Ob sie sich das noch einmal anders überlegen, mit den neuen Trikots? In der Vergangenheit mussten Fans von Manchester United, der erfolgreichsten Geldmaschine des englischen Fußballs, für die Beflockung der offiziellen Hemden jeden Buchstaben einzeln bezahlen. Von 1. August an, wenn Adidas die Amerikaner von Nike als Sportartikel-Partner ablöst, soll es eine Flatrate geben. Aber das wären ja verschenkte Einnahmen - nun, da Bastian Schweinsteiger, ein wirklich ganz großer, langer Name, aufs rote Jersey kommt.
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Als erster Deutscher im Kader des englischen Rekordmeisters soll der Münchner weltmeisterliche Routine, Kurzpass-Kultur und Persönlichkeit ins Spiel von United bringen. Der Mannschaft des Vierten der Vorsaison fehlte es nach zwei radikalen Stil-Verschiebungen in Folge - vom Hurra-Fußball des Alex Ferguson zum zögerlichen Spiel des David Moyes zum Kombinations-Maximalismus des Louis van Gaal - an Orientierung. Ganz abgesehen von Klasse auf den wichtigen Positionen.
Schweinsteiger soll zwei Größen zugleich ersetzen
Ein turbulentes 3:5 bei Aufsteiger Leicester City (nach 3:1-Führung) im vorigen September zeugte auf unterhaltsam-fürchterliche Weise vom Qualitätsverfall bei den Roten. Danach stabilisierte sich die Truppe des Niederländers van Gaal, 63, auf überschaubarem Niveau. In die Verlegenheit, ernsthaft um einen Titel mitzuspielen, kam sie nie. Der Trainer kündigte mit der ihm eigenen Selbstgewissheit an Weihnachten an, dass die Nord-Engländer sich zur kommenden Spielzeit in eine "echte Van-Gaal-Mannschaft" verwandeln würden. Ein drittes Jahr ohne Trophäe möchte der sportlich leicht ramponierte Branchenführer unbedingt vermeiden.
Im Mittelfeld soll Schweinsteiger, der auf der Insel einen ausgezeichneten Ruf genießt, im Idealfall zwei einstige United-Größen zugleich ersetzen. Als Mischung aus Roy Keane, dem temperamentvollen Antreiber, und Paul Scholes, dem kühlen Taktgeber, stellte die Sunday Times den Zugang ihren Lesern vor. Zusammen mit dem bald 34-jährigen Michael Carrick könnte Schweinsteiger die "Doppel-Sechs" besetzen, vorstellbar ist auch ein Dreieck mit dem Spanier Ander Herrera als drittem Mann. Frankreichs Nationalspieler Morgan Schneiderlin, 25, soll zusätzlich aus Southampton kommen, um dem Kader in der Mitte die nötige Tiefe zu verschaffen.
Man braucht ja viel Personal: United muss in die Champions-League-Qualifikation, will in beiden nationalen Pokalwettbewerben angreifen und auch in der strapaziösen Meisterschaft besser abschneiden.
Als Wunschspieler des Trainers und als Mann, der den Rhythmus variieren kann, ist Schweinsteiger fürs Erste gesetzt. Derartige Allianzen halten jedoch im "Theater der Träume" unter Intendant van Gaal nicht unbedingt lange, wie das abschreckende Beispiel von Robin van Persie zeigt. Dieser begann vorige Saison als Vertrauensperson des Trainers, mit dem er erfolgreich bei der WM 2014 für die Niederlande zusammengearbeitet hatte. Bald aber wurde der Stürmer nach einem Leistungseinbruch unter der Hand in ganz Europa angeboten.
Vor wenigen Tagen nun verbannte van Gaal den 31-Jährigen symbolträchtig ins Einzeltraining; die Maßnahme wurde vor versammelter Mannschaft bekanntgegeben. Van Persie flüchtete umgehend zu Fenerbahce nach Istanbul.
United benötigt dringend Größe und Charakter
Geschäftsführer Ed Woodward sucht nach der Absage des Münchners Thomas Müller dringend Ersatz für die Abteilung Attacke. Zumal der geliehene Kolumbianer Radamel Falcao nach einem Jahr wieder zum AS Monaco geschickt wurde; von dort holte ihn ausgerechnet der Meister FC Chelsea sofort nach England zurück. Falcao litt wie der Argentinier Angel Di Maria (kam erst im Vorjahr für 70 Millionen Euro von Real Madrid) unter van Gaals Problemen mit der artgerechten Behandlung von Stars im Allgemeinen und stolzen Südamerikanern im Speziellen. Di Maria hatte Anfragen aus Paris und auch mal vom FC Bayern vorliegen, doch United sträubt sich gegen einen verlustreichen Verkauf.
Van Gaals Landsmann Memphis Depay (21/PSV Eindhoven) ist die neue 35-Millionen-Euro-Hoffnung für das Flügelspiel; der italienische Rechtsverteidiger Matteo Darmian (25/FC Turin) kostete 18 Millionen. Uniteds Umsatz von 540 Millionen Euro in der Saison 2014/15 - ohne Champions-League-Millionen - und eine Steigerung der Einnahmen um etwa 100 Millionen von 2016/17 an, wenn der neue sieben Milliarden Euro schwere TV-Vertrag der Premier League greift, lassen Spielraum für weitere Umbauten. So versucht United, Verteidiger Sergio Ramos von Real loszueisen; im Angriff sind Edinson Cavani (Paris), Harry Kane (Tottenham) und Christian Benteke (Aston Villa) Kandidaten für die Unterstützung von Wayne Rooney, der in der vorigen Saison schlichtweg überfordert war.
Unter dem Strich steht United vor einem weiteren Jahr des Übergangs. Doch die ungewissen Aussichten sind auch eine Chance für Schweinsteiger. Er kommt in ein Team, das Größe und Charakter dringend benötigt.