecker Bucht und somit der Ostsee liegt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNeuer Trainer bei 1860
:Das nächste Experiment

Der umstrittene Sport-Geschäftsführer Christian Werner stellt sich bei 1860 München vor - und präsentiert gleich den neuen Trainer: Die Verpflichtung von Argirios Giannikis ist eine Überraschung.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: