Tennis:Alle lieben Struff

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In den perfekten Momenten, wenn er auf die Bälle draufgeht, sieht es aus, als sei der Platz geschrumpft: Jan-Lennard Struff hat mit dem Turniersieg bei den BMW Open ein großes Karriereziel erreicht. (Foto: Alexandra Beier/AFP)

Der 33-Jährige aus dem Sauerland, der Spätzünder des deutschen Tennis, belohnt sich in München mit seinem ersten ATP-Titel - und weiß seinen Premierenerfolg richtig einzuordnen. Über einen in der Tenniswelt höchst angesehenen Profi.

Von Gerald Kleffmann

Jan-Lennard Struff hatte Glück, dass ihn Markus Söder noch aufs Siegerfoto ließ. Breitbeinig, Brust raus, The-winner-takes-it-all-Blick, so postierte sich der 57-jährige Nürnberger vor dem Sportauto, das dem Gewinner zuteilwurde - nur war dieser nicht Söder, der zwar ein passionierter Tennisspieler ist, aber für eine Profikarriere reichte es nicht (daran sind nicht mal die Grünen schuld). Leicht zurückversetzt und sich schlank machend hielt derweil Jan-Lennard Struff den Pokal wie eine Urkunde bei den Bundesjugendspielen hoch.

Beklagt hat sich der 33-Jährige aus Warstein aber kein bisschen darüber, dass der Politiker sich ins Zentrum des Bildes gerückt hatte, das wäre nicht seine Art. Später schilderte Struff eine Begebenheit, die viel über ihn aussagte. Es ging ums Einspielen vor dem Endspiel gegen den Amerikaner Taylor Fritz. "Ich habe am Anfang gehört, dass der Stadionmoderator gesagt hat, er habe die letzten sechs Finals gewonnen", berichtete Struff und meinte grinsend: "Okay, diese Info habe ich nicht unbedingt gebraucht vorher." Prompt schallte es "Sorry" von hinten - Stadionmoderator Ralf Exel war es, der da rief und sich entschuldigend verneigte. "Is gut!", erwiderte Struff frotzelnd, "aber du hast wenigstens gesagt, er hat keins auf Asche gewonnen."

Böse, nein, böse kann dieser 1,93 Meter große Athlet offenbar niemandem sein. Nicht mal im Spaß.

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"Ich versuche einfach, ein netter Mensch zu sein", so umschrieb sich am Sonntagabend Struff selbst, und das erklärte gut, warum sein Turniersieg bei den BMW Open auf derart viel Gegenliebe beim Münchner Publikum stieß - und sogar beim enttäuschten Gegner. "Du hast unglaublich in dieser Woche gespielt", zollte Fritz Respekt. Zu gerne hätte ja er, der frühere Top-Ten-Spieler und nun die Nummer 13 der Weltrangliste, seinen ersten Titel bei einem Sandplatzturnier errungen.

"Meine Karriere wäre nicht weniger wert gewesen ohne den Sieg", sagt Struff

Aber diesmal war Struff der Beste des Turniers, was er bereits auf dem Weg ins Endspiel bewiesen hatte. Er bezwang den zweimaligen München-Finalisten Botic van de Zandschulp, den früheren Weltranglistensechsten Felix Auger-Aliassime. Den armen Dänen Holger Rune, BMW-Open-Sieger der vergangenen zwei Jahre, zerhäckselte er mit 6:2, 6:0 in 45 Minuten. In den perfekten Momenten, wenn Struff auf die Bälle draufgeht, sieht das aus, als sei der Platz geschrumpft und er spiele Padel-Tennis im Club Robinson.

Struffs 7:5, 6:3-Finalsieg gegen Fritz war dann die Vollendung des bislang in einer Kategorie noch Unvollendeten: Er belohnte sich im 218. Profiturnier mit dem ersten ATP-Turniersieg im Einzel; zuvor hatte er drei Finals verloren, 2021 in München sowie 2023 in Madrid und Stuttgart. "Ich bin megaglücklich", sagte er. Überdies ist er, am kommenden Donnerstag dann 34 Jahre alt, der drittälteste Premieren-Turniersieger. Weil aber Selbstbeweihräucherung Struffs Sache nicht ist, sagte er in seiner typischen Sauerländer Art: Wenn man Arbeitsbereitschaft beweise, dann "kommen irgendwann gute Dinge auch mal zurück". Wobei er noch einen geerdeten Struff-Satz dranhängte: "Meine Karriere wäre nicht weniger wert gewesen ohne den Sieg."

Jan-Lennard Struff verfolgt seinen Beruf mit Disziplin und Ernsthaftigkeit - und wurde in seinem 218. Profiturnier dafür belohnt. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images for BMW)

Außerhalb der Tennisblase mag Struff nicht sonderlich bekannt sein, das ändert aber nichts daran, dass er innerhalb der Blase höchst angesehen ist. Das liegt nicht nur daran, dass er nett, sondern auch vernünftig agiert, mal von seiner Vorliebe für Borussia Dortmund abgesehen. Struff lebt, auch wenn ihn der knuddelige Spitzname Struffi verfolgt, seinen Beruf mit Disziplin und Ernsthaftigkeit, so bestritt er auch "mit vollem Fokus" nach dem Einzel- noch das Doppelfinale, das er mit Andreas Mies verlor. Er klagt nie, er hält seine Freundin und seine zwei Jungs aus der Öffentlichkeit, und dass er zwei unterschiedliche Trainercharaktere im ruhig-besonnenen Carsten Arriens und im impulsiven Marvin Netuschil in seinem Team hat, mag erstaunen - aber Struff vereint alle wie das Oberhaupt einer harmonischen Patchwork-Familie.

Wie das Tennisleben ist, geht es für Struff sofort weiter, Madrid steht an, dort hatte er 2023 mit dem Finaleinzug Furore gemacht; nur der Spanier Carlos Alcaraz stoppte ihn. "Das war eine spezielle Reise", erinnerte sich Struff am Sonntag. 600 Weltranglistenpunkte hat der nun 24. im Ranking zu verteidigen, mehr als doppelt so viele, wie er in München erhielt (250), aber er weiß auch diese Lage einzuschätzen: "Es wird leichter, mit dem Turniersieg im Rücken da hinzugehen."

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