Spaniens Fußballkrise:Die Meuterei geht weiter

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Trainerin mit halbem Team - höchstens: Die Spaniern Montse Tomé beruft einen Kader, 15 Spielerinnen verweigern den Dienst. (Foto: Thomas Cowx/AFP)

Spaniens Nationaltrainerin Tomé nominiert ihren Kader, doch 15 Weltmeisterinnen wollen an ihrem Boykott festhalten. Die Regierung beraumt ein Treffen mit den Rebellinnen an - muss sie aber womöglich sogar bestrafen.

Von Javier Cáceres, Madrid

Wenige Tage vor dem für Freitag geplanten Nations-League-Spiel in Schweden und rund vier Wochen nach dem Sieg im WM-Finale von Sydney hat der Konflikt im spanischen Fußball eine neue Eskalationsstufe erreicht. Eine Reihe von Weltmeisterinnen hielt am Dienstag an ihrer Absicht fest, dem Ruf des Verbandes zu den nächsten beiden Partien nicht nachzukommen. Das kann Strafen nach sich ziehen: Denn die spanischen Gesetze zwingen Sportler, der Nominierung für Nationalteams mit soldatischem Gehorsam nachzukommen. Zuwiderhandlungen können mit Geldbußen von bis zu 30 000 Euro und Sperren von bis zu 15 Jahren geahndet werden.

Víctor Francos, Chef der obersten Sportbehörde des Landes (CSD), äußerte Verständnis für die Sportlerinnen, wies aber auch darauf hin, dass ihm die Hände gebunden seien. "Wenn sie nicht erscheinen, wird die Regierung das tun, wozu sie gezwungen ist: das Recht anwenden. Zu meinem Bedauern, und zu meiner Trauer. Aber das Gesetz ist das Gesetz", sagte Francos im Rundfunksender SER. Doch so weit will sein Vorgesetzter, der Sportminister Miquel Iceta, es nicht kommen lassen, wie er anderntags erklärte. "Ich will mir das nicht mal vorstellen. Wir werden vorher Lösungen finden", sagte Iceta.

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Die neue spanische Nationaltrainerin des Frauenteams, Montse Tomé, hatte am Montagnachmittag ihren Kader für die bevorstehenden Nations-League-Spiele benannt. Die Überraschung bestand darin, dass auf der Liste auch 20 Spielerinnen standen, die noch am Freitag offiziell und schriftlich erklärt hatten, der Auswahl fernbleiben zu wollen. Es entstand der Eindruck, dass Tomé vor der Nominierung die Einwilligung der 20 Rebellinnen eingeholt habe. Doch am späten Abend stellte sich heraus: Dem war nicht so. Sie ging offenkundig über die Weigerung einer Reihe von Spielerinnen hinweg.

Spielt Spaniens A-, B- oder H-Team gegen Schweden?

Tatsächlich erklärte eine Gruppe von fünfzehn Spielerinnen, dass sie an der am Freitag geäußerten "festen Absicht, aus gerechtfertigten Gründen" keiner Berufung zu folgen, festhalten werde. Zu keinem Zeitpunkt, hieß es, habe man dem spanischen Verband mitgeteilt, dass sich an dieser Haltung etwas geändert habe. Die Gruppe der 15 fordert weitreichende Konsequenzen aus der Affäre Rubiales - personell und strukturell. Sie will sich nun auch anwaltlich beraten lassen, um zu klären, welche disziplinarischen Folgen drohen - und welche Maßnahmen sie selbst ergreifen kann.

CSD-Chef Francos äußerte Kritik am Verband, der die rebellischen Fußballerinnen durch "Drohungen und Einschüchterungen" zu maßregeln versuche. Der Sportbehördenchef erklärte, er habe ein Problem damit, dass der Verband die Spielerinnen unter Druck setzte, sich aber hinter der Regierung verstecke. Für den späten Abend wurde ein Treffen von Francos und den Rebellinnen in Valencia angekündigt.

Ob eine Bestrafung der Abtrünnigen so einfach wird, wie der Verband offenbar glaubt, ist nicht gesagt. Zum einen will die Regierung vermitteln. Zum anderen betonen die Fußballerinnen in ihrem Schreiben, dass die Einberufung weder form- noch fristgerecht erfolgt sei. Hintergrund ist, dass der Weltverband (Fifa) vorschreibt, Einberufungen in Nationalteams mit einem 15-tägigen Vorlauf offiziell den betroffenen Klubs anzukündigen. Das ist in diesem Fall nicht geschehen: Der FC Barcelona etwa erfuhr von der Nominierung seiner Spielerinnen erst nach der Pressekonferenz von Tomé. "Nach unserem Verständnis kann der spanische Verband nicht für sich in Anspruch nehmen, von uns zu verlangen, einer Berufung Folge zu leisten", schreiben die Spielerinnen in ihrer Mitteilung vom Montag. Eine Frage wird daher sein, inwiefern sich Spaniens Sportgerichtsbarkeit an die Fifa-Regularien gebunden fühlt. Und ob der Verband den Konflikt weiter auf die Spitze treiben will.

Weltmeisterinnen im Ausnahmezustand: Misa Rodriguez und Kolleginnen beim Treffen mit einem Teil des Teams in Madrid. (Foto: Thomas Cowx/AFP)

Jenseits davon herrschte am Dienstag ein heilloses Chaos. Der ursprünglich fixierte Treffpunkt des Fußballnationalteams der Frauen - in der Verbandszentrale in Las Rozas bei Madrid - wurde am Dienstag kurzerhand 360 Kilometer weiter Richtung Mittelmeer verlegt, nach Valencia. Offenbar in der Hoffnung, dass dort das Medienaufkommen geringer werden würde. Ein Teil der Spielerinnen hatte sich da aber längst auf den Weg nach Madrid gemacht. Sie wurden in ein Hotel in Nähe des Flughafens geleitet, wo zur ursprünglichen Treffpunktzeit, 11.30 Uhr, das Trainerteam und sechs Spielerinnen eingetroffen waren, darunter Misa Rodríguez, Olga Carmona und Athenea del Castillo von Real Madrid. Auf die Frage, ob sie froh über die Berufung sei, sagte Rodríguez: "Nein." Ob Spaniens Verband am Donnerstag gegen Schweden und am Dienstag im spanischen Córdoba gegen die Schweiz nun mit einem A-, einem B-, einem C- oder einem H-Team antreten muss, um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris anzugehen, war zu diesem Zeitpunkt völlig offen.

In der Nacht zum Dienstag meldete sich dann aus Mexiko auch Jenni Hermoso zu Wort - jene Spielerin, die vom unlängst zurückgetretenen Verbandsboss Luis Rubiales bei der WM-Siegerehrung von Sydney auf den Mund geküsst worden war. Sie wurde von Tomé nicht berufen. Den Fußballerinnen sei sonnenklar, dass die Art der Nominierung einer "Strategie der Spaltung und Manipulation" folge, sagte Hermoso. Die sei ein weiterer Beweis dafür, dass sich im Verband "bis zum heutigen Tag nichts geändert" habe. Hermoso, die beim mexikanischen Erstligisten Pachuca spielt, zeigte sich auch empört darüber, dass Nationaltrainerin Tomé am Montag erklärt hatte, auf eine Berufung der Weltmeisterin verzichtet zu haben, "um sie zu schützen". - "Schützen wovor? Und vor wem?", fragte Hermoso.

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