DFB:Auf der Suche nach einem heiklen Dokument

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Neue Zentrale, altbekanntes Problem: Auch am neuen Verbandssitz des DFB sind jetzt die Staatsanwälte vorstellig geworden. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Neue Aufregung in der WM-2006-Affäre: Die Staatsanwaltschaft sucht den DFB auf, um Beweise für den laufenden WM-2006-Prozess sicherzustellen. Es geht offenkundig um ein Papier aus der verbandsinternen Ermittlung der Firma Esecon.

Von Johannes Aumüller

In der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes herrscht in diesen Tagen mehr Andrang als sonst. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat dort den Kader der Nationalmannschaft zusammengezogen, um ihn auf die beiden Testspiele gegen Frankreich und die Niederlande einzustimmen. Doch am Mittwoch kamen zu den geplanten Gästen noch ein paar unerwartete dazu: Am Vormittag standen auf einmal staatliche Ermittler vor der Tür. In der Hand: ein frischer, zwei Tage alter Durchsuchungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt.

Im Kontext der zahlreichen Affären, die sich der DFB in den vergangenen Jahren geleistet hat, ist es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder mal zu Razzien in der Verbandszentrale gekommen. Doch der jüngste Besuch der Ermittler ist für den DFB besonders pikant. Es geht der Justiz offenkundig um ein ihr bisher nicht vorliegendes Dokument, das im Zusammenhang mit einem der dunkelsten Geheimnisse des deutschen Fußballs steht: den bis heute nicht aufgeklärten Millionen-Schiebereien rund um die Fußball-WM 2006.

Das Landgericht Frankfurt erklärte am Mittwoch auf Anfrage nur allgemein, es gehe bei der Maßnahme um die Sicherstellung von Beweismaterial, und machte keine näheren Angaben über den Umfang und das konkrete Begehren. Der DFB betonte, dass es um genau ein Dokument gehe. Nach SZ-Informationen handelt es sich dabei um ein Schriftstück, das im Zusammenhang mit einer DFB-internen Ermittlung zum "Sommermärchen" steht, die in den Jahren 2020 und 2021 die Berliner Firma Esecon für den Verband vorgenommen hat.

Der DFB dementierte das auf Anfrage nicht. Er betonte nur generell, dass er vollständig kooperiere und die Klärung dieser Fragen auch in seinem Interesse liege. Man habe in diesem Kontext auch schon viel Material an die Staatsanwaltschaft übergeben. Allerdings lag das von den Ermittlern am Mittwoch gewünschte Dokument beim Verband offenbar nicht gerade griffbereit herum. Selbst einige Stunden nach ihrem Aufschlagen hieß es aus dem Verband, dass die Suche noch andauere.

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Von Johannes Aumüller

Zu den ominösen Zahlungen rund um die WM 2006 läuft seit März vor dem Landgericht Frankfurt ein Gerichtsprozess. Angeklagt sind die drei früheren DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, 73, Horst R. Schmidt, 82, und Theo Zwanziger, 78, wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Sie sollen dafür verantwortlich sein, dass eine im April 2005 erfolgte Zahlung über 6,7 Millionen Euro an den Fußball-Weltverband zu Unrecht als Betriebsausgabe geltend gemacht worden sei. Diese Überweisung habe nämlich nicht wie angegeben als Beitrag zu einer geplanten WM-Gala gedient, sondern der Rückzahlung eines Kredites über zehn Millionen Schweizer Franken, den 2002 der deutsche WM-Chef Franz Beckenbauer vom französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus erhalten hatte.

Es kann sein, dass der DFB bald 25 Millionen Euro abschreiben muss

Die drei Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück. Zugleich kann das Gerichtsverfahren nicht nur für sie folgenreich sein, sondern auch für den DFB: Ihm droht als sogenanntem Nebenbeteiligten eine Geldbuße. Und zudem müsste der in finanziellen Schwierigkeiten steckende Verband 25 Millionen Euro abschreiben, wenn das Gericht zu dem Schluss käme, dass im Zusammenhang mit der damaligen Millionenzahlung tatsächlich eine Steuerhinterziehung vorlag.

Der Kern der Affäre um das "Sommermärchen" - und auch maßgeblich für die Bewertung, ob die Verbuchung der 6,7 Millionen Euro korrekt war oder nicht - ist die Frage, welchem Zweck der Beckenbauer-Kredit im Jahr 2002 ursprünglich diente. Am Ende mehrerer Transaktionen waren die zehn Millionen Franken damals beim katarischen Fußball-Funktionär Mohammed bin Hammam gelandet. Die genauen Hintergründe konnten in den fast neun Jahren, die die Affäre nun schon andauert, von mehreren staatlichen Ermittlungsstellen ebenso wenig gelöst werden wie von mehreren durch den DFB beauftragten Kanzleien und Firmen.

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Zu diesem Kreis gehörte auch das Berliner Unternehmen Esecon. Dieses war Anfang 2020 vom DFB in die Spur gesetzt worden, um offenen Fragen rund um die anrüchigen Vorgänge aus der Sommermärchen-Zeit nachzugehen. Die Berliner Forensiker führten dann zwar diverse Gespräche und stellten dem DFB am Ende für ihre Arbeit einen siebenstelligen Betrag in Rechnung, brachten aber keine substanziell neuen Erkenntnisse.

Im Sommer 2021 finalisierte Esecon einen knapp 130-seitigen Bericht, den der DFB allerdings geheim hielt und nicht veröffentlichte. Nach SZ-Informationen wurde das Papier später allerdings der Staatsanwaltschaft Frankfurt übergeben, ebenso wie einige andere Unterlagen und Gesprächsprotokolle. Doch offenkundig hätte das Landgericht gerne noch etwas mehr: ein konkretes Papier aus dem Dokumenten-Fundus, der im Zuge dieser internen Ermittlungen entstand.

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