Zur Routine jedes Tennisturniers gehört die Auslosung, und als am Donnerstag in Stuttgart zur üblichen Zeremonie gerufen wurde, waren die beiden Jüngsten am schnellsten zur Stelle. Sie hüpften von ihren Stühlen auf der Tribüne und standen erwartungsvoll ganz vorn an der Bande. Von einem Generationenwechsel ist derzeit oft die Rede, wenn es um die Zukunft des deutschen Frauentennis geht. Aber bevor es so weit ist, dass Charlotte, 9, und Cecilia, 2, die Geschicke im Billie-Jean-King-Cup übernehmen, muss erst noch einmal die Mutter ran: Tatjana Maria, 35, wird als Nummer eins des Nationalteams Verantwortung im Mannschaftsduell mit Brasilien am Wochenende übernehmen.
Am Montag erst war Tatjana Maria mit ihrer Familie, Ehemann Charles-Edouard und den beiden Töchtern, aus Kolumbien angereist, wo sie das WTA-Turnier in Bogota gewonnen hatte. Es war die erste Einzeltrophäe eines deutschen Profis in diesem Jahr, was aus Sicht des Deutschen Tennis Bundes als symptomatisch für den bisher eher mäßigen Saisonverlauf gelten kann. Die Bilanz ist auch dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Karriereende von Andrea Petkovic auch die dreimalige Grand-Slam-Siegerin Angelique Kerber zumindest vorübergehend pausiert. Tatjana Maria bringt mit ihrem Familienerfolgsmodell nun auch die Zuversicht zurück: "Es war eine wunderbare Woche", sagt sie über den Ausflug nach Bogota.
Kapitän Rainer Schüttler ist deshalb nicht in Grübelei verfallen, als er sie zur Einzelspielerin für die Qualifikationsrunde gegen Brasilien bestimmte. Sein Ziel ist es, mit dem Team die Finalrunde des Billie-Jean-King-Cups im November zu erreichen, und Brasiliens Beste, Beatriz Haddad Maia, ist derzeit die Nummer 14 der Weltrangliste.
Sobald der Billie-Jean-King-Cup in Stuttgart beendet ist, beginnt der Porsche-Tennis-Grand-Prix
Etwas schwerer ist Schüttler die Nominierung der zweiten Solistin gefallen, er hat Anna-Lena Friedsam, 29, aus Neuwied den Vorzug vor Jule Niemeier, 23 aus Dortmund gegeben. Beide hatten im vergangenen Jahr mit dem Team die Relegation gegen Kroatien gesichert. Jule Niemeier, letztjährige Viertelfinalistin von Wimbledon, hat in den ersten Monaten dieses Jahres allerdings auf Hartplätzen nicht zu ihrem Rhythmus gefunden und selten die erste Runde überstanden. "Wir haben das gestern im Team diskutiert", sagte er, gemeinsam hätten sie zur Lösung gefunden: Friedsam eröffnet die Partie am Freitag (16 Uhr, tennischannel.com) gegen Haddad Maia. Danach spielt Tatjana Maria gegen die brasilianische Nummer zwei, Laura Pigossi.
Dass Niemeier am Samstag zum Einsatz kommt, zum Beispiel im Doppel an der Seite von Laura Siegemund, ist nicht ausgeschlossen. Und das Schöne am Filzballbetrieb ist ohnehin, dass ihm eine Art höhere Gerechtigkeit innewohnt. Denn jede Niederlageserie kann ausgeglichen werden durch vielfältige Wiedergutmachungsmöglichkeiten. So auch diesmal: Sobald der Billie-Jean-King-Cup in Stuttgart am Samstag beendet ist, beginnt der Porsche-Grand-Prix, das mit 611 201 Euro dotierte Weltklassesandplatzturnier.
Dem letzten Matchball folgt unmittelbar der erste Aufschlag an selber Stelle. Erwartet werden neun der zehn besten Tennisspielerinnen der Welt, angeführt von der Nummer eins, Iga Swiatek aus Polen. Für Jule Niemeier und Tatjana Maria, die vom Veranstalter eine Wildcard für das Hauptfeld erhielten, bedeutet dies, dass sie nicht einmal den Sand aus den Schuhen klopfen, geschweige denn aufgerollte Tennissocken im Koffer verstauen müssen. Das ist besonders praktisch, wenn man mit Kindern reist.