TSV 1860 München:Ansage mit Ausrufezeichen

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Bann gebrochen: 457 Minuten hatten die Münchner Löwen kein Tor mehr erzielt, gegen den MSV Duisburg klingelte es dann gleich viermal. Hier bejubeln Kilian Ludewig (li.) und Julian Guttau (re.) das 2:0 von Doppel-Torschütze Morris Schröter (Mitte). (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Schneller vor das gegnerische Tor, mehr Chancen kreieren: Beim 4:1 gegen Duisburg setzen die Löwen um, was ihr neuer Trainer Argirios Giannikis fordert - und verschaffen sich gleich Luft im Kampf um den Klassenverbleib.

Von Christoph Leischwitz

An der Ampel nahe dem Candidplatz steht an Spieltagen ein Schild mit einem Ausrufezeichen in einem roten Dreieck: "Fußballspiel im Stadion an der Grünwalder Straße". Das klang vor der Winterpause manchmal wie eine Drohung. Darunter der Zusatz: "Es ist mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen." Im Stau hat man Zeit, mal genauer hinzusehen, und diesmal hatte jemand das Wort "Verkehrsbehinderungen" mit einem "1860"-Aufkleber überdeckt. Bei der Rückfahrt war klar: Wer immer diesen Sticker angebracht hatte, lag richtig: "Es ist mit 1860 zu rechnen" - oder zumindest nach einem in der Höhe verdienten 4:1 (2:0)-Erfolg über den MSV Duisburg schon mal mit plus drei Punkten. Die Löwen hatten nach vier Drittliga-Niederlagen ja fast schon vergessen, wie das geht, dieses Addieren.

"Ich denke, die Leistung war echt ordentlich, vier Tore haben wir lange nicht mehr geschossen", freute sich der doppelte Torschütze Morris Schröter. Jener Schröter, der auch schon in der Krisenphase vor Weihnachten einer der Besten gewesen war, aber auch nicht getroffen hatte. Die Löwen hatten 457 Pflichtspielminuten lang kein Tor erzielt, deshalb empfand Schröter die vier Treffer schon als "eine Ansage" an die Konkurrenz im Abstiegskampf. Es ist allerdings auch festzuhalten, dass sich der MSV Duisburg - mit dem neuen Geschäftsführer Michael Preetz und dem neuen Angreifer Daniel Ginczek - als idealer Aufbaugegner erwies. Vor allem die ersten beiden Löwen-Tore benötigten starke Unterstützung der Gäste.

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Schröter ist ohnehin einer der wichtigsten Spieler der Löwen, aber es gab am Samstag auch einige, die vom Trainerwechsel profitierten. Marlon Frey zum Beispiel, der Anfang Oktober letztmals in der Startelf stand, diesmal im zentralen Mittelfeld den Überblick behalten sollte und ihn, gemeinsam mit Tim Rieder, auch behielt. "Ich hatte eine schlechtere Phase, ich versuche, mich über die einfachen Sachen wieder ins Team reinzuspielen", sagte der 27-Jährige. Es wird allerdings auch interessant sein zu sehen, wie Niklas Tarnat und Albion Vrenezi damit umgehen werden, dass sie nicht einmal im Kader standen.

Es zeigte sich, dass der neue Trainer Argirios Giannikis vor seinem ersten Spiel mit 1860 München alles ziemlich genau angekündigt und keine leeren Phrasen gedroschen hatte. Er hatte Änderungen versprochen, ohne alles über den Haufen zu werfen. Er war überzeugt gewesen, dass die Mannschaft schneller ins "letzte Drittel" vorstoßen kann, also schneller vor dem gegnerischen Tor auftauchen und Chancen kreieren. Nach dem besten Spiel der Löwen seit sehr langer Zeit wirkte der Trainer sogar noch ruhiger als an seinen ersten Arbeitstagen. In seinem Gesicht waren keinerlei Anflüge von Triumph oder Erleichterung zu erkennen: "Wir wollten einen Neustart haben, das ist uns ganz ordentlich gelungen, wir haben schöne Tore rausgespielt. Aber wir hatten auch Spielphasen, wo wir passiv waren." Das sei freilich normal in der Kürze der Zeit.

"Mit der Wucht und Dynamik machen wir so gleich weiter", kündigt Lakenmacher an

In der Kürze der Zeit, findet Stürmer Fynn Lakenmacher, könne man noch gar nicht sagen, wie der Trainer eigentlich so drauf sei. "Ein angenehmer Typ", gewiss, aber ob er auch anders könne, "das müssen wir erst noch herausfinden." Tatsächlich hat Giannikis mit ein paar kleinen taktischen Kniffen der Mannschaft das Selbstvertrauen zurückgegeben, das im Spiel gegen einen weiteren Traditionsklub im Abstiegskampf entscheidend war. Schon nach 14 Minuten die erste Erlösung: Julian Guttau traf nach einem Alleingang, Duisburger Gegenspieler stellten ihm ein Spalier, Torwart Vincent Müller war beim Schuss ins kurze Eck übertölpelt (14.). Schröter traf volley zum 2:0 (23.), dank einer perfekten Duisburger Kopfballverlängerung. Aber auch dazwischen gab es immer wieder Applaus von den Rängen für einzelne Angriffe.

In Minute 53 war die Partie entschieden, als Schröter gedankenschnell einen Haken machte und flach einschob; zuvor war Lakenmacher auf Schröter-Zuspiel am Keeper gescheitert. Doch in der 58. Spielminute, das darf man so deutlich sagen, traf sogar Lakenmacher, der lange so verunsicherte 23-Jährige, der mit nur einem Ligatreffer den Angriff nach Joël Zwarts' Verletzung so lange nicht beleben konnte. Am Samstag nach dem Spiel stand er breit grinsend in der Interviewzone und sprach von einer "neuen Aura" und der guten Stimmung im Team. Eine Handschrift des Trainers sei schon zu erkennen. Was ihn zuversichtlich mache, dass Sechzig am Dienstag in Lübeck (19 Uhr) auch erfolgreich sein kann? "Na, das Spiel heute! Mit der Wucht und Dynamik machen wir so gleich weiter", kündigte er an.

Im ersten Spiel nach der Winterpause im Grünwalder Stadion schien auch der interne Streit, der sogar über Weihnachten hinweg getobt hatte, für kurze Zeit in gewisser Weise überklebt zu sein. Der neue Geschäftsführer Christian Werner (der während des Spiels auf der Tribüne saß), der dienstältere Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer sowie Investorenvertreter Anthony Power standen auf dem Rasen neben dem Trainer, alle gratulierten, man warf sich freundliche Blicke zu. Präsident Robert Reisinger wirkte fünf Tage nach seinem 60. Geburtstag, gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, recht entspannt.

Ganz zum Schluss kam sogar noch die Frage auf, ob man überhaupt noch einen weiteren Angreifer verpflichten müsse. Giannikis' Antwort: Das müsse man schon "rein numerisch" machen, "damit wir gut durch die Rückrunde kommen" - mit einer Rückkehr von Zwarts wird wohl erst einmal nicht gerechnet. Diese Antwort war nicht spektakulär, nicht aufsehenerregend, aber effizient. Sie steht beispielhaft für die Arbeit des Trainers in den ersten Tagen.

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